UMWELT/POLITIK und WIRTSCHAFT/TOURISMUS
„Wir sind gegen die Sanierung und den Bau der Hütte“, lautet das einhellige Votum der Königsberger Vogel-und Naturschützer. Während ihrer turnusmäßigen Jahreshauptversammlung im Biebertaler Ortsteil Königsberg spielte das Gerangel um die Sanierung der in einem Natura2000-Schutzgebiet stehenden 77 Jahre alten Hütte in der Gemarkung Königsneben einem Vortrag über die Kriterien naturnaher Waldwirtschaft in einer Naturwaldgemeinde wie Biebertal eine der Hauptrollen. Hintergrund: Die sogenannte Ziehe-Hütte hatte 2008 den Eigentümer gewechselt, sollte dann saniert werden, was aber gegen geltendes Recht steht. Nach einem Wechsel der privaten Bauherrenschaft zur öffentlichen Bauherrschaft durch die Gemeinde wartet man nun gespannt auf eine Entscheidung der Kreisbauaufsicht. Diese hatte grundsätzlich einen Baustopp verhängt, hält sich jetzt aber bedeckt. Eine Entscheidung für den Bau der Schutzhütte wäre nach Einschätzung der Naturschützer und des Ortsvorstehers ein Präzedenzfall.
Es ist spät geworden an diesem Freitagabend beim Hirschwirt in Königsberg. In dem Ortsteil Biebertals, der westlichsten Gemeinde im Landkreis Gießen sitzen knapp zwanzig größtenteils gestandene Männer und Frauen zusammen, um während ihrer Jahreshauptversammlung die Fahrtrichtung für das gerade begonnene Jahr rund um ihre Arbeit im örtlichen Vogel-und Naturschutzverein festzuzurren. Die üblichen Regularien stehen auf der Tagesordnung, 16 Tagesordnungspunkte müssen abgearbeitet werden. Nr. 15 und Nr.16 sorgen dann schließlich für eine lebhafte Debatte. Keineswegs boshaft oder missgünstig, sondern gewürzt mit einem bissigen Humor.
Es geht um die so genannte Ziehe-Hütte, einer 77 Jahre alten vom Zahn der Zeit zernagten Schutzhütte. Die Auseinandersetzung um deren geplante Sanierung durch einen privaten Käufer aus dem Nachbarortsteil Fellingshausen, der diese Hütte von den langjährigen Eigentümern aus dem Hauptortsteil Rodheim-Bieber erworben hatte – mit der Absicht, diese zu sanieren und vor dem Verfall zu retten. Doch die Rechnung hatte Hüttenkäufer Klaus Rüspeler ohne die geltenden Bauvorschriften gemacht. Zwar sei er kurz vor dem Kauf von den Vorbesitzern hingewiesen worden, dass Bautätigkeiten schwierig werden könnte. Geglaubt hatte er dies aber nicht.Was folgte, waren eine Anzeige durch die Biebertaler Umweltbeauftragte, Verhängung von Zwangsgeldern wegen verbotswidrigen Bauens und zwischenzeitlich auch eine Einschaltung des zuständigen Jagdpächters, der auch Schriftführer des Königsberger Vogel- und Naturschutzvereins ist.
Wechsel in der Bauherrenschaft
Was genauso geschah, war ein Wechsel in der Bauherrenschaft. Statt des privaten Käufers kam 2010 plötzlich die Gemeinde in Gestalt des Gemeindevorstands ins Spiel. Die Begründung: Die Schaffung eines Schutzes für Wanderer und Stellmöglichkeiten für Tische und Bänke. Diese Begründung wurde während der Sitzung der Königsberger Naturschützer nun regelrecht in der Luft zerrissen. „Wir haben ja nicht nur dort unten am Helfholz eine solche alte Hütte. Da gäbe es ja allein hier bei uns in der Tat genug alte Hütten, die man nach dem gleichen Muster sanieren könnte. Im Ernst: Wenn die Gemeinde Tische und Stühle unterstellen will, hat sie genügend andere Möglichkeiten, etwa am Bauhof. Und einen intakten Schutz für Wanderr gibt es direkt in der Nähe“, schwirrten die Gegenargumente durch die Luft. Amtlich wurde der Königsberger Ortsvorsteher Wolfgang Lenz: mit seiner Feststellung: „Wir finden die gesamte Vorgehensweise des Gemeindevorstands etwas merkwürdig. Es sieht danach aus, als ob hier eine Entscheidung herbeigeführt werden soll, die dann zum Präzedenzfall wird.“ Der Gemeindevorstand sei offensichtlich „schlecht beraten.“
Stellungnahme Klaus Rüspelers in den Biebertaler Nachrichten vom 11. Februar 2011
Nach der Veröffentlichung im Mittelhessenblog und im Gießener Anzeiger hatte Rüspeler in den Biebertaler Nachrichten, dem wöchentlich erscheinendem Amtsblatt der Gemeinde, noch einmal seine Sicht der Dinge dargestellt. Danach sei es darum gegangen, nachdem er selber als Privatmann mit seinem Bauvorhaben an den behördlichen Vorgaben gescheitert sei, nun mehr mit dem Gemeindevorstand einen Weg zu finden, trotzdem im Rahmen des Baugesetzes die Hütte bauen zu können. Im übrigen nehme er an, dass das wesentliche Hauptmotiv in der Verhinderung des Hüttenbaus darin liege, dass Bette als zuständiger Jagdpächter sich in der Ausübung seines Hobby gestört fühle.
Die Stellungnahme Rüspelers spielte damit auch auf der Versammlung der Vogel- und Naturschützer im Nachbarort Königsberg eine Rolle. Die Tatsache, dass Biebertals neue Revierförsterin, Ulrike Henrich, Kriterien der naturnahen Waldbewirtschaftung beleuchtete, gaben Bette Gelegenheit, Aufgaben des Jägers näher zu erklären. Danach bekommen Jäger unter anderem Abschusspläne vorgelegt. Werden diese nicht erfüllt, könne dies zu Konflikten mit den Jagdgenossenschaften führen.
Wie Behörden in Hessen mit illegalen Bauten im Außenbereich umgehen – Echo im Internet
Wie mit illegalen Bauten im Außenbereich umgegangen wird, also überall dort, wo nach dem Buchstaben des Gesetzes nur Landwirte, Jagedpächter oder Kommunen, die Windräder errichten wollen bauen dürfen, machen in Hessen gegenwärtig die Stadt Gießen und der Main-Taunus-Kreis vor. In Gießen musste kürzlich eine Familie ihr Haus räumen nach einer Fristsetzung durch das zuständige Bau- und Umweltdezernat der Stadt mit Sonderstatus. Anderen Häusern in dem Gartengebiet am linken Lahnufer (Hunsbach, Inselweg) droht mittlerweile das gleiche Schicksal. Im Main-Taunus-Kreis geht es gleich um einige hundert Gartenbauten und Schutzhütten, wo inzwischen das Regierungspräsidium in Darmstadt auf die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben drängt.
Umsomehr wartet man nun in Königsberg mit Spannung auf die Weiterentwicklung. Sollte die Entscheidung der Kreisbauaufsicht in Gießen zugunsten der Sanierung der Schutzhütte fallen, so könnte damit ein Signal gegeben werden, das unter anderem auf die Befürchtung von Wanderern sich in Luft auflösen lassen könnte, die sich etwa in Internetforen Ratschläge geben, wo es Geheimtipps für kostengünstiges Übernachten gibt – wie im Forum Outdoorseiten. Dort spricht ein nachdenklicher Forenbesucher einen Satz aus, der letztlich den Geist der Stellungnahme Rüsplers aufgreift: „In gewissen Grenzen sollte man froh sein, das wenig öffentliches Interesse an diesen Hütten und ihrer Nutzung besteht. Darin zu pennen (und diese ordentlich zu hinterlassen) bleibt eine Grauzone, die sicher durch Mißbrauch bald verschwinden würde.“
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