Als Osama bin Laden in seinem Versteck in Pakistan aufgespürt und exekutiert worden war, lief diese Nachricht wie ein Lauffeuer um die Welt. Das war 2011.Und 2012 erfuhren die Gäste der „SocialMedia@Skybar“ im Dachcafe in Gießen von Sascha Lobo, dass das Bemühen, einer Nachricht ohne sorgfältige Recherche noch tiefer auf den Grund zu gehen, möglicherweise ins Informationsfiasko führen kann. Sascha Lobos Beispiel: Die Panne, die 2011 dem Privatsender N24 beim Bericht über bin Ladens Tod widerfuhr.
Recherche ist alles. Zumindest für Menschen, die in irgendeiner Form beruflich damit beschäftigt sind, Informationen zu sammeln, zu sichten, zu bewerten und sie dann für den jeweiligen Zweck aufzubereiten. Dazu gehören Lehrer, Polizisten, Nachrichtendienstler (= Nachrichtendienst im Sinne von Geheimdienst) – aber eben auch Journalisten. Während die einen Wissen vermitteln sollen, sollen andere Erkenntnisse gewinnen, um Straftaten aufzuklären oder mögliche Gefährdungen zu erkennen, bevor sie zu einer Gefahr werden. Journalisten kommt in dem Fall eine Sonderrolle zu. Denn sie sollen nicht nur berichten, was war und jeder weiß, sondern auch die Dinge, die auch geschehen sind, von denen mancher nicht will, dass sie veröffentlicht werden. Zusammenhänge zu erkennen und verständlich zu machen, dafür bedarf es entsprechender Quellen. Und deren Bewertung setzt Sorgfältigkeit voraus. Hieb-und stichfeste Fakten zu erhalten, die frei von interessengeleiteter Einfärbung sind, ist die nächste Schwierigkeit. Das heißt: Auch bei größter Sorgfalt können Fehler passieren, wenn einfach der Wissensstand zum nach Abschluss einer Recherche so ist, dass man davon ausgehen muss, dass eine Information als gesichert gelten kann. Soweit so gut. Vor den Zeiten des Internet war dieses Geschäft mühseliger. Insofern ist es heute einfacher geworden.
Nur: Gerade das Internet ist mitunter ein Quell für manche Mythen- und Legendenbildung, die für bare Münze genommen werden. Sorgfältige Faktenprüfung ist also gerade hier trotz vermeintlicher einfacherer Zugänge zu Informationen noch mehr geboten. Nur: Alles dies war eigentlich im Falle der N24-Sendung mit Michael „Mick“ Locher seinerzeit nicht der Fall: Dass Osama bin Laden tot war, war bekannt, auch, dass es eine Sondereinheit der US-Streitkräfte war. Um zu präsentieren, wer denn eigentlich den Einsatz am 2. Mai 2011 erledigt hatte, wollte es Lochner offensichtlich genauer machen als die Kollegen in den öffentlich-rechtlichen Sendern. Während dort nur von US-Spezialeinheiten,einem Elitekommando oder dann doch wenigstens von Navy-Seals die Rede war (z.B Spiegel, Stern, ARD/ZDF), wollte N24 es detaillierter machen und auch den richtigen Namen der Seals-Einheit bringen.
Die Rede ist vom Team VI der Spezialeinheit. Unabhängig davon, dass im August 2011 das Buch eines Mitglieds dieser Eliteeinheit über das Team erschien (Navy Seals Team 6: Die Einheit, die Osama bin Laden tötete – Ein Elitekämpfer enthüllt die Geheimnisse seiner Einheit), hätte die N24-Redaktion doch besser graben sollen. Denn in diesem Fall, um Licht ins Dunkel zu bringen, hätte eine schnelle Begriffs- und Namensrecherche Klarheit gebracht. So hätte man erfahren können, dass das Team Six oder Mob Six der Navy Seals 1987 aufgelöst, später wieder neu formiert wurde und seither als „Naval Special Warfare Development Group“ oder kurz DEVGRU unterwegs ist. Weitere Informationen hierzu in englischer Sprache gibt es hier und hier. Die offizielle Rekrutierungseite für DEVGRU,s findet sich im übrigen hier.
N‑24-Mann Locher ging aber versehentlich noch einen Schritt weiter: Er katapultierte sozusagen mit Warpgeschwindigkeit eine Kampftruppe aus dem 23. und dem 24. Jahrhundert ins 21. Jahrhundert. Nämlich das Maquis Special Operations Seals Team VI. Das ist im 24. Jahrhundert eine paramilitärische Rebellentruppe im Startrek-Zyklus. Der Name Maquis leitet sich dabei von der französischen Resistance gegen Hitler ab, deren Mitglieder auf der Flucht vor der deutschen Gestapo in den „Maquis“ gingen. Für diese Phantasietruppe wurde natürlich auch ein Phantasielogo entworfen. Und genau jenes blendete der N‑24-Mann zur Erklärung ein. Der Sender hat übrigens später den ganzen Beitrag wieder gelöscht. Was wundert, ist, dass Locher, der laut N24-Personalprofil eigentlich ein erfahrener Journalist und kein Anfänger ist, diese Panne hat passieren können.
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