Wetten, dass es leichter ist, Hitlers „Mein Kampf“, das Kapital von Marx sowieso oder irgendeine islamistische Kampfschrift in deutsch-syrischer Übersetzung zu bekommen als dieses Buch: „Geschichte des Rauchens“?
Dabei handelt es sich bei erstgenanntem Druckprodukt um ein Erzeugnis, das nur mit der nötigen Portion politischem Antiserums lesbar ist, vom literarischen Anspruch ganz zu schweigen. Und Marx hätte sich vermutlich gewundert, wie seine geistigen Nachfahren seine Ideen interpretiert und was sie daraus gemacht haben, abgesehen davon ist sein Werk, man verzeihe den Ausdruck, ohnehin nur für Finanzfetischisten und Zahlenjunkies ein literarischer Hochgenuss. Und ob islamistische Kampfschriften, noch dazu in deutsch-syrischer Übersetzung, der Partyknaller sind, dürfte ebenfalls bezweifelt werden.
Nur wie ist das mit den Glimmstengeln, überhaupt mit Tabak? Sicher: Es ist schon angenehm, wenn man beim Essen nicht gerade von allen Seiten den Duft der Zigarette danach in die Nase getrieben bekommt. Und sicher: Qualmfreie Klamotten haben auch etwas für sich. Aber..aber: Wenn, wie dies mittlerweile gang und gäbe ist, Menschen, die eben doch dem Tabakgenuss frönen wollen, weil sie entweder mal gerne eine Pfeife rauchen, ein Zigarillo oder eben auch nur mal eine Zigarette nach dem Essen, den Eindruck haben, als könnten sie dies nur unter äußerst konspirativen Umständen tun oder eben dies künftig dann nur noch auf Zuhause beschränken, dann ist irgendetwas faul im Staate Dänemark. Mit Laissez-Faire hat dies nichts mehr zu tun.
Da wäre es doch, bevor man sich wieder auf endlose Grundsatzdebatte einlässt („Ich küss doch keinen Aschenbecher…“, „Ihr verpestet unsere Atemluft“) kontra („Ich lass mir doch nicht vorschreiben, was ich wo wie zu tun habe“ „Hab keine Lust auf Ghetto“), doch sinnvoller, sich historisch zu bilden. Den Ursachen, den Konflikten auf den Grund zu gehen, die im Gefolge des kulturellen Rauchopfers sich in Europa breit gemacht haben. Es gibt tatsächlich einen Schriftsteller und Historiker, der sich im 20. Jahrhundert an diesen Stoff herangewagt hatte und ein Buch geschrieben hat. Eben dieses hat den Titel „Geschichte des Rauchens“. Geschrieben hat es Egon Caesar Conte Corti. Corti war in Deutschland als Autor unter anderem beim Insel-Verlag gelistet. Heute sucht man seinen Namen, auch in Bezug auf andere Werke, bei Insel oder Suhrkamp vergeblich. Zum Schicksal von „Geschichte des Rauchens“ hatte in der Anfangszeit des Mittelhessenblog eine Verlagssprecherin gesagt, das Buch passe nicht mehr in den Zeitgeist. Das war 2010. Vielleicht hat sich vier Jahre später diese Einstellung ja geändert. Denn das Buch ist alles andere als eine einseitige Positionierung entweder in die eine oder andere Richtung. Es ist schlichtweg ein Führer durch die kulturellen Hintergründe des Rauchens oder wie Corti es auch nennt „die trockene Trunkenheit“. Dem Redaktionsteam des Insel-Verlags liegt via Facebook-Nachricht jedenfalls inzwischen eine aktuelle Anfrage mit Hinweis auf diese Glosse vor.
Corti stellt in seinem Vorwort fest, dass im Grunde schon die Menschen der Zeit Mesopotamiens oder des alten Ägyptens sich an wohlriechenden Gerüchen verbrennender Harze und Kräuter berauschten und damit nebenbei oder anfangs hauptsächlich erst einmal ihren Göttern opfern wollten. Nun, aus der katholischen Kirche ist die Weihrauchschwenkerei heute noch bekannt. Strenggenommen müsste diese ja dann auch verboten werden. Denn was für Kneipen, Büros und andere öffentliche Plätze inzwischen aus vorgeblich arbeitsschutzrechtlichen Gründen gilt, sollte dann auch für die Weihrauchschwenkerei gelten. Die Evangelischen sind in der Angelegenheit schon vor 500 Jahren weiter gewesen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Zurück zur „Geschichte des Rauchens“. Der Wunsch, sich dieses Buch heute zu besorgen, dürfte vermutlich für die etwas Älteren (30+) ein Ausflug in die DDR-Wirtschaftsgeschichte werden. Dort gab es häufig „Hamwanich“. Jedenfalls nicht heute und auch nicht direkt über die Ladentheke. Wenn, dann war das dann schon Bückdich-Ware. Ist heute aber auch Essig. Findest das Buch einfach nich. Nur online. Aber so im echten Analog-Antiquariat? Fehlanzeige. Reines „Hamwanich“-Angebot. Jedenfalls in Gießen, Wetzlar und auch nicht bei der heutigen mittelhessischen Mutter aller Antiquariate, Marburg. Bei mehreren stichprobenartigen Versuchen, dieses Buch zu erhalten, gab es nur eines: Fehlanzeige.
Wer also das unverschämte Glück hat, tatsächlich noch eines dieser seltenen Exemplare zu ergattern, sollte dies zu tun. Obwohl Glosse, ist dies hier auch eine unbedingte Kaufempfehlung. Die Anschaffung lohnt sich – ich geh jetzt und zünd mir ne Pfeife an.…..
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