Liebe Mittelhessenblogleser: „Das ist rein politisch gesehen eine ziemliche Sauerei“, war die erste Reaktion einer hessischen Polizistin am Freitagabend. Die Geschichte über den Flashmobangriff auf die Facebook-Seiten der nordrhein-westfälischen FDP war am Freitagabend entstanden. Um diese Uhrzeit noch Verantwortliche zu bekommen, die im Originalton Rede und Antwort stehen können, fällt in der Regel schwer. So auch in diesem Fall. Das einzige was blieb, war die Internetrecherche.
Den Link zum entsprechenden Blogartikel hatte ich tagsdrauf am Sonnabend via Twitter an die Wahlkampfzentrale der NRW-Grünen geleitet, mit Bitte um Stellungnahme. Diese steht bis heute noch aus. Interessant sind allerdings die Zugriffe auf den Artikel. Dieser wurde unter anderem auch in Düsseldorf gelesen. Am Jürgensplatz steht der Serverknotenpunkt, von dem die Seite abgerufen wurde, in unmittelbarer Nähe befinden sich einige wichtige Behörden. Neben dem Polizeipräsidium Düsseldorf unter anderem der Landtag und das Innenministerium. Die dazugehörigen IP-Adressen lassen sich rein technisch feststellen, so dass im Zweifelsfalle genau zu ermitteln wäre, wer die Geschichte gelesen hat. Interessant sind auf jeden Fall die Reaktionen der Polizisten, die ich um eine Würdigung der Flashmobaktion gebeten hatte: „Gehen Sie damit am Montag zum Staatsschutz und erstatten Sie Anzeige“. Das, was geschehen sei, sei zwar einfach nachzuvollziehen. Rechtlich aber höchst kompliziert. So könne es sein, dass ein Fall von Computersabotage vorliegt. Den hat der Gesetzgeber unter anderem für den Fall vorgesehen, wenn jemand mit Absicht das Rechnersystem eines anderen zum Absturz bringt und damit einen erheblichen Schaden verursacht. Übertragen ins reale Leben sei die Verabredung zur Flashmobaktion vergleichbar dem Aufruf, ein Haus zu belagern und dessen Insassen daran zu hindern, dieses zu verlassen und andere daran, dort hineinzukommen. Diese erfülle zumindest den Tatbestand der Nötigung. Wie dies bei einer Internetseite oder dem Profil bei Facebook, Twitter oder einem anderen der bekannten Social-Web-Dienste aussehe, konnte keiner der Kriminalisten sagen. Deswegen solle die ganze Angelegenheit zur Anzeige gebracht werden, damit sich der Staatsschutz damit befassen könne. Nun, diesen Gang werde ich als bloggender und beobachtender Journalist kaum antreten können. „Die Materie ist rechtlich jedenfalls sehr kompliziert“, war die Einschätzung eines Kriminalisten mit dem ich am Wahlsonntag gesprochen habe. Der Mann hat recht, denn in der bisherigen Definition dessen, was Computersabotage ist, sind Aktionen wie die Flashmob-Aktion gegen die Facebook-Seiten nicht erfasst. Auch der Tatbestand der Nötigung richtet sich bisher nur gegen Menschen aus Fleisch und Blut. Wie es aussieht, hat das Gesetz hier eine Lücke. Anscheinend wissen das die Urheber der Flashmobaktion auch und verlassen sich darauf, dass die juristischen Folgen der Aktion, wenn überhaupt, mit langwierigem Zeitaufwand gewürdigt werden können, dementsprechend der Abstand zum 9. Mai 2010 immer größer wird. Bleibt die Frage, wie die Wirkung auf klassische demokratische Wahlen sein wird.
In Unternehmen spricht man in solchen Fällen übrigens von „ShitStorm“. Wie man damit umgeht, erklärt Sascha Lobo in einem Video
Empfehlung: Der Vollständigkeit wegen sollten Sie auch die Artikel über die Folgen der Flashmobaktion und die Anfrage an die nordrhein-westfälische Landeswahlleiterin lesen, ergänzend dazu ein Video über die Macht der Blogs, das die Kollegen von 3SAT gedreht haben.
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