#djv_bo war das Hashtag des Kongresses Besser Online des Deutschen Journalistenverbands DJV am 15. September in Bonn im Posttower gewesen. Damit kann bequem auf dem Kurznachrichtendienst Twitter nachgesehen werden, wer während der Veranstaltung direkt kommentierte. Den Kommentar aus Mittelhessenblog-Sicht gibt es hier zu lesen. Denn das sind mehr als 140 Zeichen. Die unter Garantie auch urheber- und verwertungsrechtlich geschützt sind.
Als Gründer und Herausgeber des Mittelhessenblog dort teilzunehmen, war der diesejährige Onlinetag mehr als nur eine Pflichtangelegenheit. Die entscheidenden Impulse kamen schließlich durch den Onlinetag des DJV im Jahr 2009, ausgelöst durch den Werkstattbericht Hardy Prothmanns über sein Heddesheimblog . Inzwischen sind drei Jahre ins Land gegangen und es war interessant, zu erfahren: Wo steuert der Onlinejournalismus hin, was sind Inhalte im Netz wert und wie können freie Journalisten und Blogger davon leben, wie sieht es mit dem Urheberschutz aus? Und vor der in der Zwischenzeit durchs Netz tobenden Diskussion über ACTA (geplantes Antiproduktpiraterieabkommen der EU) oder INDECT war auch das war ein Thema: Wie können Journalisten Drohnen für ihre Zwecke nutzen? Schließlich noch: Lohnt es sich, ein Podcastangebot einzurichten?
Selber seit 1999 online als freier Journalist neben der Arbeit für die klassischen Zeitungen und Magazine im Netz unterwegs und seit Ende 2009 eben mit dem Mittelhessenblog selber auch Herausgeber eines Onlinemagazins , habe ich einige interessante Anregungen mit nach Mittelhessen genommen. Die wichtigste Frage: Kann man davon leben, seine Familie ernähren ? Die Spanne zeigten Stefan Laurin, Gründer der Ruhrbarone, über Philipp Schwörbel von den Prenzlauerberg Nachrichten bis zu Peter Posztos, Gründer und Herausgeber der Tegernseer Stimme in dem Veranstaltungsteil „Neue Öffentlichkeit fürs Lokale“, moderiert von Andreas Lerg. Der T‑Online-Redakteur gibt neben seiner eigentlichen Arbeit das Portal „Wir in Rheinhessen“ heraus.
Sonst in den vergangenen Jahren immer als Nur-Teilnehmer unterwegs, sah ich mich am Vormittag dieses 15. September dann selber als Teil der Referentenschar – neben eben jenen eben genannten Kollegen, bis auf Peter Poszotos, der seinen Part mit Jens Matheuszik vom Pottblog am Nachmittag hatte. Dafür hielt Jürgen Oehler, Ressortleiter für den Onlinebereich beim Kölner Stadtanzeiger, am Vormittag die Fahnen für die klassischen Tageszeitungen hoch.
- Thema Geld Wie bekommt man seine Familie, möglicherweise oder auch erst sich selbst und seine Mitarbeiter bezahlt? Für Stefan Laurin war die Sache klar: „Wir sind ein Blog. Wir machen das gern und wir sind insgesamt rund 40 Autoren, die natürlich nicht immer alle zur gleichen Zeit schreiben. Im Kern sind das immer zehn bis 15, die dann aktiv sind. Und wir machen das alles ehrenamtlich. Das Geld verdienen wirl mit unserer Arbeit für andere Zeitungen“, sagte Laurin. Das Gegenbeispiel lieferten Philipp Schwörbel und Peter Posztos. Schwörbel nannte zwar keine Zahlen, sagte aber, er könne die hauptamtlichen Journalisten, die er beschäftige, schon bezahlen. Daneben gebe es aber noch viele ehrenamtliche Schreiber. Posztos sprach von rund 6000 Euro, die monatlich mit der Tegernseer Stimme erzielt werden. Und wie sieht es beim Mittelhessenblog aus? Nun, eine reine Ehrenamtsveranstaltung war das Mittelhessenblog nie und soll es auch nicht werden. Aber es musste mit Inhalt gefüllt und bekannt gemacht werden. Die Inhalte sind da. Unbekannt ist das MHB, wie es heute in der Kurzform heißt, auch nicht mehr. Bislang wurde allerdings das meiste querfinanziert. Insofern steht das MHB also irgendwo auf der Strecke zwischen den Ruhrbaronen und der Tegernseer Stimme. 2010 stand das MHB noch eher bei den Ruhrbaronen. Nach 2011 nun eher in Richtung Tegernseer Stimme, wenngleich zu diesen Monatszahlen es doch noch eine gewisse Strecke zurückzulegen gilt. Ein mögliches Modell übrigens fahren hier die Weilburger Nachrichten. Sie haben vor kurzem ein kostenpflichtiges Abonnement-System eingeführt.
- Thema Urheberschutz und Finanzierungsmöglichkeiten. In der Schlussrunde des Tages „Digitales Urheberrecht am Abgrund? Wie Kreative, Verwerter und Nutzer zu ihrem Recht kommen?“ sollten es zwei Nichtjournalisten sein, die hier zwei Schlüsselbemerkungen lieferten: Die grüne Europaparlamentarierin Helga Trüpelsprach von einer seit 15 Jahren andauernden digitalen Revolution, in der wir uns befinden. Wobei nicht ganz klar schien, ob sie das nun auf Journalisten bezog oder generell tatsächliche alle gemeint hatte. Jedenfalls brach sie eine Lanze dafür, dass das Urheberrecht nicht angetastet werden dürfte. Die Plattform Youtube bezeichnete sie als schmarotzendes Geschäftsmodell. Im Zuge der von Thomas Mrazek moderierten Diskussion, an der noch Falk Lüke (Digitale Gesellschaft), Heike Rost und der Kölner Medienrechtler Prof.Dr. Karl-Nikolaus Peifer teilnahmen, ging es indes nicht nur um Urheberschutz, sondern darum, wie Geld in die Kasse kommen kann.Peiferunterstrich, dass es richtig sei, dass ACTA von der EU gestoppt worden sei. Er gehört zu einer Reihe prominenter Gegner von ACTA und hatte eine Petition dagegen unterzeichnet. Er hält das bestehende Urheberrecht für ausreichend. Allerdings sei es an der Zeit, sich praktikable Lösungen für das Bezahlen digitaler Inhalte im Internet zu überlegen. „Vielleicht könnte man ein Lizenzmanagement einführen“, so Peifer. Den Ball nahm Heike Rost aus Mainz auf, freie Bildjournalistin, ehemalige Vorsitzende des DJV-Landesverbandes Rheinland-Pfalz. Sie sagte, dass einiges dafür getan werden müsse, dass in der Bevölkerung solche Bezahlmöglichkeiten wie Kachingle oder Flattr besser bekannt gemacht werden sollten.
Was Flattr angeht, so bietet das Mittelhessenblog diese Möglichkeit hinter jedem Artikel und für das gesamte Mittelhessenblog. Die Erfahrungen, die wir gemacht haben, decken sich mit den Erfahrungen, die andere Kollegen während vergangener Onlinetage und eben in diesem Jahr wieder bestätigten: Während Kollegen in anderen Ländern wie den USA oder Frankreich positive Erfahrungen mit den so genannten Micropayment-Systemen wie Flattr oder Kachingel gemacht hätten, sei Deutschland immer noch Entwicklungsland. Die Möglichkeit, dass Onlineangebote von Journalisten auch so bezahlt werden könnten, müsse mehr in die breite Öffentlichkeit getragen werden. Bleibt abzuwarten, ob dieser Ruf aus Bonn in die Ohren der Politiker und der führenden Medien in diesem Lande dringt und die Idee, dass jeder Bürger und jede Bürgerin so ganz leicht, die Medienvielfalt in Deutschland unterstützen kann.
Lüke, der zusammen mit Markus Beckedahl die Digitale Gesellschaft gegründet und gleichnamiges Buch verfasst hatte, verriet mir im Gespräch über mögliche Finanzierungsformen, dass sich möglicherweise in Sinne von Einrichtungen wie Pro Publica in den USA auch ähnliches in Deutschland tun könne. Mehr wollte er mir in Bonn nicht verraten.
Dass Pro Publica durchaus ein erfolgreiches Modell sein kann, unabhängigen und kritischen Journalismus zu fördern, hatten vor zwei Jahren bereits die Kollegen des Schweizer Fernsehens berichtet und Erfahrungen von Schweizer Zeitungen und Newsportalen gebracht, die mit Mäzenen zusammen arbeiten. Interessante Erfahrung während der Ergänzungsrecherche zum Thema: Der Beitrag der Schweizer Kollegen ist noch frei abrufbar, während ein Artikel, der seinerzeit auf der Seite Medienhandbuch.de veröffentlicht wurde, weder hier noch auf der Nachfolgeseite Medienhand-sport.de nicht mehr zu finden ist. Das Angebot wird verantwortet von der Medienhandbuch Publikationsgesellschaft in Hamburg. Der Titel der Geschichte war: „Investigativer Lokaljournalismus gegen Spende?“. - Thema Technik Lohnt sich die Einrichtung eines Podcast-Angebotes? Für den freien Sportjournalisten und Blogger Jens Weinreich, der im Werkstattgespräch über seine Arbeit erzählte, war das Echo auf einen Podcastservice, den er eingerichtet hatte, eher mäßig. Zumindest habe er nicht die Zahlen erreicht, mit denen er gerechnet habe, sagte der Journalist. Weinreich hat sich mit seiner kritischen sportpolitischen Berichterstattung unter anderem über Theo Zwanziger, den ehemaligen Präsident des Deutschen Fußballbundes einen Namen gemacht. Eine neue Möglichkeit vor allem im Datenjournalismus zeigt der Einsatz von Drohnen, also unbemannten Luft‑, Boden- oder Wasserfahrzeugen für die Gewinnung von Recherchedaten. Hier allerdings findet manches noch im Graubereich statt. Einen kompletten Rückblick gibt es hier
Peter Jebsen meint
Ähem! „Im Zuge der von Thomas Mrazek moderierten Diskussion“? Offenbar war die spannende Debatte zwischen Prof. Dr. Peifer, Dr. Trüpel, Heike Rost und Falk Lüke so fesselnd, dass die wahre Identität des Moderators eher nebensächlich war. 😉