JOURNALISMUS und INTERNET/POLITIK und WIRTSCHAFT
Es ist der vorläufige letzte Akt in einem Drama, das am 5. Mai begann, seinen ersten tragischen Höhepunkt am 13. Mai hatte und nun den zweiten hat mit der Versetzung der langjährigen Museumsleiterin Katharina v. Kurzynski nach Wiesbaden ins Landesamt für Denkmalspflege. Dort, so informiert die Pressestelle des zuständigen Hessischen Minsteriums für Wissenschaft und Kunst (HMWK), werde v. Kurzynski mit der Leitung des Sachgebiets Archäologisches Zentraldepot für Hessen und Fundarchiv Hessen betraut. Ihre Nachfolge am Glauberg übernimmt die Stellvertreterin des hessischen Landesarchäologen Prof. Dr. Egon Schallmayer, Dr. Vera Rupp. Rupp selber war bis 2002 auch die Kreisarchäologin des Wetteraukreises.
Über die Ernennung Rupps bestehe einhellige Freude, da sie mit der Materie des Glauberg bestens bekannt und ebenfalls auch in der Region bestens bekannt sei. Dies berichtet der in der Region erscheinende Kreisanzeiger in seiner heute erscheinenden Online-Ausgabe am 26. Mai 2011. Über den Wechsel an der Spitze des Glauberg-Museums war auf Grundlage der Pressemitteilung des HMWK vom 24. Mai bereits vorher berichtet worden, so etwa Hessischer Rundfunk am 24. Mai oder die FAZ in ihrer Online-Ausgabe ebenfalls am 24. Mai. Das Mittelhessenblog hatte seit dem ersten Anruf im HMWK direkt nach den ersten Online-Veröffentlichungen über die Eröffnungsveranstaltung am 5. Mai 2011 vier weitere Anfragen mit Bitte um Stellungnahme zu den angekündigten und mittlerweile in die Tat umgesetzten personellen und vertragsrechtlichen Konsequenzen gestellt. Im Schwerpunkt dieser Anfragen, die sich direkt an den Pressesprecher des Ministerium. Dr. Ulrich Adolphs, wandten und in Kopie zur Kenntnisnahme gleichzeitig an die Mitglieder des Aussschusses für Wissenschaft und Kunst des Hessischen Landtags sowie die Vertreter der beteiligten Fachbehörden, ging es im Schwerpunkt um die Auskunft nach der tatsächlichen Faktenlage, die einerseits die fristlose Aufkündigung des Dienstvertrags mit der Gederner Sicherheitsfirma Huth und Groß begründet hätte wie auch die Auskunft zu einer nachprüfbaren Faktenlage, die die Versetzung der bisherigen Leiterin des Museums am Glauberg, Katharina v. Kurzynski begründen könnte. Diese Anfragen wurden am 16. Mai, 24. und zuletzt am 25. Mai 2011 gestellt. Am 25. Mai schließlich erklärte HMWK-Sprecher Adolphs die Frage nach den Rechtsgründen für die Versetzung von Katharina v. Kurzynski mit Verweis auf das Orginsationsrecht des HMWK, das wiederum auf dem Landesdienstrecht beruhe. Diese Antwort kam am 25. Mai. Auf die jüngste Anfrage mit Bitte um Präzisierung und Ausschluss möglicher Missverständnisse, lehnte Adolphs eine weitergehende Antwort mit dem Hinweis ab, es handele sich um eine Personalsache, er bitte um Verständnis. Die Prüfung der Vorgänge sei mit dem „kommunizierten Ergebnis“ abgeschlossen.
In einer Meldung, die am 25. Mai in diversen Online-Angeboten von Tageszeitungen erschien, hieß es, Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann habe sich nach „sorgfältiger Prüfung der Vorgänge“ für den Wechsel an der Spitze des Museums entschieden.
Nach der Antwort des HMWK-Sprechers bleibt nun im Raum stehen, ob es tatsächliche echte belastbare Gründe gibt, die die Kündigung des Dienstauftrags mit der Gederner Sicherheitsfirma Huth und Groß begründen. Desgleichen bleibt im Raum stehen, was sich die bisherige Leiterin des Museums am Glauberg tatsächlich hat zuschulden kommen lassen. Denn die angeführten Gründe, darüber informiert gewesen zu sein, dass zum einen die beiden Wachleute der NPD angehören oder wie die Ausgabe von Bild-Online unmittelbar danach behauptet hatte, als aktive Funktionäre angehören und zum anderen, einer der beiden den Holocaust geleugnet haben soll, diese angeführten Gründe lassen sich aufgrund der bisherigen Recherche nicht belegen. Mithin bietet die Situation Raum für jegliche Form der Spekulation und lässt neben einem beschädigten Ruf des Museums am Glauberg, den persönlichen Folgen für dessen bisherige Leiterin auch Spuren an der Politik zurück. Dies zumindest zeigen Diskussionen wie sie etwa im Archaeoforum geführt werden. Im Gegensatz hierzu stehen die Einführung v. Kurcynzkis in ihr neues Amt vor vier Jahren als Leiterin des Glaubergmuseums, dessen Aufbau sie seit 2007 vorangetrieben hatte und ein Interview, das sie noch am 6. Mai 2011 Deutschlandradio Kultur gegeben hatte. Die Einführung v. Kurcynzkis in ihr neues Amt kann im Internet mit dem Suchbegriff „Infobrief_Neues_vom_Glauberg_06_12_07.pdf“ gefunden werden. Das Dokument liegt auf den Seiten der Wirtschaftsförderung des Landkreis Wetterau (wfg-wetterau.de).
Neuer Aufgabenbereich weniger öffentlich
Welche Aufgabe wartet nun auf Katharina v. Kurcynzki? Einen Eindruck vermittelt das Portrait, das die Interessengemeinschaft Phoenix Rhein-Main von ihrem neuen Aufgabenbereich gezeichnet hat. Ihr neuer Aufgabenbereich gehört danach zum Gesamtkonzept hessenArchäologie 21. Zu diesem Konzept gehört auch der Aufbau eines dezentralen Landesmuseums, zu dem auch das neu eröffnete Museum am Glauberg gehört und die Aufgliederung in eine dreiteilige Landesarchäologie. Kurcynzkis neuer Aufgabenbereich liegt nach dieser Beschreibung eher hinter den Kulissen und weniger im öffentlichen Raum. Nähere Details gibt es hier.
Eine vollständige Übersicht der Artikel finden Sie im Dossier Glauberg-NPD-Wachmannaffäre
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MartinM meint
Liebe Mittelhessenblogger!
Vielen Dank für die gründliche Recherche!Auch ich, als „Chef vom Dienst“ sozusagen der Nornirs Ætt-Website, bin der Inszenierung nämlich allzu bereitwillig auf den Leim gekrochen.
Es handelt sich also offensichtlich um einen künstlich hochgekochten Skandal, mit eindeutiger politische Stoßrichtung. Mit einer “Bild”-Inzenierung der “SA-ähnlichen” Wachmänner hatte ich gerechnet, mit einer Kampagne, die über die übliche Sensationsmache hinaus geht, allerdings nicht. (Und auch nicht, dass sämtliche Medien der “Bild” so leicht auf den Leim kriechen konnten.) Es ist bezeichnend, dass nicht etwa der “Spiegel” oder die “Frankfurter Rundschau”, sondern das “Mittelhessenblog” die nötigen Recherchen betrieb.
Davon abgesehen: Das Problem, dass Kelten, Germanen und andere “alte Ahnenvölker” für “völkische” Menschenverächter ideologisch attraktiv sind, und daher Museen, Fundstätten und Feiern von diesen Rechtsextremisten instrumentalisiert werden können, ist damit nicht aus der Welt.
Daher muss eine öffentliche Präsentation so gestaltet werden, dass sich Rechtsextremisten dort nicht wohl fühlen. Den Vorschlag der “Linken” mit den Schautafeln, nicht irgendwo im Nebenraum, sondern in der Nähe der attraktivsten und symbolträchtigsten Funde, halte ich, auch im Licht der “Bild”-Inszenierung, für richtig und wichtig. Außerdem frage ich mich, wieso feierliche Eröffnungen unter Anwesenheit “wichtiger” Politiker unbedingt sein müssen. Ohne dieses “Event” wäre die Inszenierung nicht möglich gewesen.
Auch nicht aus der Welt sind Neonazis in privaten Wach- und Sicherheitsdiensten. Ein grundsätzliches und strukturelles Problem, dass nicht mit ein paar Verordnungen und Fragebögen aus der Welt geschafft werden kann. Dass heißt aber: extreme Wachsamkeit gegenüber Sicherheitsdiensten und ihren Mitarbeitern, weil nachweislich weit überdurchschnittlich viele Menschen mit demokratie- und menschenrechtswidriger Weltanschauung dort arbeiten!
Und nicht zuletzt, auch an meine Adresse: noch schärfere Skepsis gegenüber allen Medien – und Meldungen, in denen irgendwo die “Bild” auftaucht, müssen bis zum Beweis des Gegenteils, stets als “falsch”, “inszeniert” oder “gelogen” gelten!
Mit besten Grüßen,
Martin Marheinecke, Nornirs Ætt
Christoph von Gallera meint
Lieber Martin Marheinecke,
vielen Dank für das Lob. Das Mittelhessenblog wird in Person von mir als verantwortlichem Herausgeber geführt und besteht auch personell aus mir als „Hauptmacher“. Im Hintergrund ist natürlich ein Netzwerk aus Menschen, die immer wieder Einblicke hinter die Kulissen von Politik und Wirtschaft gewähren und so Rechercheanregungen geben, die je nach Faktenprüfung umgesetzt werden. Die Arbeit, die im Mittelhessenblog geleistet wird, folgt den gleichen Grundsätzen, die eigentlich für jedes Medium gelten, das für sich einen journalistischen Anspruch auf die Fahnen schreibt. Nach Lage der Dinge gilt also für den Glauberg-Fall das bisher dargestellte. Sollte sich durch einen belastbaren, nachprüfbaren Hinweis eine andere Wendung ergeben, wird darüber im Mittelhessenblog genauso berichtet.
Das Mittelhessenblog ist ein unabhängiges Regional-Magazin mit überregionalen Bezügen und kann letzten Endes seine Arbeit nur leisten, wenn auch der finanzielle Unterbau stimmt. Deswegen freue ich mich als Herausgeber über jede Unterstützung. Ich möchte gerne darauf hinweisen, dass das Mittelhessenblog Teil eines bundesweiten Verbandes unabhängiger journalistisch geführter Lokal- und Regionalportale ist. Der Name dieses Netzwerkes ist istlokal.
Mit bestem Gruß,
Christoph v. Gallera