Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technologie, kurz MINT: Diese vier Wissensbereiche bilden die Grundlage unserer heutigen Zivilisation. Dass Zivilisation allerdings auch einen kulturellen Überbau oder Unterbau braucht, scheint beim Werben um Nachwuchskräfte für den MINT-Bereich etwas aus den Augen zu geraten. Teil dieser Kultur sind unter anderem sprachliche und geographische Kenntnisse. Ein kleines Detail aus dem Umfeld der MINT-Förderer mag dies belegen. Dass wenigstens der richtige Umgang mit der eigenen Sprache auch beim potentiell künftigen technischen Personal eine Messlatte ist, das wenigstens machte vor kurzem ein Unternehmen deutlich: Die Schunk-Gruppe aus Heuchelheim. Wer sich nicht in einwandfreiem Deutsch und ohne „Rächdschreippfähler“ nicht richtig bewerben kann, hat zumindest eine vermeidbare Hürde auf dem Weg zum Praktikum, der Lehrstelle oder späterem Arbeitsplatz.
Es sind die großen Namen, die die mathematischen und damit am Ende auch grundlegende technische Grundlagen für unsere moderne Zivilisation legten. Namen wie Leibniz, Euler, Bernoulli, Fermat oder Adam Riese, der es sogar in den Volksmund geschafft hat. Geht der Blick noch weiter zurück, in die Antike, so sind es in Europa vorwiegend griechische Philosophen, die die Mathematik vorangetrieben haben. Euklid, Pythagoras, Platon, Aristoteles, Thales, um nur einige zu nennen. Im Mittelalter gehörte die Mathematik zu den sieben freien Künsten, nicht als Naturwissenschaft, sondern als Teil der Philosophie. Wie nah Religion, Philosophie und, ganz aktuell, die Physik, zusammenhängen, wird dieser Tage deutlich: Im jüngsten GEO-Magazin werden mit einem Erklärungsversuch zum Phänomen des für den 21. Dezember 2012 von den Mayas beschworenen Weltuntergangs drei Modelle von Astrophysikern zum gedachten Ende des Universums mit Schilderungen diverser Vorstellungen der Apokalypse unter ein Dach gestellt. Dem der Frage nach dem menschlichen Wohin.
„Die Rechtschreibung sollte schon beherrscht werden“
Wie auch immer: Wer versucht, komplexe mathematische, technische und naturwissenschaftliche Phänomene einer breiten Öffentlichkeit nahe zu bringen, um den einen oder die andere für eine berufliche Karriere in diesen Wissensgebieten zu begeistern, sollte die Kunst beherrschen, auch mit dem Werkzeug richtig umgehen zu können, in dem Gedanken entstehen, formuliert und in die Öffentlichkeit gebracht werden: der eigenen Sprache. Sei es die enge eigene berufliche Umgebung oder eben das breite Publikum. Während der jüngsten Preisverleihung für die hessischen Teilnehmer der zweiten Vorrunde für die 43. Internationale Physik-Olympiade in Tallinn (Reval) formulierte dies Stefanie Türk vom Zentralbereich der Schunk Dienstleistungsgesellschaft. Sie sagte, dass es neben dem fachlichen Wissen, das Bewerber um Praktika oder sonstige Stellen für das Heuchelheimer Unternehmen mitbringen, auch auf Ausdrucksvermögen und Rechtschreibung ankomme. Ob Bewerber darin sattelfest seien, dafür sei die erste Bewerbung, die eingehe, bereits ein Indiz. „Gerade bei Onlinebewerbungen geschieht dies gerne, dass Rechtschreibfehler vorkommen“, erklärte Türk. Ihr Hinweis ist durchaus berechtigt. Und sollte ergänzt werden um den Zusatz, dass auch grundlegende Kenntnisse in der Geographie nicht ohne Nutzen sein könnten.
„Michaelbeuern in Deutschland“
Denn: Anscheinend wird auch in einem Netzwerk der Förderer der MINT-Berufe nicht unbedingt alles überprüft, Korrektur gelesen, auf das überprüft, was letztlich zentrale Werbebotschaften gerade aus dem MINT-Umfeld sind: Exaktheit, Gründlichkeit, Zuverlässigkeit. Ein kleines Indiz hierfür liefert ein Mitgliedeintrag im Netzwerk Agitano. Dieses Netzwerk ist nach eigenen Aussagen ein „Business-Netzwerk für Führungskräfte, Experten und Unternehmen“. Was hat es mit diesem Netzwerk auf sich? Auf den Namen Agitano trifft, wer auf der MINT-Seite „mintzukunftschaffen.de“ sich gerne als MINT-Botschafter registrieren lassen und damit seine Bereitschaft zeigen möchte, die Förderung der MINT-Fächer auch vor einem breiten Publikum zu unterstützen. Dieses Botschafternetzwerk wiederum läuft auf einer eigenen Plattform, die eben von Agitano technisch betreut wird. Wer nun im Zusammenhang mit Mint etwa nach dem Stichwort „Philosophie“ sucht, landet auf einem Beitrag der Trainerin Elisabeth Motsch, zum Gebrauch des Wörtchen „Du“ in Unternehmen. Wer nun mehr über sie wissen will, erfährt, dass sie in Michaelbeuern in Österreich wohnt. Dass es Österreich sein muss, erschließt sich allerdings nur über die Vorwahl und die Endung der Email-Adresse und ihrer Website. Im Agitano-Profil steht allerdings in Buchstaben „Deutschland“.
Nun können Tipp- und Rechtschreibfehler immer wieder passieren. Finanziell kurz gehaltene Redaktionen ohne Schlusskorrektorat können ein Lied davon singen, egal ob online oder klassisch gedruckt. Auch private Websites, die von Einzelpersonen betrieben werden, müssen vielleicht nicht unbedingt an diesem Maßstab gemessen werden, wiewohl eine korrekte Rechtschreibung sicherlich nicht verkehrt wäre.
Aber ein Netzwerk, das für Botschafter wirbt, die für Fächer und Berufe werben, denen von Haus aus der Hang zu exakten Definitionen und Begrifflichkeiten quasi in die Wiege gelegt wird, sollte vielleicht Geld genug erübrigen, um auf der eigenen Website für Fehlerfreiheit zu sorgen. Die Verwechslung von Deutschland und Österreich im genannten Beispiel mag im Eifer des Gefechts geschehen sein. Wenn aber immer wieder auf die Professionalität hingewiesen wird, dann sollten solche Fehler nicht passieren. Die Tatsache, dass in diesem Beispiel das Profil 407 mal aufgerufen wurde, bedeutet, dass es zumindest genauso auf Bildschirmen angezeigt wurde. 407 mal wurde der Fehler anscheinend überlesen, fiel nicht auf. Diese Tatsache lässt wiederum die Frage zu, wie aufmerksam überhaupt diese oder andere Seiten gelesen werden. Denn letztlich bedeutet dies: In diesem Beispiel war es relativ einfach, den Fehler zu erkennen. Wie häufig sind Fälle, in denen absichtlich oder aus Versehen Fehler weitergegeben werden? In einem Portal, das für exakte Berufe wirbt, das Menschen bewegen will, für diese Berufe Werbung zu machen, sollte das nicht geschehen. Sonst entstehen fatale Assoziationen („gedankliche Querverbindungen“ , redaktionelle Anmerkung). Die harmloseste wäre noch diese: „Rechnen können sie vielleicht. Aber ihre Ergebnisse dann auch verständlich mitteilen, das packen sie dann schon nicht mehr.“ Die schlimmere Variante: Erinnerungen an Rechenfehler bei Milliardenschulden oder eingestürzte Hallendächer wegen fehlerhafter Berechnungen.
Dass Schludrigkeit inzwischen zum Alltag gehöre, meinte etwa ein Focus-Leser zur 55-Milliarden-Panne der HRE-Bank . Die vergleichsweise geringe Verwechslung von Deutschland mit Österreich mag da noch eher zum Schmunzeln geeignet sein. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass trotz aller MINT-Förderung es eben doch auch auf exakte Kenntnisse der eigenen Sprache und wenigstens die korrekte Zuordnung der näheren geographischen Nachbarschaft ankommt. Es sei denn, in Österreich gibt es eine bisher noch unbekannte Strömung, die nun auch den Beitritt zum Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wünscht. Aber das wäre ein Fall für einen weiteren Kurzgucker.
Oliver Foitzik meint
Schönen Guten Tag Herr Baron von Gallera,
vielen Dank für den uns gewidmeten Beitrag auf Ihrem Mittelhessenblog.
Ich hätte mir gewünscht, wenn Sie in der Recherche zu diesem Fachbeitrag die gleichen Maßstäbe angesetzt hätten, wie in Ihrem Beitrag eingefordert. Leider sind einige inhaltliche Punkte nicht richtig dargelegt.
Sie kennen sicherlich den Spruch aus der Bibel: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein […]“ – Johannes 8,7.
Gerne können wir uns am Montag hierzu telefonisch austauschen.
Liebe Grüsse
Oliver Foitzik