Die Eiserne Hand an der L3047 bei Hohenahr, der Landstraße zwischen Gießen und Gladenbach. Seit einigen Monaten weht ein frischer Geist durch ihre alten Mauern. Ein wenig wie der des wegen seiner Bescheidenheit weltweit bekannt gewordenen Präsidenten von Urugay, der bald im Ruhestand ist. Die Landhüter, eine junge Genossenschaft von kreativen Mittelhessen hat sich des alten Gasthofs angenommen. Für ein „Haus der Permakultur“ und andere Projekte, die für alle von Nutzen sein sollen. Nun bitten sie um Unterstützung. 16000 Euro werden für den Kauf bis 31.Dezember noch gebraucht. Erklärte deren stellvertretender Vorstand Udo Wierlemann während einer Infoveranstaltung im Bürgerhaus von Erda. Dem Hauptortsteil von Hohenahr.
„Es ist gut, so zu leben, wie man denkt. Anstatt darüber nachzudenken, wie man lebt“, zitiert der Spiegel den jetzigen Ex-Präsidenten Jose Mujica von Uruguay. Mujica wurde weltweit wegen seiner Bescheidenheit berühmt, die er sich trotz seines Amtes bewahrt hatte. Er wohnt in einem einfachen Landhaus. Ein wenig von diesem besonderen präsidialen Geist scheint nun durch die Mauern der alten Zollstation zu wehen. Vorausgesetzt, die Immobilie kann wie geplant gekauft werden, könnte dort an der Schnittstelle zwischen den drei Landkreisen Gießen, Marburg-Biedenkopf und Lahn-Dill ein offenes Zentrum für die Menschen in Mittelhessen entstehen, in dem von den fundamentalen Grundbedürfnissen Essen und Trinken über das Anbieten von Dienstleistungen Ideen und Konzepte vermittelt werden, die der zunehmenden Verödung von Landstrichen und der Vereinsamung von Menschen entgegenwirken sollen. Einer der Schwerpunkte auch: Die Vernetzung und Verknüpfung kreativer Menschen aus Mittelhessen, die dort eine zentrale Anlaufstelle finden könnten. Worum es bei der Permakultur geht? Letztlich um drei Dinge: Die Sorge um die Erde, die um die Menschen und schließlich das gerechte Verteilen und Nutzen von Ressourcen. Das allerdings ohne ideologische Verbrämung. Wie Wierlemann berichtet, gehörten in der Anfangszeit des Projektes auf der Eisernen Hand Bewohner dazu, die esoterische Ziele verfolgten oder etwa für eine konsequent vegane Lebensführung eintraten. Beides sei inzwischen einer pragmatischen Durchmischung bei den Bewohnern gewichen.
Die Landhüter, eine Genossenschaft von echten und gefühlten Mittelhessen, die leer stehende Häuser wieder mit Leben füllen wollen, das kreative Potential der Menschen in den fünf Landkreisen zusammenbringen möchten, haben die alte Zollstation, die seit dem 18. Jahrhundert bis 2009 auch und dann nur noch Gastwirtschaft war, von den Eigentümern gepachtet – mit dem Ziel, sie zu kaufen.
Das Hinweisschild, dass das alte Gebäude mit der langen Geschichte zu verkaufen ist, ist schon lange abmontiert. Das Mittelhessenblog hatte am 1. September 2012 damals noch mit den Eigentümern Barbara und Karl-Heinz Märker unter anderem über eine Nachfolgenutzung in neuen Händen gesprochen. Damals sagte Barbara Märker, wer die Eiserne Hand übernehme, solle nach Möglichkeit ein gutes touristisches Konzept mitbringen.
Mit den neuen Bewohnern, die dem alten Gasthof jetzt neues Leben einhauchen, sieht es danach aus, als ob Barbara Märkers Wunsch Wirklichkeit werden könnte. Eigentlich, so berichtete Udo Wierlemann vor etwas mehr als 20 Gästen in der Gaststätte „Zum Wäldchen“ im Bürgerhaus in Erda, sollte das Haus schon lange gekauft sein. Zur Zeit ist das Gebäude mit dem dazu gehörenden Gelände von rund acht Hektar nur gepachtet. Der Grund, so Wierlemann, läge an Mietern in einem Teil des ehemaligen Gasthofs, die ein lebenslanges Wohnrecht von den bisherigen Eigentümern eingeräumt bekommen hatten, vor allem weil sie während des langen Leerstands des Restgebäudes ein wenig hausmeisterliche Aufgaben erfüllt hatten.
Zur Zeit, so erklärte Wierlemann, sei das Hauptziel, bis zum 31. Dezember 2014 den Erwerb der Eisernen Hand, die ja bis jetzt nur gepachtet sei, unter Dach und Fach zu bringen. Von der Eigenkapitalsumme von 26000 Euro, die für die Finanzierung des 331000 Euro kostenden Gesamtprojekts gebraucht werden, haben Wierlemann und seine Mitstreiter bisher 10000 Euro zusammen. 16000 Euro werden noch gebraucht. Das Geld soll auf verschiedene Weisen zusammenkommen. Über den Erwerb von Anrechten an der Genossenschaft. Der Mindestanteil, der dafür aufgebracht werden muss, beträgt 50 Euro. Ein anderer Weg besteht über die so genannte Schwarmfinanzierung oder Crowdfunding. Dafür haben sich die Landhüter die Plattform Startnext ausgesucht. Auf ihrer Facebookseite Haus der Permakultur und der vor kurzem frisch aufgebauten eigenen Website beschreibt die Gemeinschaft „Auf der Hand“ ihre diversen Ideen und Projekte im Detail.
Gegenwärtig wohnen rund zehn Menschen auf der Eisernen Hand. Bunt zusammengesetzt. Was das Alter angeht. Was ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten angeht, die sie für den Aufbau dieses Projekts mitbringen. „Da hat sich wohl einiges in diesen Monaten getan“, erzählt Arpan. Das ist nicht sein richtiger Name. Für die Behörden und offizielle Post steht sein bürgerlicher Name auf dem Adressschild am Hofeingang. Der gelernte Koch, der als Künstler erst in Gießen und dann in Marburg Erfahrungen mit der jeweiligen Kunstszene gesammelt hatte („Gießen war da eindeutig offener und besser“, berichtet über diverse Kommunenprojekte, an denen er teilgenommen habe, als diese schon längst etabliert gewesen seien. „Jetzt möchte ich von Anfang an mit dabei sein, erleben, wie etwas wächst, dabei aktiv mitanpacken“, sagt Arpan.
Das Wort Kommune benutzt er absichtlich, obwohl es in vielen Köpfen mitunter erst einmal Gedanken an die „Urkommune“ K1 um Rainer Langhans, an die „Hippies“ auslöst. Und an verwahrloste, ärmliche Behausungen. „Den Begriff Kommune benutzen wir ja auch wenn es um Städte, Gemeinden geht. Außerdem, es bedeutet ja nichts anderes als Gemeinschaft. Und dass Kommunen durchaus erfolgreich wirtschaften können, dafür gibt es einige Beispiele.“ Arpan meint in dem Augenblick keine politische Kommune, sondern eben solche Projekte, wie es nun mit der Eisernen Hand als Zentrum entstehen soll. Für den Mittfünfziger ist es vor allem wichtig, wie die Menschen in den umliegenden Dörfern und in Gießen, Wetzlar und Marburg auf das Projekt reagieren. „Hier soll ja ein offenes Haus entstehen. Stadt und Land sollen wieder mehr mit einander verbunden werden, die Menschen wieder mehr zueinander finden“, sagt Arpan.
Für den Koch Arpan steht, vorausgesetzt, die Eiserne Hand kann wie geplant erworben werden, hinter eine Investition in die Küche an. „So wie sie ist, entspricht sie keineswegs mehr den Standards, die heute an eine Küche in der Gastronomie gestellt werden. Da muss etwas getan werden“, so Arpan. Zu den möglichen Planungen der Eiserne-Hand-Bewohner gehört, das Haus an den Wochenenden mit einem Restaurantbetrieb wieder für Familien, Wanderer, überhaupt Touristen zu öffnen. Als Station für einen Zwischenstopp bei Wanderungen etwa. Das Gebäude gäbe auch her, Seminare dort zu veranstalten.
Zu den weiteren Projekten gehören der Ausbau von Konzepten wie Car-Sharing, die Nutzung erneuerbarer Energien und etwa die Anlage eines Kräutergartens. „Der sollte schon so 20 Quadratmeter groß sein“, sagt die 26-jährige Sara. Die werdende Mutter möchte mit einer Freundin einen solchen Garten anlegen. Der dann nicht nur den Zwecken der „Hand“-Gemeinschaft nützlich sein soll, sondern ein Ort, an dem das Wissen über Küchen- und andere Kräuter, deren Nutzen und Einsatz an die Bevölkerung weitergegeben werden soll. Doch wie Arpan sieht die junge Frau vor allem erst einmal das Nahziel die „Hand“, wie sie in den umliegenden Dörfern einfach nur genannt wird, überhaupt zu erwerben. Und hofft deswegen auf Unterstützung aus der Bevölkerung.
Zu den Plänen, die die Hand-Bewohner umsetzen möchten, gehört auch der Wiederanschluss der Bushaltestelle vor der Haustür. So wie in der Nähe des Altenberg ein Haltepunkt für Wanderer ist, könnte sich Arpan vorstellen, dass diese Haltestelle dann mindestens dafür genutzt wird, aber überhaupt auch, damit Bewohner und Besucher der Hand eine Alternative zu einem motorisierten individuellen Fahrzeug haben.
Für Lebensmitteleinkäufe läuft Arpan mit dem Rucksack über die Feldwege derzeit einfach zum Edeka nach Erda. Hin und zurück eine Strecke von rund neun Kilometern. Und ein anderer Bewohner berichtet Sara, fährt einfach jeden Tag mit dem Fahrrad bis zur Bushaltestelle, um dann mit dem Bus weiter nach Wetzlar zu seiner Arbeit zu kommen.
Neben den durchaus alltagspraktischen Dingen, mit denen sich die Handbewohner befassen, steht künstlerische Kreativität hoch im Kurs. Mit Jan Luke haben sie bereits einem Künstler Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, die er als Atelier und Werkstatt nutzen kann. Doch auch Arpan denkt daran, sobald es geht, sich wieder um seine Kunst zu kümmern. Dicke Mappen dokumentieren seine Arbeit. Großformatige Bilder warten darauf, aufgehängt zu werden. Er könne sich Ausstellungen in Wetzlar und an anderen Orten in der Region vorstellen. Und mit ihrem Werk möchte auch „Anele Flow“, eigentlich Elena Wolf, an die Öffentlichkeit. Das wäre das erste Mal. „Aber erst im nächsten Jahr. “ Die junge Frau bietet unter anderem Yoga an und arbeitet als Erzieherin. In dieser Funktion habe sie bereits intensive Erfahrungen mit unterschiedlichsten Nationen in der evangelischen Paulusgemeinde in Gießen gesammelt. Diese Erfahrungen möchte sie in die Arbeit auf der Eisernen Hand ebenfalls einfließen lassen. Denkbar wäre, dort ein Angebot für Familien mit jungen Kindern einzurichten.
Nächster Infoabend: 1. Dezember in Wetzlar
Für die nächste Zeit sind weitere Infoveranstaltungen rund um das Konzept der Landhüter geplant. Auf der Eisernen Hand selbst, aber auch in den benachbarten Städten. Die nächste steht schon für morgen auf dem Plan: Um 19.30 Uhr soll es in der Kulturstation im Stadthaus in Wetzlar darum gehen: „Stadtleben mit Landliebe trifft Landleben mit Stadtliebe“. Die näheren Einzelheiten stehen hier. Und am 7. Dezember soll es eine ganztägige Veranstaltung auf der Hand geben, während derer sich die Bewohner vorstellen und das genossenschaftliche Konzept „Geno 2.0“, das hinter der Idee steht, noch einmal näher erklrt werden soll. Der offene Tag geht von 10 bis 17 Uhr, die Infoveranstaltung beginnt um 16 Uhr.
Weiterführender Link: Landhüter
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