Robert Burns, Haggis und Whisky: Drei Dinge außer Dudelsack, die zusammengehören, wenn man „Schottland“ sagt. Besonders dann, wenn man den Geburtstag des schottischen Dichters feiert. Was die Schotten jedes Jahr tun. Und die Mittelhessen auch. Jedenfalls in Gießen. Das Mittelhessenblog hat hinter die Kulissen des Haggiskults und der Gießener Haggisfeier geblickt, die seit einigen Jahren immer wieder von Christina Hederich, Inhaberin des Gießener Spezialitätengeschäfts Vom Fass zusammen mit dem benachbarten Restaurant Zum Löwen veranstaltet wird.
Die Iren haben ihren Saint Patrick, die Schotten ihren Robert Burns. Und gefeiert wird beides. Eben auch in Mittelhessen.
Die Iren begnügen sich mit Guinness. Die Schotten tischen auf und zelebrieren ihre kulinarischen Spezialitäten: Haggis und Whisky. Feiern die Iren indes einen Todestag, feiern die Schotten einen Geburtstag.
Und ist der eine der Überlieferung nach der erste christliche Missionar Irlands, ist der andere zwar kein Heiliger, aber er gilt als „People’Poet – voice of the working-class of Scotland“. So beschreibt ihn Ian Rankin ihn in seiner Auswahl der „Poems of Robert Burns“ die 2008 bei Penguin Books erschienen ist. Er sei der Dichter des Volkes, die Stimme der arbeitenden Klasse Schottlands im 18. Jahrhundert gewesen.
Jetzt im 21. Jahrhundert ist Burns längst Legende und Rahmen für festliche kulinarische Zusammenkünfte. Wie in Gießen. Die beiden Veranstalter sind jeder für sich Adressen für Gourmets und Feinschmecker, bedingt durch die direkte Nachbarschaft hatte sich ergeben, dass der geeignete Platz für das seit einigen Jahren stattfindende Robert-Burns-Dinner das Café da Vinci ist, das dem Restaurant Zum Löwen direkt gegenüber liegt. Das Dinner, so versicherten Besucher, habe sich zu einem Geheimtipp entwickelt. In diesem Jahr waren rund 30 gekommen, wesentlich mehr hätten aus Platzgründen kaum kommen dürfen, erklärte Christina Hederich.
Während sie mit ihrem Mann Michael für die Präsentation der passenden Whisk(e)ys sorgte und sich Küchenchef und Zum-Löwen-Mitinhaber Sabato Laurito um die verschiedenen Gänge des 5‑Gänge-Menüs kümmerte, sorgte Christian Tewordt aus Marburg für die musikalische und literarische Gestaltung des Abends; rund um Burns, seine Zeit und schließlich die Haggis-Zeremonie selber. Tewordt ist besser bekannt als Quest the Piper und zählt im Scottish und Irish Folk zu den führenden Musikern in Deutschland, wenn es um Dudelsack und generell Sackpfeifen geht. Mit seiner Arbeit ist er auch in Schottland und Irland kein Unbekannter.
Für die rund 30 Gäste übernahm Quest also die Rolle des Zeremonienmeister für ein Mahl, das in seiner Grundzusammensetzung und in seinem Ablauf so seit 1797 unverändert ist: Zuerst wird gemeinsam das Tischgebet Selkirk Grace gesprochen, dann beginnt das Essen mit einer Suppe, in der Regel einer typisch schottischen wie Cook a Leekie, einer Hühnersuppe von recht dichter Konsistenz. Als Hauptgang folgt der in feierlicher Zeremonie hereingetragene und begrüßte Haggis, hinterher gibt es in der Regel schottische Leckereien wie Cranachan oder Oatcakes und schottischen Käse.
Zum Schluss dann wenn der Kaffee gereicht wird, folgen die Loyal Toasts. Zu jedem Gang wird Whisky gereicht. Die Pausen zwischen den Gängen werden mit Redebeiträgen des Zeremonienmeister und Redebeiträgen der Gäste gefüllt..So beschreibt es jedenfalls der Verein für Schottische Lebenskultur „The Clansmen“ in Uelze. Der Verein ist Mitglied der weltweiten Robert-Burns-Gesellschaft (Robert Burns World Federation).
In Gießen nun gab es eine etwas abgewandelte Variante, die dennoch wie bereits in den Vorgängerveranstaltungen ihre Fans hatte: Das Tischgebet Selkirk Grace trug Quest vor, wie er überhaupt, wenn es um Burns und das Zeremoniell ging, in des Wortes tiefster Bedeutung, wort- und tonangebend war. Die kulinarische Eröffnung machte marinierter Stockfisch, begleitet von einem elf Jahre alten irischen Jack’s Choice Single Malt Whiskey. Die schottische Hühnersuppe Cook a Leekie wurde von einem Speyside Blended Malt Scotch Whisky, dem „Mac Spey“ untermalt. Flüssige 19 Jahre ging es anschließend mit dem Tormore, einem Speyside Single Malt, der mit seiner Note den Wildschweingulasch mit Süßkartoffeln und Maronen unterstrich, den Küchenmeister Laurito vor den Gästen servierfertig machte.
Dann schließlich der Haggis. Mit Neeps und Tatties, also Kartoffelbrei und Steckrüben. Auf der Karte noch mit „auf Wunsch“ markiert. Nur dieses Mal, unter Versicherung diverser Gäste, zum ersten Mal „alternativlos“, begleitet von Burns klassischem „Adress to a Haggis“ und einem Islay Blended Malt, dem Cragabus. Damit die Gäste den „großen Häuptling“ der „puddin-race“ würdigen konnten, hatte Quest vorher das Gedicht deutsch vorgetragen. [Red. Anmerkung: Da Burns selber in Scots geschrieben hatte, einer eigenen schottischen Englischvariante, existieren vom Haggis-Gedicht unterschiedlichste übersetzte Interpretationen seiner Arbeit, einer dieser Varianten trug Quest vor. Das Orginal in Scots ist am Ende dieses Artikels eingeblendet.]
Den Abschluss des Menüs schließlich bildete eine eher französische Mousse au Chocolate. Eine der Besucherinnen erklärte sich diese kulinarische Abweichung vom Originalgang mit den „starken Beziehungen zwischen Schottland und Frankreich“. Die flüssige Begleitung zum Mousse war wieder ein irischer Single Malt Whiskey, ein 14 Jahre alter „Brothers in Arms“.
Was Haggis ist? Etwas, das jedenfalls keine Chance hat, in die USA eingeflogen zu werden. Wegen der verarbeiteten Schafslunge. Dieses Verbot gilt seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. Inzwischen aber gibt es diverse Anstrengung einschließlich einer Petition dieses Verbot zu kippen, da es hierfür keinen sachlichen Grund gäbe. Das berichtete das Portal Scotland Now am 1. November 2015 Aber in der EU gibt es „zum Glück“ ein solches Verbot nicht. Denn der Haggis, der in Gießen feierlich über die Straße getragen und anschließend zum Verzehr aufgeschlitzt wurde, kam per Luftfracht erst ins heiße Wasserbad von Sabato Laurito und anschließend auf den Zeremonientisch im Café da Vinci.
Alles andere wäre zu aufwendig und überhaupt: „Wie soll ich als Italiener einen Haggis zubereiten?“, meinte Laurito augenzwinkernd. „Zum Glück“, diese Formulierung für die Tatsache, dass Haggis ohne Schwierigkeiten von Schottland auf den Kontinent darf, ist aus britischer Sicht durchaus wörtlich zu nehmen. Denn diverse britische Fähren laden auf Plakaten ihre Gäste bei Fahrten auf das europäische Festland dazu ein, sich am Büfett noch einmal richtig satt zu essen. Weil es ja auf dem Kontinent nichts vernünftiges zu essen gäbe.
Allerdings auch die Fährenbüfetts mit Lime Pickles und echter Minzsauce bieten eines nicht: Haggis. Das können demnach nur schottische Köche richtig zubereiten. Was kommt in diesen „paunch“ einen umgewendeten Schafsmagen also hinein: Eine Füllung aus Herz, Leber, Lunge, Nierenfett, Zwiebeln und Hafermehl. Als Gewürze kommen Pfeffer und Salz an die Masse. Für die gesamte Zubereitung braucht es, wenn man den Schafsmagen auch noch präparieren muss „vier bis fünf Stunden“.
Das meinte jedenfalls der schottische Autor Paul Harris 1988 in seinem Little Scottish Cookbook.
Heute sehen es die Autoren der britischen Seite sausages.co.uk erwas anders: Sie meinen, es einfach und weiter nicht kompliziert, den Haggis zuzubreiten. Sie reden von „maximum two hours“, also zwei Stunden. In der Art, wie sie auf ihrer Seite den Haggis präsentieren, drängt sich der Eindruck auf, als ob sie ebenfalls wie Sabato Laurito in Gießen auf einen bereits vorbereiteten Haggis zurückgreifen. Auf eine Anfrage hat sausages.co.uk bisher noch nicht reagiert.
Den Freunden schottischer Ess- und Trinkkultur in Mittelhessen taten diese Feinheiten insgesamt jedenfalls keinen Abbruch. Eines indes stieß indes doch auf: „Es war schon etwas störend, dass hier dann immer noch Leute durchgelaufen sind. Sonst war das immer geschlossene Gesellschaft“, meinten einige der Gäste.
Adress to a Haggis:
Fair fa‘ your honest, sonsie face,
Great chieftain o the puddin‘-race!
Aboon them a‘ ye tak your place,
Painch, tripe, or thairm:
Weel are ye worthy o‘ a grace
As lang’s my arm.The groaning trencher there ye fill,
Your hurdies like a distant hill,
Your pin wad help to mend a mill
In time o need,
While thro your pores the dews distil
Like amber bead.His knife see rustic Labour dight,
An cut you up wi ready slight,
Trenching your gushing entrails bright,
Like onie ditch;
And then, O what a glorious sight,
Warm-reekin, rich!Then, horn for horn, they stretch an strive:
Deil tak the hindmost, on they drive,
Till a‘ their weel-swall’d kytes belyve
Are bent like drums;
The auld Guidman, maist like to rive,
‚Bethankit‘ hums.Is there that owre his French ragout,
Or olio that wad staw a sow,
Or fricassee wad mak her spew
Wi perfect scunner,
Looks down wi sneering, scornfu view
On sic a dinner?Poor devil! see him owre his trash,
As feckless as a wither’d rash,
His spindle shank a guid whip-lash,
His nieve a nit;
Thro bloody flood or field to dash,
O how unfit!But mark the Rustic, haggis-fed,
The trembling earth resounds his tread,
Clap in his walie nieve a blade,
He’ll make it whissle;
An legs an arms, an heads will sned,
Like taps o thrissle.Ye Pow’rs, wha mak mankind your care,
And dish them out their bill o fare,
Auld Scotland wants nae skinking ware
That jaups in luggies:
But, if ye wish her gratefu prayer,
Gie her a Haggis
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