TOURISMUS/BILDUNG/POLITIK und WIRTSCHAFT
Hessen ist groß, manchmal kann es sich auf einen Punkt konzentrieren. Das bewiesen 20 junge Männer und Frauen der Marburger Hotel- und Touristikfachschule an der Käthe-Kollwitz-Schule mit ihrem Mottoabend (H)esse gut, alles gut!. Was keiner merkte: Der Abend war Teil eines Unterrichtsprojektes auf ihrem Weg zu staatlich geprüften Betriebswirten für das Hotel- und Gaststättengewerbe. Eigentlich war das ganze Konzept für einen Cateringauftrag für die Internationale Tourismusbörse in Berlin geplant gewesen. Weil dieser Auftrag aus organisatorischen Gründen doch nicht zustandegekommen war, konnten nun Gäste aus der mittelhessischen Region von den Fertigkeiten der angehenden Führungskräfte im Hotel-und Gaststättengewerbe profitieren.
„Das Echo enttäuschend?“ Verwundert sah Melanie Koch den fragenden Journalisten am Ende des Abends an. „Keineswegs. Von 120 Karten haben wir 117 verkauft“, meinte die junge Frau um 22.30 Uhr. Im Eingangsbereich der Hotel- und Touristikfachschule an der Käthe-Kollwitz-Schule in Marburg packten gerade Nordhessen und Osthessen ihre sieben Sachen zusammen. Innen räumten Mittel- und Südhessen auf.
Vier Stunden früher: 18.30 Uhr: Melanie Koch steht zwischen Arno Knauf und Holger Riebeling, die vorher dem Publikum schon mit Schwälmer Blues eingeheizt haben. Knauf und Riebeling spielen als „Hokke scheeb“ eigentlich sonst zu siebt, dieses Mal eben nur zu zweit. Koch kündigt einen kulinarischen Rundgang durch die vier hessischen Teilregionen an, versetzt mit einem vielfältigen kulturellen Rahmenprogramm. Koch gehört zu den 20 jungen Männer und Frauen, die kurz vor ihrer Abschlussprüfung stehen.
Was unter dem Motto (H)esse gut, alles gut! bei den Gästen für Neugier gesorgt hat, ist Teil des Unterrichts, verrät Projektlehrer Willi Hütig. Er hatte gemeinsam mit Ulrich Hahn die 20 seit Sommer 2010 mit dem nötigen Wissen ausgestattet, das sie nun mit diesem Praxistest unter Beweis stellten. „Wenn alles gut geht, treten wir heute gar nicht in Erscheinung“ hatte vorher Hütig erklärt. Lediglich sein Kollege Ulrich Hahn hatte an dem Abend hin und wieder zu tun: Mit kleinen Tipps hinter den Kulissen, in der Küche.
Kein unbekannter Ort
Die Küche ist kein unbekannter Ort für den hessischen Kochnachwuchs und manchen renommierten Koch. Denn sie war bis 2009 gemeinsam mit dem angeschlossenen Lehrrestaurant auch Austragungsort des Licher Eisvogelpokals, einem in seiner Art bisher immer noch einzigartigen Kochwettbewerb, beim dem es darum ging, ausschließlich unter Verwendung regionaler Zutaten kritische Tester- und neugierige Gästegaumen zu kitzeln. Doch der Pokalwettbewerb ruht zur Zeit. Dafür diente er den Köchen im Team der 20 als Orientierungspunkt: „Wir haben in den alten Rezepten nachgeguckt und uns auch von Funden im Internet inspirieren lassen“, erklärten Melanie Koch und Sven Schlicht.
Schlicht ist der Koch im Mittelhessenteam. Eigentlich kommt er aus Frankfurt, um sein Team kulinarisch ins rechte Licht zu rücken, präsentierte er im Hauptgang aber nicht Frankfürter Grüne Soße (das bleibt dem südhessischen Team vorbehalten) sondern „Wolfsbraten“. Dabei hatte aber nicht der Wolf Pate gestanden, der zur Jahresbeginn im Gießener Raum gesichtet wurde, sondern der Wolf aus der Grimmschen Märchenwelt. Das „Wolfs“-Fleisch stammte eigentlich vom Jungschwein und wurde in Licher Biersoße mit Großmutters Bohnengemüse und kleinen Knödeln als Braten gereicht. Wer mochte, konnte vorher die Vorspeise „Schneeweißchen und Rosenrot“ (eine Terrine von Blut- und Leberwurst auf Rote-Beete-Salat mit Meerrettichschaum) und hinterher den Nachtisch genießen: Schneewittchens Apfelküchlein mit Rhabarbergemeng.
„Wir haben vier Teams gebildet“, erläuterte Melanie Koch das Gesamtkonzept. In diesen Teams zu je fünf war immer je einer für die Küche, den Service, das Programm, das Marketing und die Dekoration zuständig. Um die jeweiligen Abläufe zu besprechen, haben sich dann die jeweils Verantwortlichen getroffen, wie man sich gegenseitig unterstützen und helfen könnte. In den Einzelgruppen wurden dann wieder die Einzelprojekte abgestimmt. Um das Rahmenprogramm zu gestalten, sei dann auf jeweils individuelle persönliche Kontakte zurückgegriffen worden.
Auf diese Weise kam auch ein waschechter Mittelhesse in der Gruppe der Südhessen zu Ehren: Mit Mario Bingel wurde ein Profi fürs Pokerspielen engagiert: Der Wetzlarer, dessen Wurzeln in Biebertal liegen, sollte bei den Südhessen für mondäne Casino-Atmosphäre sorgen. Denn während die Mittelhessen ihren kulinarischen Raum als Märchenerzählerzelt dekorierten, auf dem man auf Kissen am Boden saß, hatte das Südhessenteam rund um Tafelspitz und Grüne Soße die Bad Homburger Spielbankatmosphäre aufleben lassen.
Nordhessen wartete kulinarisch mit Schröggelsuppe, Förmchen aus Rind, Zwiebeln und Kartoffeln auf und Schmandkuchen als Nachtisch und ließ dafür unter anderem eine alten Puppenstummfilm zu Dornröschen laufen. Die Osthessen hatten außer der musikalischen Kraftpackung der „Hokke scheeb“ ihre Region mit Schwälmer Hochzeitssuppe, Osthessischem Weckewerk und einem Apfel-Schmand-Traum vertreten.
Wer Näheres über die Fortbildung an der Käthe-Kollwitz-Schule erfahren will, kann das hier. Köche werden in Mittelhessen außerdem auch in Gießen und Wetzlar ausgebildet
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