Die Nachricht ist eingeschlagen wie eine Bombe: FDP-Generalsekretär Christian Lindner tritt überraschend zurück. In den überregionalen Medien lief die Nachricht online direkt an die Spitze. Was der Kurs des kleinen Koalitionspartners in der Bundesregierung aber an der Basis mit den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern und den Mitgliedern macht, in diesem Fall in Mittelhessen, wollte das Mittelhessenblog bei einer Umfrage unter den Vorsitzenden der fünf mittelhessischen Kreisverbände wissen. Antworten gibt es hier aus Gießen und dem Vogelsberg als Ergebnis direkter Telefonate. Von Jörg Behlen liegen Erklärungen aus seinem Facebook-Profil vor. Die Kreisverbände Limburg-Weilburg und Lahn-Dill waren bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt (19.12 Uhr) nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
In den mittelhessischen FDP rumort es schon länger. Am rührigsten sind dabei Mitglieder der beiden Kreisverbände Gießen und Marburg-Biedenkopf. Das Hauptwerkzeug, dessen sich sowohl Anhänger der Linie der Bundesspitze wie auch Kritiker bedienen, ist dabei Facebook.
Der FDP-Kreisverband Gießen ist die politische Heimat eines mittlerweile als FDP-Urgestein geltenden Politikers: Dr. Hermann Otto Solms. In Marburg-Biedenkopf machte sich dagegen Jörg Behlen durch seine harten Kommentierungen zu den Bemühungen der Bundes-FDP unter Philipp Rösler den Euro retten zu wollen, einen Namen. Behlen unterstützte dabei offen Frank Schäffler mit seiner Kritik am Bundesvorstand. Schäffler sammelte mit seinem Eintreten für einen Mitgliederentscheid zum Eurorettungs-Schirm ESM bis zuletzt weitere Kritiker am Kurs des Bundesvorstands um sich. Am 4. Dezember kam es zu einem gemeinsamen Auftritt Solms und Schäfflers in Marburg. Um noch einmal Argumente vor der Abgabefrist für die Unterschriftenaktion zum Mitgliederentschied auszutauschen, die am 13. Dezember ablief.
Die Art und Weise, wie dazu eingeladen wurde, sei ihm schon als hinderlich für die Sache aufgefallen, sagte der Vogelsberger Vorsitzende Dr. Bernd Stumpf aus Kirtorf gegenüber dem Mittelhessenblog. „In der Einladung stand, Solms und Schäffler treten gegeneinander an. Wenn dort gestanden hätte, sie sprechen miteinander, dann wäre das besser gewesen“, sagt Stumpf. Und bekennt offen, erst zur Position Schäfflers gestanden zu haben, auch zur Idee des Mitgliederentscheids. Als ihm aber klar wurde, dass Schäffler „emotional argumentiert“, habe er schließlich Schäfflers Kurs nicht mehr stützen wollen. Wie Stumpf meint, hätten Lindner und Rösler es sehr schwer gehabt, den Karren FDP aus dem Dreck zu ziehen. Die Bundespolitik habe sich zumindest auf das Mitgliederverhältnis nicht negativ ausgewirkt. „Wir sind 150. Daran hat sich in dem Jahr nichts geändert.“
Schärfere Töne kommen aus dem Landkreis Gießen. Dort, in Solms Heimat, sind sich der dortige Vorsitzende Andreas Becker und die Geschäftsführerin des Kreisverbands, Andrea Kaup, einig: Das Verhalten Röslers sei eine Ohrfeige: Sowohl für die Anhängerschaft Schäfflers, wie auch für das Lager, das Solms vertritt. So könne man nicht miteinander umgehen. Beide zielen auf Röslers Prognose, der Mitgliederentscheid werde ohnehin scheitern, weil nicht genügend Stimmen zusammenkommen würden. Im benachbarten Vogelsbergkreis wird Röslers Äußerung indes nicht so hart bewertet.
Für Becker, der seit 16 Jahren im Politgeschäft ist, ist die gegenwärtige Lage der FDP und auch der plötzliche Rückzug Lindners kein Grund, nun alles aufzugeben, frei nach dem Motto „Der letzte macht das Licht aus“. Seiner Überzeugung nach kann es für eine organisierte Form des Liberalismus nur die FDP geben. „Alle anderen Parteien decken immer nur Randgebiete ab.“ Die Auswirkungen der Bundespolitik seien indes direkt spürbar. Zwar habe der Kreisverband rund 350 Mitglieder. Dennoch seien einige ausgetreten, gerade wegen der Debatte über den Mitgliederentscheid. Rund 5 Prozent hätten der FDP den Rücken zugekehrt.
In Marburg-Biedenkopf spricht Jörg Behlen auf seiner Facebook-Seite davon, dass Christian Lindner professioneller hätte handeln und die FDP in ihren gegenwärtigen Lage nicht hätte im Stich lassen sollen.
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