Maibäume gibt es nur in Bayern? Nein. Den Brauch gibt es auch in Mittelhessen. Für die einen von den Vätern auf die Söhne gekommen – für die anderen ein Kulturimport aus Bayern. Auf jeden Fall ein Grund für viele kleine Dorffeste. Das Mittelhessenblog ist in der Walpurgisnacht und am Vormittag des ersten Mai nicht zum Brocken gefahren, sondern hat die Runde gedreht von Fellingshausen bis nach Herborn. Ins Auge gefallen sind Altenkirchen (Hohenahr) und Bicken. Warum, das steht hier.
„Das haben unsere Väter auch schon gemacht“, sagt Jannick in Altenkirchen. Das Dorf ist ein Ortsteil der Gemeinde Hohenahr. Am Aartalsee. Mitten in Mittelhessen. In dieser Nacht scheint aber alles anders zu sein. Dass man ein Teil einer Gemeinde ist, zählt nicht. Was zählt ist der schlanke Holzstamm, der „26 Meter“ in die Höhe ragt. Die Spitze verliert sich irgendwo im Dunkel der Nacht. Das Licht der selbstmitgebrachten Strahler der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist zwar stark genug, den Platz in der Nähe der Kirche auszuleuchten. Für die Mastspitze reicht es aber nicht. Es ist irgendwas zwischen zwei und drei Uhr morgens.
Aus einem Van wummert harte Musik, klingt wie Metal. Verstreut einige Bierkästen. „Da steckt kein Verein dahinter. Wir machen das hier von uns aus. Wie unsere Väter schon“, bestätigt ein anderer junger Mann. Das sei so Brauch auf den Dörfern. Und es sei Ehrensache, auf den Baum aufzupassen. Dass ihn keiner klaut, absägt.….„Unser Baum ist schon lange nicht mehr fortgekommen.“ Am anderen Morgen erzählt Milan Schmidt, dass zu Beginn der Feier auch Hohenahrs Bürgermeister Armin Frink vorbeigekommen sei. Er sei wenig amüsiert gewesen, dass am Maibaum ein Anti-Erda-Banner angebracht gewesen sei. Erda ist der Hauptort der Gemeinde Hohenahr. Sitz der Verwaltung. Wenig später sei das Banner dann wieder abmontiert gewesen. Ob politischer Protest oder schlicht eben die an diesem Abend demonstrierte Rivalität unter Dörfern? Die Frage bleibt offen.
Das Treiben rund um die Maibäume amüsiert einen Bayern, der schon lange in Mittelhessen wohnt (der Name ist dem Mittelhessenblog bekannt). Er könne dem allen nichts abgewinnen. Dieser Brauch gehöre eigentlich nach Bayern. Dort stamme er her. Und die Maibäume, die in Bayern aufgestellt würden, seien von einer ganz anderen Qualität. Er nehme an, das im Grunde nur ein Anlass gesucht werde, um „einen oder zwei zu kippen“, sprich Bier, Schnaps etc. zu trinken. Leider sei dies in Mittelhessen besonders stark ausgeprägt. Zumindest, soweit es seine Beobachtungen beträfe.
In Bicken wiederum wird die bayerische Herkunft ohne Umschweife bejaht: „Ich denke, wir sind hier im weiten Umkreis diejenigen, die den Maibaum seit 28 Jahren aufstellen. Wir hatten diesen Brauch während eines Ausflugs nach Bayern kennengelernt – und mitgebracht“, sagt Markus Wild. Er ist aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in Bicken. Die seit 28 Jahren nun zum Hineinfeiern in den Mai einlade und eben den Baum stelle. Nur in diesem Jahr sei es wegen der extrem starken Niederschläge nicht gegangen: Der Boden sei aufgeweicht. Der rund 28 Meter hohe Baum könnte umfallen. Ob er später aufgestellt werde, das werde kurzfristig entschieden. Ein Gerücht, wonach Bicken seinen Baum gegen Diebstahl mit 1000 Euro versichert habe, wollte Wild nicht bestätigen.
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