RAUISCHHOLZHAUSEN
„So richtig spezialisiert ist in unserer mittelhessischen Region eigentlich niemand. Es gibt keinen ausgesprochenen Sonderkulturbau wie im Rhein-Main-Gebiet, etwa mit einem Schwerpunkt auf Kräutern oder Gemüse“, antwortet Susanne Weißbecker auf Ergebnisse der jüngsten Bioland-Wintertagung in Rauischholzhausen. Dass die Betriebe dennoch von der Nähe des Rhein-Main-Gebiets profitieren könnten, wurde während der Vorstellung von Details aus einer Studie zum Biomarkt in Hessen deutlich, die offiziell während der nächsten Woche in Nürnberg beginnenden Biofach vorgestellt werden soll. Die Studie war im Auftrag des hessischen Landwirtschaftsministeriums angefertigt worden.
Für Aufregung hatte indes die hessische Agrarministerin Silke Lautenschläger gesorgt. Vor Landwirten, Händlern und Verbandsvertretern, die aus Hessen, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt zum Meinungsaustausch angereist waren, stellte Lautenschläger in Frage, dass gentechnikfreie Betriebe und und Betriebe, die nicht auf gentechnisch veränderte Futtermittel und Saatgut verzichten, nur schlecht nebeneinander bestehen könnten. Früher oder später sei auch hierzulande alles mit Feldern durchsetzt, auf denen gentechnisch veränderte Pflanzen wüchsen. „Das können wir gar nicht aufhalten“, erklärte Lautenschläger und sorgte damit für verständnislose Blicke. Gentechnikfreiheit ist eines der zentralen Standbeine im ökologischen Landbau. Lautenschläger hatte damit argumentiert, dass es etwa kaum möglich sei, gentechnikfreies Soja zu pflanzen. Aus der Runde kam postwendend der Hinweis, dass in Brasilien bereits gentechnikfreies Soja angepflanzt werde.
Zwar würdigten der Bioland-Bundesvorsitzende Thomas Dosch und Wolfgang Schott vom hessischen Landesvorstand, dass mit Lautenschläger zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte des hessischen Biolandverbandes ein hessischer Landwirtschaftsminister an einer Bioland-Tagung teilnahm. Der Verband war 1986 gegründet worden. Sitz des Verbandes ist Grünberg.
Dies zeige, wie wichtig das Thema inzwischen genommen werde. Lautenschlägers Äußerungen wertete Dosch als Zeichen, „dass entweder wir oder sie die falschen Informationen haben“. Kritik am eigenen Verhalten übten Bioland-Mitglieder nach dem Abschied der Ministerin. „Eigentlich hättet Ihr jetzt die Chance nutzen können, dass, was Euch auf den Nägeln brennt, mit der Ministerin diskutieren zu können.“
Kritisch reagierten die Biobauern auch auf die Vorstellung, dass kleinere Betriebe ihre Flächen zugunsten größerer Betriebe aufgeben sollten.
Markus Rippin, der Details aus seiner Studie vorstellte, kennzeichnete einen starken selbständigen Einzelhandel in Hessen als besten Partner und nannte dabei Tegut mit rund 400 Filialen, Edeka und Rewe mit seinem Landmarkt-Programm als wichtige Partner.
Rippin zeigte außerdem die Tendenz in verschiedenen Produktbereichen vom Rind bis zu Getreide, Obst und Gemüse. Während ökologisch herangezogenen Rinder noch oft in die konventionelle Weiterverarbeitung kämen, gehe ökologisch erzeugtes Getreide zu 75 Prozent zur entsprechenden Weiterverarbeitung in den Großhandel, 20 Prozent landen im direkten Absatzmarkt und fünf Prozent gehen an Bäckereien. Dass der ökologische Landbau in Hessen inzwischen einen großen Sprung nach vorne gemacht habe, belegte Rippin ebenfalls mit Zahlen: 2009 hat die Öko-Ackerfläche in Hessen um 4500 Hektar oder 19 Prozent der gesamten Ackerfläche zugenommen. Zum größten Teil werden auf diesen Flächen Weizen und Futterpflanzen angebaut.
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