Liebe Mittelhessenblogleser: Nun ist die Katze aus dem Sack: Der Islam gehöre mittlerweile zu Deutschland, vermeldete Bundespräsident Christian Wulff in seiner Bremer Rede zur 20-Jahr-Feier der Einheit. Aus präsidialer Sicht bleibt Wulff wohl nichts anderes übrig als dieses zu sagen.
Aus präsidialer Sicht hätte Wulff allerdings auch auf einen berühmten Machthaber aus der deutschen Geschichte verweisen können, der dem Sinn nach einmal gesagt hatte: „In diesem Staat kann jeder nach seiner Fasson glücklich werden, solange er treu zu ihm hält“. Will sagen: So lange er die Gesetze, Bräuche und Sitten des Landes respektiert. Der, dem dieser Spruch zugesprochen wird, ist Preußenkönig Friedrich der Große. Dazu weiter unten mehr.
Es gibt übrigens noch einen Friedrich, der ähnliches einige Jahrhunderte vor dem Alten Fritz verlautbaren ließ: Friedrich II von Hohenstaufen, König beider Sizilien und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Der Stauferkaiser war für seine Zeit ein weltoffener Mann und versammelte in seinem Hofstaat als Berater nicht nur Christen und Juden sondern auch islamisch-arabische Gelehrte. Mit seiner weltoffenen Art sorgte der Souverän allerdings nicht nur für Freunde. Nun waren die Bedingungen zur Zeit des Staufers anders als heute: Der Islam hatte seine Hochblüte in Europa über eine zeitliche Distanz von 700 bis rund 1500. Buchstäblich sagenhaft wird die Abwehrschlacht von Roncevalles des fränkischen Heeres gegen die Sarazenen im Rolandslied beschrieben, gleichzeitig beeinflusst der Islam des Mittelalters weite Felder der damaligen abendländischen Zivilisation, Medizin, Wirtschaft, sogar die Verwaltung sind Nutznießer des Wissens, dass aus dem arabischen Raum nach Europa dringt.
Anders die Lage weitere 500 Jahre später: Im Europa des zu Ende gehenden 20. Jahrhunderts und des beginnenden 21. Jahrhunderts haben Großbritannien, Frankreich und Deutschland aus unterschiedlichen Gründen mit dem gleichen Phänomen zu kämpfen: In den beiden ehemaligen Kolonialmächten Großbritannien und Frankreich nutzen die Einwohner der ehemaligen Kolonien die Tatsache, naturalisierte Staatsangehörige zu sein und beginnen, sich in den ehemaligen Kolonialstaaten Existenzen aufzubauen, sind mehr oder minder der jeweiligen Landessprache mächtig. In der alten Bundesrepublik Deutschland sorgt dagegen ein anderer Umstand für die Zuwanderung türkischer Gastarbeiter: Seit 1961 warben deutsche Unternehmen Arbeitskräfte aus dem Land an, mit dem bereits unter Preußen im 18. und 19. Jahrhundert eine Zusammenarbeit auf diplomatischer und militärischer Ebene begonnen wurde. Begründet wurde diese Verbindung durch einen Besuch eines Diplomaten der Hohen Pforte zu den Feierlichkeiten der Krönung Friedrich I. zum König von Preußen.
Seit dem die ersten türkischen Gastarbeiter in den 60-er Jahren in die damalige Bundesrepublik Deutschland gerufen wurden, hat sich allerdings einiges verändert: Zum einen wirken ganze Stadtviertel teilweise, als seien sie türkische Exklave auf deutschem Gebiet, aus Städten wie Dortmund, Duisburg oder Bochum wird berichtet, dass die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung schon nicht mehr faktisch in den Händen der deutschen Polizei liegt oder wenn, diese höchstens mit starkem Aufgebot in Viertel einrücke, in denen man je nach Hautfarbe, Nationalität und Religion bei Dunkelheit lieber nicht mehr unterwegs sei. Dieses Szenario beschreibt ein Artikel in der Online-Ausgabe „Der Westen“ vom 15. April 2008 mit der Schlagzeile „Polizei: Klar, gibt es No-Go-Areas“ und zitiert dabei den Vorsitzenden des nordrhein-westfälischen Landesverbandes der Gewerkschaft der Polizei, Frank Richter. Der GdP-Mann forderte bereits 2008, dass man sich dieser Problematik stärker widmen solle, um das Feld nicht den rechtsextremen Kräften in der Gesellschaft zu überlassen.
Auf der anderen Seite dieser Entwicklung stehen inzwischen ganze Wirtschaftszweige, in denen sich türkische, pakistanische oder auch iranische Einwanderer als Ärzte, Anwälte, Inhaber von florienden Trockenbau‑, Gerüstbau- oder Estrichfirmen etabliert haben ‑abseits des üblichen Klischees vom Gemüse- , Teppichhändler oder Dönerverkäufer. Was allerdings hierbei genau auffällt: In der Regel beschäftigen diese Betriebe und Unternehmen wiederum Arbeitskräfte, die aus dem gleichen oder ähnlichen kulturellen Umfeld stammen.
Genau hier wäre der Ansatz für eine zielgerichtete Integrationspolitik, in der es tatsächlich egal ist, ob man als deutscher Staatsangehöriger nun christlicher, jüdischer, islamischer, sonstig religiöser oder auch atheistischer Einstellung ist, ohne Nachteil für die Schul- und spätere berufliche Bildung und den anschließenden Berufsweg. Solange eben selbstverständlich ist, dass man sich an die Gepflogenheiten seines Gastlandes oder der neu erworbenen Heimat anpasst – so sehr wie man auch mit dem gleichen Selbstverständnis mit dem Personalausweis oder Reisepaß als deutscher Staatsangehöriger zu erkennen gibt.
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