Schrecksekunde am Aartalsee in Bischoffen in Mittelhessen, Lahn-Dill-Kreis: Eben noch geruhsame Abendrotstimmung am Aartalsee als plötzlich die Ruhe durch das Geknatter eines Hubschraubers gebrochen wird. Was da am späten Donnerstagnachmittag von Osten über den Aartalsee eingeflogen kam, war ein so genannter Intensivtransporthubschrauber. Er landete direkt auf dem Asphaltparkplatz neben dem Hotelrestaurant Seehof.
Bereit an Ortstelle waren ein Notarztwagen des Lahn-Dill-Kreises und ein Rotkreuzwagen. Unfall, Lebensmittelvergiftung? Oder etwas anderes? Der kaum überhörbar und kaum zu übersehende Hubschrauber hatte spätestens für Aufmerksamkeit gesorgt. „Hier muss wohl ein Unfall passiert sein“, hatte sich ein Anrufer beim Mittelhessenblog gemeldet. Direkt dort war nichts zu sehen, was nach einem Unfall aussah. Zu sehen war ein Mensch auf einer Transportliege, der dort gerade aus einem DRK-Rettungswagen für den Weitertransport im Hubschrauber vorbereitet wurde.
Wer zum Einsatz gerufen werde, das entscheide jeweils der Diensthabende in der Leitzentrale des zuständigen Landkreises , klärte Günther Lohre vom Landesvorstand der Johanniter in Hessen auf Nachfrage auf. Der Intensivtransporthubschrauber komme in der Regel dann zum Einsatz, wenn Intensivpatienten von einer Klinik zur anderen verlegt werden, ohne dass ihre Behandlung unterbrochen wird, bei schweren Unfällen oder in Katastrophenfällen. Aus Kostengründen würden sie aber auch schlichte Rettungsflüge übernehmen, sagte Lohre.
Die Einsatzkosten würden nach Flugminuten berechnet und schwanken je nach Einsatzhäufigkeit zwischen 54 und 72 Euro. In dünnbesiedelten Gebieten oder dort wo vergleichsweise wenig Einsätze anfielen, wären die Kosten höher.
„Je mehr der Hubschrauber im Einsatz ist, umso günstiger wird dies“, erklärte Lohre zu den Kosten.
„Der Hubschrauber wird in der Regel dann gerufen, wenn davon auszugehen ist, dass er schneller am Einsatzort ist als ein Rettungswagen“, sagte Lohre. Am Aartalsee waren indes schon ein Notarztwagen und ein Rettungswagen des DRK und hatten die Versorgung des Patienten übernommen. In direkter Nähe, in Mudersbach befindet sich eine Station der DRK Rettungsdienst Dill GmbH. Die Zentrale des Unternehmens ist in Dillenburg. Sie teilt sich die Rettungsdienste im Lahn-Dill-Kreis mit drei anderen Dienstleistern: dem Rettungsdienst Eschenburg (RDE) , dessen Einsatzgebiet laut Karte knapp vor Bischoffen endet. Allerdings kam mit dem RDE-Fahrzeug der Notarzt.
An Ort und Stelle jedenfalls war niemand bereit, zumindest kurz zu sagen, um welche Art Einsatz es sich handelt. „Das sage ich Ihnen nicht. Darf ich nicht“, kam die Antwort vom DRK-Mann. „Um einen internistischen Notfall“, ließ zumindest der Arzt durchblicken, der mit dem Notarztwagen gekommen war. Ob dem Patienten im Restaurant etwas zugestoßen war oder der Parkplatz lediglich als Treffpunkt für die Übernahme des Patienten gewählt worden war: Keine Auskunft. Nach rund zwanzig Minuten Aufenthalt schließlich hob der Hubschrauber mit dem Patienten an Bord wieder ab.
Wieviel kostet es eigentlich, wenn die Sanitäter gerufen werden?
„Den Patienten, wenn er gesetzlich versichert ist, nichts. Wenn er privat versichert ist, dann tritt er erst einmal in Vorleistung und kann die Kosten dann über seine Krankenkasse abrechnen“, das erklärte Susanne Papendorf vom DRK Rettungsdienst Mittelhessen, der für die Versorgung der beiden Landkreise Marburg-Biedenkopf und Gießen gemeinsam mit Maltesern (Marburg-Biedenkopf) und den Johannitern (Landkreis Gießen) zuständig ist. Wie sie sagte, werden die Sätze, die Rettungsdienste für ihre Einsätze von den Krankenkassen bezahlt bekommen, jährlich neu verhandelt. „In diesen Sätzen ist dann alles drin“, sagte Papendorf. Also von der reinen Technik bishin zum Personal.
Leitstellen arbeiten zu unterschiedlichen Sätzen in Mittelhessen
Die zentrale Organisation der Rettungseinsatze durch die Leitstellen ist auch nicht kostenfrei zu haben. „Die Kosten werden von den Kreisen festgesetzt“, sagt Lohre. Für uns sind das allerdings Durchlaufposten, die wir an die Krankenkassen weiterreichen“, so das Vorstandsmitglied der hessischen Johanniter.
Und die Gebühren, die da entstehen, sind durchaus unterschiedlich. So will der Lahn-Dill-Kreis für einen Notarzt-oder Notfalleinsatz 36,50 Euro haben und jede Krankenwagenfahrt, die „erteilt“ wird, sollen 2,40 Euro in die Kasse fließen. Der Einsatz des Notarztes wird gesondert abgerechnet, direkt beim Patienten. Dafür stellt der Lahn-Dill-Kreis pro Person, die vom Notarzt versorgt werden muss, aktuell 209,5 Euro in Rechnung. Beim Landkreis Gießen, der im übrigen seine Gebühren offen auf der Internetseite des Landkreises präsentiert, werden 35 Euro für die Benutzung der Leitstelle in Rechung gestellt. Im Vogelsbergkreis werden für jeden „Einsatz- oder Fahrauftrag“, der von der Leitstelle erteilt wird, 53 Euro in Rechung gestellt. Grundlage dieser Gebührenfestsetzung ist das hessische Rettungsdienstgesetz von 1998. Die Gebühren im Lahn-Dill-Kreis fußen auf einem Beschluss des Kreistags aus dem Jahr 2011. Im Vogelsbergkreis wurden die Gebühren 2014 vom Kreistag verabschiedet. Im Landkreis Marburg-Biedenkopf, der im übrigen seine Gebührensatzung für die Rettungsdienste gut versteckt hat, werden auf Grundlage der fünften Auflage von 2011 je Einsatz 14,85 Euro erhoben. Im Haushalt 2014/2015 im Kreis Limburg-Weilburg sind es 19,74 Euro – auf der Grundlage der seit 1. Januar 1996 gültigen Leitstellensatzung, also auf einer anderen Grundlage, als der auf die sich anderen vier mittelhessischen Landkreise beziehen.
Kommentiert:
Sicher sind diese Gebühren alle „intern“. Und man kann fragen, „Was geht’s den Bürger an? Den interessiert das doch eh nicht“ Am deutlichsten wird dies im Haushaltsplan des Landkreis Limburg-Weilburg gesagt. Dort werden die Gebühren im schönsten Doppikdeutsch als Produkte untereinander verrechnet (Brandschutz, Rettungsgebühren).
Nur, am Ende sind die Gebühren, die intern für die Arbeit der Leitzentralen verrechnet werden, doch wieder öffentlich. Und schlagen am Ende dadurch, dass sie über die Krankenkassen abgerechnet werden, über die Krankenkassenbeiträge, egal ob gesetzlich oder privat, dann doch wieder bei jedem einzelnen zu Buche. Zumindest was die Transparenzpolitik in Zeiten des Internet betrifft, liegt der Landkreis Gießen mit seiner Informationspolitik gegenüber der Öffentlichkeit damit gegenüber den restlichen vier mittelhessischen Landkreisen weit vorn.
Ob es daran liegt, dass die Pressestelle von einem Journalisten geleitet wird, das ist nur eine Vermutung. Tatsache ist aber, dass, wenn es um den Zusammenhang zwischen dem Einsatz öffentlicher Gelder und den real spürbaren Kosten in Portemonnaie jedes Einzelnen geht, der interessierte politische Laie einfacher haben sollte, sich darüber informieren zu können, als mit dem Gebührenversteckspiel, wie es teilweise hier in der Region Mittelhessen stattfindet.
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