Im Mittelpunkt des diesjährigen Kongresses des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger am 16. und 17. September stand unter anderem die Frage der Finanzierbarkeit des Journalismus. Christoph Linne hatte daran teilgenommen und erzählte seinen Redakteuren am nächsten Tag davon. Es sei interessant gewesen, auch die Rede, die Bundespräsident Joachim Gauck gehalten habe.
Bei der Veranstaltung, zu der sich Linne, Chefredakteur und Prokurist der Oberhessischen Presse (OP), so en passant und vom Kongress erzählend, gesellt hatte, stand mehr die Finanzierbarkeit des Journalistenlebens im Mittelpunkt. Um genau zu sein, die Finanzierbarkeit des Lebensunterhalts junger Redakteure der OP. Im Gegensatz zu ihren älteren Kollegen haben sie individuell ausgehandelte Gehälter – Höhe abhängig vom Verhandlungsgeschick, aber in jedem Fall deutlich unter dem der Altredakteure. Sie müssen mehr Stunden als diese leisten, Weihnachts- und Urlaubsgeld bekommen sie nicht.
Sie sind Opfer des Ausstiegs der OP aus der Tarifbindung. Im Betriebsratsjargon heißen sie deshalb auch OT-Redakteure. OT für Ohne Tarifbindung. Eine Ausnahme ist der Verlag damit nicht. Viele Zeitungen befinden sich auf Tarifflucht.
Um gegen ihre Situation zu protestieren, hatten sich die Redakteure am Mittwoch, 18. September, vor einem Seiteneingang des Verlags- und Redaktionsgebäudes der OP zu einer „aktiven Mittagspause“ versammelt. Und wie eine Pause wirkte es auch, wäre da nicht das große Transparent „Unsere Arbeit ist mehr wert“ gewesen. Es gab Pizza, Donuts mit Schokoladenguss und bunten Zuckerstreuseln, Kaffee aus Plastikbechern – und Solidaritätsbezeugungen der älteren Kollegen.
„Es geht doch darum, dass die jungen Menschen ein Einkommen haben, das es ihnen zum Beispiel ermöglicht, in einer eigenen Wohnung zu leben, statt auf ewig in einer WG“, sagte Matthias Mayer, Redakteur im Ostkreis.
Gleicher Lohn und gleiche Arbeitsbedingungen für alle
„Dies ist ein kleines Haus, dadurch kommen wir schnell in Verantwortung.“ „Wir haben doch viel dazugelernt, seit wir hier angefangen haben, das wird aber nicht honoriert.“ „Seit sechs Jahren das gleiche Gehalt, obwohl die Lebenshaltungskosten gestiegen sind, das ist eine Einkommensminderung.“ „Wir arbeiten hier wie die Verrückten.“ „Wir fordern eine Gehaltserhöhung, die auf unsere Bedürfnisse eingeht.“ „Wir fordern gleichen Lohn und gleiche Arbeitsbedingungen für alle.“ So erklärten die OT-Redakteure ihren Protest. Ihre Namen verweigerten sie der Reporterin, wohl wissend, dass Journalisten Aussagen gerne mit konkreten Personen verbinden. Doch hier sprach jeder für alle. Das war ihnen wichtig.
„Es ist beschämend, dass man Schreibtisch an Schreibtisch mit Kollegen sitzt, die arbeitsvertraglich mehr arbeiten müssen, aber bis zu tausend Euro weniger verdienen“, sagte Betriebsratsvorsitzende Silke Pfeiffer-Sternke gegenüber dem Mittelhessenblog. Das geringe Grundgehalt wirke sich zudem auf die betriebliche Altersvorsorge aus.
Auch Altredakteure ärgern sich
Doch auch die Altredakteure hatten Grund zu Unmut. Erstmals hat man ihnen die tariflich ausgehandelten Einkommenssteigerungen nicht mehr weitergegeben, eine versprochene Einmalzahlung von 200 Euro wurde ebenfalls kassiert.
Ein Haustarifvertrag soll nach den Vorstellungen des Betriebsrats die ungleiche Bezahlung der Redakteure abschaffen, sowie für Transparenz und angemessene Einkommenssteigerungen sorgen. „Unser Maximalziel ist ein Anerkennungstarifvertrag“, erklärte Pfeiffer-Sternke.
„Diese Art, seine Forderungen zu äußern, ist natürlich legitim,“ sagte Chefredakteur Christoph Linne, direkt auf die Veranstaltung vor seiner Haustüre angesprochen. Mehr könne er aber in diesem Rahmen nicht sagen, man kommuniziere das Thema nach innen und mit den einzelnen Mitarbeitern.
Bundespräsident Joachim Gauck, Ehrengast und Abschlussredner des Zeitungsverlegerkongresses, hatte übrigens auf die prekäre Beschäftigungssituation vieler Journalisten hingewiesen und die Verleger vor einer Auszehrung der Redaktionen gewarnt.
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Leserhinweis
Die Rede von Bundespräsident Joachim Gauck steht hier im Originaltext
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