Da redet alle Welt von der Krimkrise. Dabei gibt es ganz schön viele lokale Krimkrisen. Wo Gräben, die man eigentlich schon längst zugeschüttet, überwunden oder eigentlich selbst nie bestehend glaubte, plötzlich wieder auftauchen, zum Beispiel zwischen Print- und Onlinejournalismus. Der Graben, von dem ich hier spreche, ist einer, der mit viel Liebe zum Detail jetzt am Wochenende wieder ausgehoben wurde. Und von Frankfurt bis nach Mittelhessen weist.. Echt jetzt?
Von der FAS. Dem Wochenendableger der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sie liegt an Wochenenden auch gerne in mancher mittelhessischen Bäckerei. Eigentlich liebe ich ja die alte Tante FAZ. Vor allem, wenn sie unvermutet mit frischen freigeistigen Gedanken daherkommt. Aber, die FAZ ist eine Zeitung, die in der Woche gelesen wird.
Die F.A.S ist eine Zeitung, die, wie der Name schon sagt, am Sonntag gelesen wird. Und, bei Kaffee, Tee oder Brunch, da liest man dann schon rein bißchen relaxter. Lässt den Geist baumeln. Und da kann man es denn schon wagen, mal einen subversiven Kracher am Rande unterzubringen. Unter der Rubrik „Die lieben Kollegen“ kommentierte dort Harald Staun eine Personalie, die gerade bei der Süddeutschen diskutiert wird. Gerade laufen dort Überlegungen, Stefan Plöchinger, Redaktionsschef von sueddeutsche.de nun auch in die Chefredaktion der gedruckten Ausgabe zu bringen.
Und die Zeit hat diese Diskussion so in ihrer gedruckten Ausgabe am 20. März im Wirtschaftsteil begleitet:
„…Deshalb fanden es viele leitenden Redakteure der Süddeutschen Zeitung ungeheuerlich, was ihr Chefredakteuer Kurt Kister (56) Ende des vergangenen Jahres verkündete: Stefan Plöchinger, 37, ein Kapuzenpulliträger, solle bald in die Chefredaktion des liberalen Traditionsblattes aufsteigen.“
Wer die Branche nicht kennt, weiß nicht, dass die vergangenen zehn Jahre von eben diesem Grabenkrieg begleitet waren, der aber in der jüngsten Vergangenheit, zumindest was das Fachliche betrifft, an Schärfe verloren hat: Hier Print, dort Online.
Nur offensichtlich kennt Harald Staun seinen eigenen Laden nicht. Denn offensichtlich ist ihm entgangen, dass mit Thorsten Winter jemand bei der FAZ ist, der ein klassischer Printler ist – und, seltsam, seltsam, dann doch vom Gießener Anzeiger 2001 zur Rhein-Main-Zeitung wechselte, der Lokalausgabe der FAZ. Und 2003 wechselte er dann zu FAZ.net. 2006 ging es dann wieder zur RMZ. Ist alles kein Geheimnis. Steht nämlich so im Netz. Im Profil von Thorsten Winter bei der FAZ. Natürlich unter Faz.net. Und, so steht zu lesen, kümmert er sich dort als Internetkoordinator um die Rhein-Main-Seiten. Er macht also am Ende nichts anderes als das, was Stefan Plöchinger macht. Nur, dass Plöchinger eben für den ganzen Onlineauftritt der Süddeutschen verantwortlich ist und nicht nur ein Teilgebiet. Das spielt aber keine Rolle, in welchem Umfang und wo wie die Arbeit geleistet wird, die ein Journalist leistet. Ist jemand ganz oben im Führungsbereich, treten die Arbeiten „draußen“ vor den Managementarbeiten immer mehr in den Hintergrund. Insofern hatte Plöchlinger eher weniger Zeit, jeden Tag tatsächlich einen Artikel „rauszuhauen“. Aber, worum geht es beim Journalismus? Das Sichten, Bewerten, Aufbereiten von Informationen. Was mit der Arbeit im Internet dazu gekommen ist: Die Möglichkeiten nutzen, die einem eben nur das Internet bieten kann. Von Recherchemöglichkeiten über Darstellungsmöglichkeiten und die Kommunikation mit dem Leser, Zuschauer, Zuhörer.
Was gemerkt: Richtig? Die Grenzen sind fließend. Es war, und ist heute umsomehr, also vollkommen weltfremd, diese Welten trennen zu wollen. Egal ob der heute 37-jährige Stefan Plöchinger, der bald 47-jährige Thorsten Winter oder der Schreiber dieser Zeilen, der heute 51 Jahre, drei Monate und 18 Tage alt ist oder irgendein anderer Kollege, eine andere Kollegin, die mit dem doppelgleisigen Arbeiten für die klassischen gedruckten Medien und die Onlinewelt beruflich groß geworden sind, es ist immer wieder die gleiche Arbeit. Abgesehen davon, ein Blick in die Wikipedia informiert über den Weg der digitalen Medien in Mittelhessen. Also muss man sich fragen, welcher Teufel da Harald Staun eigentlich geritten hat? Die Frage muss er selber beantworten.
Auf jeden Fall haben seine Bemerkung und nicht zuletzt auch die „Kapuzenpulli“-Anmerkung aus der Zeit zu einet Solidaritätswelle in den sozialen Medien geführt, vor allem bei Tumblr und Twitter, Stichwort #Hoodiejournalismus. Die entsprechende Suchanfrage bei einer der gängigen Suchmaschinen bringt ebenfalls einiges an einschlägigen Ergebnissen. Sonst eher kein Kapuzenpulliträger, habe ich beschlossen, dieses Zeichen ein wenig aus den sozialen Medien ins klassische Internet zu bringen. Denn auch da gibt es so etwas wie eine Art Grabenkrieg. Das „Draußen und Drinnen-Internet“. Draußen, im frei zugänglichen Internet oder im „Club-Internet“ – wie eben Facebook, Twitter und Co. Wer dort kein Konto hat, bekommt weniger schnell mit, welche Nachrichten kursieren. Aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte.
*Anmerkung in eigener Sache: Die ersten Leser haben sich vermutlich über die eine oder andere Rechtschreibmacke gewundert. Hier hatte in der Tat die Textblindheit zugeschlagen: Die richtigen Worte im Kopf gehabt und gesehen, aber die Fehler bei der Korrektur nicht gesehen. Fehler sind inzwischen korrigiert.
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