Das Wort von der Erbfeindschaft zwischen Deutschen und Franzosen, Franzosen und Briten, geistert gerne durch die europäische Geschichte und Romanliteratur des 19. und zumindest der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und geht es um aktuelle Politik, so gibt es die großen Linien zwischen einer gefühlten deutschfranzösisch dominierten EU und den EU-kritischen Briten andererseits. In der knapp zehntausend Einwohner zählenden Gemeinde Biebertal in Mittelhessen zumindest gibt es diese Konfliktlinien nicht. Vereinstechnisch gesehen. Mindestens einmal im Jahr gibt es dort ein gemeinsames Miteinander. Beim Bunten Abend der Deutschfranzosen und der Deutschbriten. Ob die Arbeit der beiden Vereine allerdings Bestand haben wird, hängt im wesentlichem vom nachrückenden Nachwuchs ab.
Sie nennen sich „Biebertaler Deutsch-Franzosen“ und „German-British-Association-Biebertal“. Zumindest lauten so die Namen im Internet mit ihren jeweiligen Websiteauftritten. Die offiziellen Namen gehen etwas anders: „Verein für Deutsch-Französische Freundschaft Biebertal e.V.“ und „Deutsch-Britischer Verein Biebertal“. Mindestens einmal im Jahren treffen sich die Mitglieder beider Vereine zu einem „Bunten Abend“. Damit nicht der Magen knurrt, bringen die Mitglieder für das gemeinsame Bufett selbst zubereitetes Essen mit. Ein Hingucker war in diesem Jahr ein sorgfältig hergestelltes „Gurkodil“ – eine angezackte Gurke mit Krokodilmaul.
Dass die Geschichte der Beziehungen zwischen den Südfranzosen in der Provencegemeinde Sarrians und den Mittelhessen am Dünsberg nicht ohne Haken und Ösen war, in der Regel immer wieder stark vom Engagement der Privatpersonen abhing, wenn auf offizieller Seite Sand im Getriebe war, ist in der Gründungsgeschichte der Biebertaler Deutschfranzosen dokumentiert. Noch weit vor der Gebietsreform 1970 beginnt der Kontaktaustausch zwischen Sarrians und damals Rodheim-Bieber. Geht es um die Partnerschaft, so besteht diese seit 1968 (Sarrians) und 1969 (Rodheim-Bieber) mit der Unterzeichung der Partnerschaftsurkunden. In eine richtige Vereinsform wird diese Partnerschaft auf der deutschen Seite allerdings erst fünf Jahre nach der Gebiesreform gegossen: Am 12. April 1975 fand die Gründungsversammlung der Biebertaler Deutschfranzosen statt. 2015 steht in Biebertal dafür also das „Vierzigjährige“ an. Mehr zur Gründungsgeschichte steht hier. Aktuelle und im Amt wiederbestätigte Vorsitzende ist Brigitte Meckel-Jung.
Der Deutsch-Britische Verein wurde 1988 von Professor Heribert Rück gegründet. Anders als zu vermuten, ist Rück allerdings kein Anglist, sondern lehrte bis zu seiner Emeritierung 1999 seit 1979 Romanistik an der heutigen Universität Koblenz-Landau. Heute ist Rück Ehrenvorsitzender, aktuelle Vorsitzende ist Petra Schmidt. Der Verein ist durch die Begründung einer Partnerschaft mit der walisischen Stadt Denbigh entstanden.
Beide Vereine haben sich in ihren Satzungen den Kulturaustausch auf die Fahnen geschrieben, zwischen Deutschen und Franzosen, zwischen Deutschen und Briten. Dieses gesamte Engagement einschließlich des Angebots für den Austausch zwischen der Jugend steht und fällt mit dem Engagement in der Vorstandsarbeit. Hierfür hatten die Deutschfranzosen 2014 die Weichen für ihren Verein gestellt und dazu aufgerufen, sich als Unterstützer an die ehrenamtliche Arbeit heranzutasten. Wie sich dieses praktisch auswirken wird, ob es etwa gelingt, Jugendliche und junge Erwachsene weiter für die Ziele des Vereins zu interessieren, wird die Zukunft zeigen. Bei Veranstaltungen wie dem Bunten Abend, der hauptsächlich dem Auffrischen bestehender Bekanntschaften und der Präsentation neuer Projekte gewidmet ist, dominierten zumindest in der jüngeren Vergangenheit einschließlich 2014 die Alterklassen ab 40 aufwärts.
Eines der Zugpferde, Jüngere für die Vereine zu gewinnen, dürften die im jährlichen Wechsel stattfindenden Austauschbesuche in Wales und in der Provence sein. Während sich junge Franzosen und Briten meistens über die „deutschen Freiheiten“ freuten, wirkte das Management der Austauschbesuche in den Partnerländern zumindest bei der Jugend als teilweise rigide. Bei den Deutschfranzosen wird es 2015 eine Neuerung geben: Während des für die erste Sommerferienwoche geplanten Besuchs aus Sarrians soll es zum ersten Mal keine separate Unterbringung geben, sondern die Jugendlichen sollen in den jeweiligen Gastfamilien wohnen.
In einem scheint es aber doch einen Graben zu geben. Zumindest im Internet: Während die Deutschbriten auf die Deutschfranzosen auf ihrer Website hinweisen, fehlt dieser Hinweis bei den Biebertaler Deutschfranzosen. Dafür gibt es einen Link zu den Wettenberger Deutschfranzosen. Vielleicht liegt es ja daran, dass von den Biebertaler Boule-Aktiven inzwischen einige bei den Wettenbergern spielen. Aber das ist eine andere Geschichte.…..
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