POLITIK und WIRTSCHAFT/TOURISMUS/BILDUNG
„Ich habe mich einfach in diesen Elefanten verliebt. Deswegen habe ich mir eben schnell noch einmal Geld geholt“, freut sich Heide Schnetter aus Langgöns. Gerade reicht ihr Iris Kühnel den Elefanten über die Ladentheke. Ein frischer Wind sorgt dafür, dass die Sonne, die gerade mit aller Kraft scheint, dass der Job für Iris Kühnel an diesem Tag kein schweißtreibender wird: Sie ist eine von rund 25 Ausstellern auf dem Kunstkeramiker- und Töpfermarkt auf der Burg Staufenberg in der gleichnamigen Stadt im Norden des Landkreis Gießen.
Der Markt findet zum vierten Mal statt, berichtet Marktveranstalter Reinhold Otto. Selber Töpfermeister in Ludwigau bei Bad Hersfeld, hat er die Veranstaltung solcher Märkte zum Geschäft gemacht. Sitzt bei den Leuten das Geld tatsächlich so locker, dass sich der Betrieb lohnt? Der Eintritt fürs Publikum scheint moderat. 1 Euro für normal zahlende Besucher. Wer kommt überhaupt. Trotz schönstem Wetter ist der Besuch an diesem späten Sonntagvormittag eher moderat. „Gestern war es wieso auch immer schleppend“, sagte Ottos Mitarbeiter an der Kasse schon. Unter den Ausstellern kommt eine ähnliche Einschätzung. 800 Leute seien an dem Wocheende schon gekommen. Die Hoffnungen liegen auf dem Datum (es ist Muttertag) und der Tageszeit. „Vielleicht kommen am Nachmittag mehr Leute. Vor einem Jahr waren es immerhin 2000“, hofft Otto.
Die Burgterrasse mit bestem Blick auf das Lahntal versetzt mit bunten Ständen, an denen von schräg-modischen Töpfer-Design bis zu klassischer Töpferware hauptberufliche Töpfer und nebenerwerbliche Kollegen ihre Waren anbieten, lädt zum gemütlichen Bummeln und Versinken in den verschiedenen Formen und Farben ein. In einer Stunde ist das meiste allerdings gesehen, es sei denn, man bleibt in Einzelgesprächen oder einer kleinen Käuferschlange stecken. Was die Kundschaft nicht merkt, ist der Aufwand, der hinter einem Stand steckt. „Zwei Tage drumherum sind normal“, meint Iris Kühnel. Die Ware einpacken, hinfahren, aufbauen und nach dem Markt alles wieder in umgekehrter Reihenfolge mit dem nächsten Markt schon im Visier.
Kühnel kennt den Markt noch aus der Zeit, als er auf der Burg Gleiberg stattfand. Im Grunde wäre ihr ein „kurzer, knackiger Markt lieber, für einen Tag“. Sie spricht von den Energiekosten, die das Geschäft teuer machen. „Die sind wohl um ein Drittel gestiegen. Gas fürs Brennen, das Spritgeld. Das Material ist es weniger“, meint Kühnel, die es nicht weit hat. Sie kommt aus dem benachbarten Stadtallendorf, rund 30 Minuten entfernt. Auf den Märkten zu sein, sei aber wichtig. Ihr weitestes Ziel ist Belgien. Ihr wäre ein reiner Töpfermarkt allerdings lieber. „Wenn da 70 bis 150 Kollegen dann zusammen auf einem Markt sind, macht das nichts. Aber die Kundschaft weiß genau, was sie wil und sie verstehen, dass wir unsere Ware nicht verramschen können“, sagt die Meisterin, die seit 1987 im Töpferhandwerk unterwegs ist. Dass Töpfer und Kunsthandwerker, um ihre Ware in einer eingefleischten Liebhaberszene zu verkaufen, lange Distanzen auf sich nehmen, bestätigt Marktbetreiber Otto. Der am weitesten entfernte Teilnehmer komme in diesem Jahr aus Nordfriesland.
Über die teuren Begleitumstände berichtet auch Jens Schmidt. Er ist aus Solingen angereist, hilft seiner Frau beim Verkauf. Es sei das zweite Mal, dass sie am Staufenberrger Markt teilnehme. Der Markt 2010 sei eher nicht so erfolgreich gewesen. Aber man versuche es noch einmal, sagt Schmidt. Für die Kunden sind allerdings andere Details wichtiger. So wie sich Heide Schletter in den Wasserspeier in Elefantengestalt am Stand von Iris Kühnel verliebt hat, so kann sich eine gelernte Köchin an Schmidt’s Stand nicht von der Ware losreißen. Am faszinierensten ist eine Butterdose, die mit Wasserkühlung die Butter auch außerhalb des Kühlschranks noch lange frisch hält. „Das haben Ihre Großeltern so noch gemacht, als es noch keinen Strom gab“, erklärt Schmidt. Das Prinzip selber ist wie das Töpferhandwerk schon tausende Jahre alt.
Für die Biebertalerin Sabine Storch, ebenfalls gelernte Töpfermeisterin und mit rund 30 Jahren Berufserfahrung, sind weniger die Energiepreise das Teure am Handwerk. Es ist vor allem der Faktor Zeit. So habe sie eigens für diesen Markt unter anderem Drachentassen angefertigt. Jedes Teil ein Einzelstück, inspiriert durch Vorlagen aus einem Drachenbuch. Neben dem eigentlichen Handwerk, dem Anfertigen des Tassenrohlings, ist es das Einritzen der Muster, das die Zeit frisst. „Deswegen haben die Tassen nunmal einen hohen Preis. Dafür ist jede ein Einzelstück“, sagt Storch. Obwohl ausgebildet, betreibt sie das Töpfergeschäft allerdings im Nebenerwerb. In der Hauptsache seien es Kurse, die sie rund ums Töpfen gebe. An der Volkshochschule und einer Lernhilfeschule. Dieses Konzept aus Kursen und Töpfern gibt es allerdings auch bei ihren hauptberuflichen Kollegen. „Im Winter muss das Geschäft ja auch irgendwie laufen“, heißt es.
Schreibe einen Kommentar