Nein, sie will nicht mehr zurück in ihre Heimat. Vor 5 Jahren war sie zuletzt in Rumänien. Seit 14 Jahren lebt sie in ihren neuen Heimat in Mittelhessen*. „Ich verstehe, warum die Leute wütend sind und gegen die Korruption kämpfen, sagt die Frau. Sie ist in den 40ern. Hier verheiratet .
Sie arbeitet im Gastrobereich in einer mittelhessischen Stadt. „Stellen Sie sich vor, Sie müssen eine Familie ernähren und haben nur 300 Euro im Monat“, sagt sie. Ja, aber die Lebenshaltungskosten, die seien doch billiger als in Deutschland. Sie lacht nur kurz. „Das war mal so, sicher. Heute ist das Leben in Deutschland bei manchen Grundnahrungsmitteln billiger als in Rumänien – bei im Vergleich wesentlich höheren Löhnen“, klärt sie auf. Die Meinung von den billigen Lebenshaltungskosten wird auch im Internet am Kochen gehalten. Durchaus auch durch Portale, die aus Rumänien direkt berichten. In deutscher Sprache. Wie etwa die ADZ. Die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien. Die ADZ berichtet 2014 :
„Lebenshaltungskosten in Rumänien bei 57 Prozent des EU-Schnitts“. Schon damals korrigieren Portalbesucher den Eindruck, den die ADZ verbreitet. Weder wäre es richtig, dass Rumänien im Vergleich etwa zu Bulgarien oder Griechenland etwa ein günstiges Urlaubsland wäre, noch wären etwa Lebensmittel günstiger als in Deutschland.
Zur gleichen Zeit berichtet indes ein Austauschstudent der Uni Augsburg von seinen Erlebnissen. So habe er für Pizza in der Hauptstadt 3 Euro bezahlt. Dagegen wären die Zimmer für Studenten direkt in der Hauptstadt teurer, 100 Euro im Monat, während etwa die Zimmer in der Hafenstadt Constanta (Konstanza) 25 Euro im Monat kosteten.
Ihre Verwandtschaft, sprich ihre Eltern, lebt noch in Rumänien. Sie hole sie jedes Jahr immer wieder nach Deutschland. Für die Eltern wäre die Fahrt zu teuer. Sie berichteten ihr regelmäßig über die Entwicklung, die ihre alte Heimat nähme. Ihre Entscheidung, seinerzeit nach Deutschland zu gehen, habe sie nicht bereut.…Jemals überlegt, wieder zurückzukehren? „Was sollte ich dort…Das Land ist zerrüttet..Außerdem habe ich hier jetzt meine Familie, bin hier verheiratet.“ Das würde gar nicht gehen. Ein normales Müsli, wie man es im Discounter oder auch im Supermarkt kaufen könne, würde hier 1,50 Euro oder vielleicht bis zu einem Euro mehr kosten. Sicher gibt es hier auch Müsli für 5, 6 oder auch 7 Euro…Aber das sind hier dann schon Edelmüslis. In Rumänien bezahlt man für das normale Müsli wie hier für das Edel-Müsli“. Sie nennt diese Preise nur als Beispiel und rechnet Gehälter dagegen.
„Hochglanzkliniken“ mit Medikamentenwartezeit
„Sie werden das hier wahrscheinlich nicht gerne hören, aber mitunter war zumindest dies unter Ceaucescu noch besser: Die Menschen hatten in der Regel ihr Auskommen. Sie mussten nicht frieren, keinen Hunger leiden. Auch die medizinische Versorgung war gesichert“, so die Frau. Dass auf der anderen Seite Ceaucescu berüchtigt als Diktator war, sei die Kehrseite gewesen.….
Heute gäbe es „Hochglanzkliniken“, die etwa auch in Deutschland oder Österreich und Frankreich Werbung mit ihren günstigen Behandlungskosten machen würden. „Nur, wenn man dann dort ist, kann es passieren, dass man in einem supermodernen Zimmer liegt, aber ewig auf die nötigen Medikamente warten muss – weil sie einfach nicht da sind“, wirft die Frau das Licht auf einen anderen Aspekt.….Sie könne verstehen, dass die Leute einerseits wütend sind und sich über die Aufweichung der Antikorruptionsgesetze aufregen, gerade bei Abgeordneten müsse man da aufpassen – auf der anderen Seite können sie jeden ihrer Landsleute verstehen, die versuchen, sich mit ihrem Wissen oder auch ihrem Leistungswillen in westlichen EU-Ländern ein neues Leben aufbauen wollen. Weil es in ihrer Heimat nicht mehr funktioniert. Quasi im Hinterzimmer Deutschlands. Deswegen habe sie vor kurzem einem jungen Mann aus ihrer Bekanntschaft quasi privates Asyl gewährt, damit er sich hier eine neue Existenz auffbauen könne. Wie sie hilft er zunächst auch im Gastrobereich aus.
*Wir haben unserer Gewährsfrau redaktionellen Schutz zugesichert. Deswegen gibt es keinen näheren Hinweis auf Namen und Ort.
Kathrin meint
Hallo Zusammen 🙂
Vielen Dank für diesen tollen Bericht. Das deckt sich total mit den Erfahrungen, die ich in meiner Zeit in Rumänien gemacht habe. Lebensmittel wie Brot waren zwar verhältnismäßig billig, aber Wurst und Milchprodukte waren teilweise teurer als bei uns. Die Löhne meiner rumänischen Kollegen sind somit für mich wirklich erschreckend, wenn man bedenkt, dass damit noch eine Familie ernährt werden soll.
So hatte ich als Kollegin eine alleinerziehende Mutter, die jeden Tag 12 Stunden gearbeitet hat um eine kleine heruntergekommene Wohnung zu halten.
Interessant fand ich außerdem, dass mir Kollegen berichteten, die mehrmals im Jahr mit einem LKW nach Deutschland fahren um billige Möbel von Kleinanzeigen-Portalen einzukaufen ( teilweise aus der Sparte „zu verschenken“) und diese in Rumänien gewinnbringend wieder verkaufen.
Das dieses Geschäft so funktioniert zeigt einmal mehr den Wohlstand unserer Überflussgesellschaft.
Wer da groß jammert über Ausländer, die als logische Konsequenz ein besseres Leben bei uns suchen, da wir ja mehr als genug haben. Die sollte man mal in so ein Land schicken um die festzementierten Vorurteile aus den Köpfen zu meißeln.
Liebe Grüße Kathrin
Christoph von Gallera meint
Liebe Kathrin,
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