Ob es nun Stiftungen sind, das so genannte Crowdfunding oder Bezahlsysteme wie flattr oder kachingle, es sind alles Modelle, wie Journalismus sich anders als bisher finanzieren kann. In den vergangenen zwei Jahren war dies auch Thema im Gießener Ortsverband des Deutschen Journalistenverbands (DJV). Ebenfalls in den vergangenen zwei Jahren auch Thema der Verbandstage des hessischen DJV-Landesverbands. Nur weit gekommen waren die Vorschläge aus Gießen nicht wirklich. Nun, 2012, während des Bundesverbandstages des DJV in Kassel landete das Thema auf einmal ganz weit oben und soll nun eine noch zu gründende Arbeitsgruppe beschäftigen.…Grund für einige Gedanken. Denn gerade auf solche Alternativen neben oder statt des klassischen Anzeigengeschäfts setzen in den vergangenen Jahren entstandene journalistische Onlineangebote wie es das Mittelhessenblog ist, getragen von einem oder in der Regel einer Hand voll freien Journalistinnen und Journalisten.
Ein kurzer Blick in die Geschichte
„Ohne Moos nichts los“ lautete ein Schlager, den Gunter Gabriel 1979 sang. Damals bestand der Deutsche Journalistenverband gerade 30 Jahre. Damals gab es noch Staaten auf deutschem Boden, mit zwei Wirtschafts- und zwei Gesellschaftssystemen. Und einer klar geordneten Medienlandschaft: Hier die öffentlich-rechtlichen Sender mit ihren durch Gebühreneinzug gesicherten Geldern, und auf der anderen Seite die privatwirtschaftlich organisierten Zeitungen, Zeitschriften, Magazine. Mit dem Beginn des Sendebetriebs der beiden Privatsender Sat1 und RTL im Januar 1984 sollte dann der Anfang für einen radikalen Wandel im Journalismusbetrieb gesetzt werden – rechtlich vorbereitet durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im letzten Jahr der sozialliberalen Regierungskoalition Schmidt/Genscher (1981). Ein Jahr später begann dann die neue bürgerlichliberale Regierungskoalition Kohl/Genscher mit dem Ausbau der Breitbandverkabelung als technischer Voraussetzung. Was gleichzeitig allerdings mit der eingeläuteten geistig-moralischen Wende durch den Regierungs- und Politikwechsel begann, war auch der schleichende Wandel zur Betrachtung von Menschen als reinem Kalkulationsfaktor in Unternehmensbilanzen. Als reiner Kostenfaktor, dessen Gewicht es zugunsten von noch mehr Profitabilität geringer werden sollte.
Zeitenwandel
33 Jahre später seit Gunter Gabriels Lied sieht alles anders aus: Öffentlich-rechtliche Sender müssen schon lange mit den Privaten mithalten. Durch den Beginn des Internetzeitalters zu Beginn des neuen Jahrhunderts tauchte eine neue Dimension in der Medienarena auf und zwischenzeitlich übten sich Verlage im Hohen Lied der knappen Kassen, die begründen sollten, dass mehr gespart werden soll – an den Menschen. Gleichzeitig fanden und finden Investitionen in Millionenhöhe in Druckmaschinen, EDV-Systeme, neue Redaktionssysteme statt. Um das festzustellen, muss man nicht nur auf die großen überregionalen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage blicken. Genauso gleichzeitig schaufelten sich die Zeitungsverlage und damit auch den Schöpfern ihrer Werke, den Journalisten, Fotographen, zuarbeitenden Grafikern ein großes Loch, das zu stopfen ungleich schwieriger geworden ist als es auszuheben: Die komplett kostenlose Bereitstellung wertvoller Arbeit im Internet. Der Blick vor die eigene Haustür reicht manchmal auch schon. Gehaltsstagnation und eingefrorene Honorare wurden mit schlechten Zahlen im Anzeigengeschäft begründet. Dennoch geht es zum Beispiel den Zeitschriftenverlegern gut. Zahlenbeispiele lieferte der DJV-Vorsitzende Michael Konken in Kassel: Während die Zeitschriftenbverleger 2012 mit 7.1 Milliarden Euro ein Umsatzplus von 1,4 Prozent erwarten und 2013 noch einmal 1,5 Prozent. Dafür wollen sie in den nächsten Jahren 400 Arbeitsplätze schaffen. Fragt sich, zu welchen Bedingungen.
Was in diesen 20, 30 Jahren aber auch geschah: Der Beruf des Journalisten gewann immer mehr an Zulauf und Beliebtheit. Heute ist von der IMM-Generation die Rede (Ich mach was mit Medien). Nicht nur bei Studis Online. Die IMM-Formel schwirrte auch während des DJV-Verbandstags in Kassel durch die Luft.
Was trotz des Wandels allerdings immer noch geblieben ist: Die Arbeit der Journalisten muss finanziert werden. Durch die Gemengelage verschiedener technischer Grundlagen, wie Informationen gesichtet, gesammelt, aufbereitet und an Leser, Zuhörer oder Internetnutzer weitergegeben werden können, haben sich ebenfalls die klassischen Finanzierungsgrundlagen verändert. Sollen es noch die klassischen Anzeigen sein, sollte es eine öffentlich-rechtliche Finanzierung sein? Diese Idee hatte zuletzt Professor Siegfried Weischenberg vor drei Jahren während eines gemeinsamen Medienforums von DJV, Verdi und dem DGB in Rostock geäußert. Der Vorgänger des jetzigen DJV-Vorsitzenden Michael Konken sagte unter anderem dies:
In Kassel nun griff Konken diese Ideen durch die Blume wieder auf. Der Berliner freie Journalist Dr. Wolf Siegert weist in seinem Blog Day by Day auf die Schlagzeile des Berliner Landesverbands hin : „Konken erwägt Staatsfinanzierung von Zeitungen“ und merkt zur Gesamtthematik, wie nun Journalismus finannziert werden soll, richtig an: „eine wichtige Fragestellung über die Grenzen der Geschlechter und der Generation“
Die Idee, dass Journalismus sich künftig nach einem öffentlich-rechtlichen Modell finanzieren lassen solle, stieß indes nicht auf ungeteilte Gegenliebe – mit den Erfahrungen der jüngsten versuchten Einflussnahme durch Ex-CSU-Sprecher Strepp auf das ZDF im Genick. Staatsferne sei eigentlich das Gebot, lauteten viele Kommentare.
Soweit so gut. Nur geht es längst nicht mehr nur um Zeitungen, es geht auch nicht um Fernsehsender. Sondern es geht schlichtweg darum, dass Journalisten ihre Arbeit leisten können. Im eigentlichen Sinn. Nicht als PR-Schreiber, Coach, Textoptimierer oder in den sonstigen einschlägig bekannten Modellen, wo vor allem Freie unterkommen, wenn sie wegen notorischer Schlecht- oder Unterbezahlung auf klassischen Journalismus einfach keine Lust mehr haben.
„Wir finanzieren keine einzelnen Journalisten“
In Kassel monierte ein Kollege, es ginge ja nicht darum „Journalisten zu finanzieren, sondern den Journalismus“. Nur, wer bitte, macht denn d e n Journalismus: Eine anonyme Einrichtung, ein abstraktes Wesen? Wohl kaum? Es sind nun mal Journalisten, die dafür sorgen, dass Journalismus stattfindet. Bis vor einigen Jahren in einem gewohnten Zusammenspiel: Hier die Angestellten, die das Blatt machen, im Impressum aufgeführt werden als verantwortliche Redakteure – dort die Freien, die in der Regel zuliefern oder als Pauschalist die gleiche Arbeit machen. Heute verwischen die Grenzen: Freie liefern sowohl zu wie sie auch zunehmend selber als eigenständige Publizisten in Erscheinung treten. Wenn wir von der Finanzierung des Journalismus reden, dann reden wir von den Methoden, wie Recherchen bezahlt werden, deren Umsetzung, wie die Nachricht zum Konsumenten kommt. Es ist ehrlicher zu sagen, dass nicht das anonyme Wesen Journalismus finanziert wird – sondern eben der Journalist, der für seine Recherche Geld braucht, um sie machen zu können. Also geht es am Ende immer um den einzelnen Journalisten, der in seiner Arbeit unterstützt wird.
Freie als Wegbereiter für neue Finanzierungsmodelle
Es sind gerade freie Journalisten, die in den vergangenen Jahren dafür gesorgt haben, dass neue Impulse in den Journalismus kamen. Auch und gerade mit der Entwicklung unabhängiger Onlinemedien, die an kein Verlagshaus gebunden sind. Wo finden diese ihren Rückhalt in dieser Debatte? Wenn wir über Finanzierung des Journalismus reden, reden wir nicht nur darüber, dass die Kolleginnen und Kollegen in den Sendehäusern und den etablierten Redaktionen zu adäquaten Bedingungen ihre Arbeit leisten können, angestellte wie freie Kollegen/-innen, sondern wir reden auch darüber, wie die Kolleginnen und Kollegen, die quer durch die Republik den Mut haben und hatten, sich mit eigenen Angeboten auf den Weg zu machen, ebenfalls Rückendeckung beim Kampf für eine bessere finanzielle Anerkennung dieser Arbeit bekommen.
Öffentlichkeit ist nötig
Dafür muss an die Öffentlichkeit gegangen werden. In persönlichen Gesprächen, in Kampagnen etc. Um darauf aufmerksam zu machen, dass es die Möglichkeit der Stiftungen gibt oder Fördervereine. Wie es zum Beispiel Stefan Aigner von Regensburg Digital vormacht. Diese Möglichkeiten, wie Journalismus finanziert werden kann, um zum Beispiel langwierige Recherchen auch im Regionalen oder Lokalen zu ermöglichen, wurden intensiv auch im DJV-Ortsverband Gießen diskutiert – mit dem Ergebnis, dass diese Idee während zweier Verbandstage (2011 und 2012) in Hessen auf den Weg geschickt werden sollte. In Antragsform verpackt. Unter anderem sollte es darum gehen, dass eine Stiftung eingerichtet werden sollen, um eine Jury dann über die Vergabe von Recherchegeldern entscheiden zu lassen. Als Minimum war eine Summe von 5000 Euro angesetzt worden. Möglichkeiten, wie eben mit Bezahlsystemen wie flattr und kachingel jeder Leser direkt seinen Journalisten, sein Medium unterstützen kann, wurden bisher eher skeptisch betrachtet.
Junge Journalisten des DJV werfen den Ball in Kassel ins Spiel
In Kassel nun war es erst ein Antrag der Jungen Journalisten. Deren Fachausschuss wollte, dass sich der DJV mit seinem Vorstand an die Arbeit macht, eine klare Position zu erarbeiten, um seinen Mitgliedern „deutliche Handlungsempfehlungen“ zu geben, welche alternativen Finanzierungsformen der DJV unterstützt und unter welcher Voraussetzung (red. Anmerkung: aus DJV-Sicht) dies zulässig ist. In der Begründung für den Antrag heißt es: „Die Arbeits- und Lohnsituation.….. hat sich in den vergangenen Jahren konsequent verschlechtert, weil das herkömmliche Geschäftsmodell der Verlage längst nicht mehr so gewinnbringend ist. Nachrichten werden schneller über das Internet veröffentlicht als über die klassischen Medien. Die Verluste im Anzeigengeschäft und im Verkauf werden nicht durch die Einnahmen im Internet gedackt. Deswegen werden insbesondere aufwendigere Rechercheprojekte immer schwieriger durchsetzbar oder sind teils schon fast gänzlich unmöglich. Das gilt auch für Weiterbildungen.“ Geht um reine Internetmedien, ist der Druck noch größer. Denn hier kommt noch erschwerend der laxe Umgang mit Urheber- und Verwertungsrechten hinzu. Auch diese Position, die gerade für freie Journalisten hochwichtig ist, berührt die Frage der Finanzierung journalistischer Arbeit.
Die Vorlage der Jungen Journalisten nun wurde unter der Bedingung, dass ihre Begründung mit in einen weiter gefassten Antrag der Freien Journalisten einfließt, als Arbeitsauftrag für die Arbeitsgruppe „Finanzierung des Journalismus“ mit auf den Weg gegeben. Diese Gruppe, so der Antrag der Freien, soll unverzüglich vom DJV-Bundesvorstand eingerichtet werden. Die Gruppe soll dann dafür sorgen, dass der DJV in die öffentliche medienpolitische Diskussion zur künftigen Existenzsicherung des professionellen Journalismus eine eigene Position einbringt. Wollen hoffen, dass der wesentlich exaktere Antrag der Jungen Journalisten nicht mit seinen Inhalten untergeht.
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