Berlin hat seinen Flughafen und Gießen seinen Bahnhof. Mit viel Aufwand, Geld und Zeit wurde der Bahnhof nun aufgehübscht. Mit kleinen Schönheitsfehlern: Wer viel zu schleppen hat, muss jetzt einige hundert Meter bis zum Parkhaus laufen. Ein Schönheitsfehler, der weniger ins Gewicht, dafür aber mehr ins Auge fällt: Die inzwischen fest eingerichtete Krähenfutterstelle vor der freigeschnittenen Sandsteintreppe.
Dass der Gießener Bahnhof zwar mit seiner Architektur ein Hingucker ist: In Ordnung. Die Sandsteinarchitektur des denkmalgeschützten Kerngebäudes ist mit viel Aufwand renoviert worden. Die dazu passende Freitreppe, die zu einer Brücke über die Gleisanlagen Richtung Alter Wetzlarer Weg führt, ist für sich gesehen, das passende Gegenstück. Der Stil ist zwar historisierend, sprich, ahmt etwas nach, was schon zur Zeit des Originalbaus selber schon längst Vergangenheit war. Baumeister war der Herborner Ludwig Hoffmann. Im Stil seiner Zeit hat er den Bahnhof in Jugendstil-Architektur gebaut.
Verrottende und verdreckende Bahnunterführungen, mehr oder minder malerische Fahrradfriedhöfe auf dem Bahnhofsvorgelände bildeten in den vergangenen 20, 30 Jahren einen pittoresken Gegensatz zu der auffälligen Jugendstilarchitektur. Dennoch blieb eines: Wer es eilig hatte, konnte direkt vor dem Bahnhof parken. Es war zwar mitunter kompliziert, weil weniger Parkplätze als Parkplatzsuchende zur Verfügung standen. Mit der aktuellen Neugestaltung, der den Gießener und den Besuchern Gießen nun ein weitläufig freigeräumtes, weil bis auf abholende Taxis autobefreites Bahnhofsvorgelände beschert hat, ist nun alles anders: Wer mit dem eigenen Auto kommt, dann selber mit der Bahn weiterfahren oder Gäste zum Zug bringen oder von diesem abholen will, der muss erst einmal eine Fußstrecke mit mindestens 300 Metern Entfernung überwinden. Ohne großes Gepäck und als normal Fußgesunder in der Regel zu schaffen. Nur eben ärgerlich, wenn es regnet. Für Fußlahme und mit schwerem Gepäck wird es dann zur sportlichen Herausforderung. Zumindest für Behinderte will die Stadt jetzt Abhilfe schaffen.
Was indes bleibt, ist eine optische und ästhetische Herausforderung: Wie geht man mit den sich inzwischen häuslich einrichtenden Krähen um. Wo früher Tauben und Spatzen die Szene bevölkerten, machen sich jetzt die rabenschwarzen Vögel breit. Und wie es aussieht, wird insbesondere zu den Wocheneenden der Tisch für die Vögel besonders reich gedeckt. Dies vor allem im Bereich der Freitreppe und auf dem Weg zu den neu geschaffenen Fahrradunterständen im Dunstkreis zwischen alten Postgebäude und Bahnhof. Laut Auskunft der Stadt sind von Montag bis Freitag am frühen Morgen immer Reinigungstrupps unterwegs und dann noch einmal jeweils sonnabends am Abend. Fragt sich nur, wie dann am relativ frühen Sonntagmorgen (gegen 8 Uhr) dann immer noch soviel Dreck übrig ist, dass die Krähen dies anscheinend als Einladung sehen, sich die Reste einzuverleiben.
Das Mittelhessenblog hatte dazu in den vergangenen Wochen Anrufe bekommen. Nun haben wir die Probe aufs Exempel gemacht und uns das Bahnhofsvorgelände jeweils sonntags gegen 8 Uhr angesehen. Die Bilder glichen sich: Leere Flaschen, Essensabfälle, Verpackungsreste säumen mehr oder minder heftig die beschriebene Strecke. Bleibt in der Tat die Frage: Ist die Besucherfrequenz zwischen der städtischen Abendreinigung am Sonnabendabend und Sonntagmorgen 8 Uhr so stark, dass so viel Müll wieder anfällt oder fällt die Arbeit nicht gründlich genug aus. Oder gibt es nicht genug Mülleimer?
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