Das erlebt man selten: Eine wahnwitzige zweistündige Stuntshow mit spannungsgeladenen Momenten, die den Atem stocken lassen und dann zwei „Pausenclowns“, die dem Publikum in bester Satireform den Spiegel vorhalten: Mit dem Thüringer Hubertus Wawra und dem Ungarn Steve Eleky. „Master of Hellfire“, der eine, skurrile Zaubertricks entzaubender Klamaukschotte der andere. Der Master of Hellfire und Klamaukschotte Eleky sind dabei nur zwei Teile des aktuellen zweistündigen Programms „Höchststrafe“, mit der der 1989 in Bocholt gegründete Menschenzirkus Flic Flac sein Jubiläum feiert. Vergangenes Jahr war Marburg an der Reihe, 2015 ist es Gießen.
Die Vorstellungen am Sonntag nutzten auch etliche Marburger, um sich die artistischen Stunts mit der Russenschaukel, den „Helldrivern“ in ihrer Gitter-Stahlkugel oder romantische Liebesgeschichten verpackt in Seil- und Pole-Artistik anzusehen. Rund 5000 Besucher seien insgesamt zu den Veranstaltungen am Wochenende gekommen, stellte Tourneesprecher Rudi Bauer am Dienstag fest. Mit dem Echo in Gießen „sind wir sehr zufrieden“. Kämen sonst eher größere Städte als Tourneestandorte in Frage, so seien Städte wie Gießen eher die Ausnahme. Auf jeden Fall, so Bauer, könnten sich die Gießener darauf freuen, dass ihre Stadt künftig bei den Tourneeplanungen auch mit berücksichtigt werde.
Aberwitzige Stunts auf der Russenschaukel, graziler Tanz an der Pole-Stange oder am Seil, Handstandakrobatik, die kinderleicht aussieht, aber von den Akrobaten Höchstmaß an Konzentration verlangt und Motorratstunts in und über einer riesigen Gitterstahlkugel – um die Nerven der Zuschauer anzuspannen und gleichzeitig ästhetisches Empfinden zu bedienen.
Davon hat FlicFlac in der Tat einiges zu bieten. Durchaus in einem Varieté-Niveau das Vergleichen mit dem regelmäßigen Zirkusfestival in Monaco standhält.
In der aktuellen Show wird in verschiedenen Plots mit stilisierten Ausbruch-Versuchen aus dem Gefängnis gespielt oder der Trennung eines Liebespaares, wo er wütend verzweifelt an die Gitterstäbe seiner Zelle schlägt, während sie aus dem Bett aufstehend an ihren Liebsten denkt und ihrer Sehnsucht ausdrückend an der Stange tanzt.….
Zurück zum Master of Hellfire: Während er im ersten Teil seiner Show das Publikum harmlos auf den Arm nimmt (Tschuldigung, steht so im Drehbuch…habe ich geschrieben…), kommen im zweiten Teil mehr oder weniger offen politische Anspielungen auf die Flüchtlingsheimbrände der jüngsten Zeit und deren Zuordnung zum rechten Milieu. Am Sonntag bat er eine junge Frau zu sich auf die Bühne. Ihre Aufgabe, eine Zielscheibe mit einem Loch in der Mitte halten. Kurz vorher hatte er seinen Flammenwerfer demonstriert. Und das Publikum gebeten, den Takt vorzugeben („Eins, Zwei.…“). Mit diesen Übungen hatte er das Publikum recht schnell auf seiner Seite. Ebenfalls mit der angedeuteten Gefahr: „Wenn dann die Feuerwalze kommt, müsst Ihr schnell Euren Nüschel zur Seite drehen. Soviel Friseurgutscheine habe ich nämlich nicht“. Schließlich hat er sein Publikum soweit. Lacher im Zelt. Die Bitte den Takt vorzugeben, während er sich mit dem Flammenwerfer in Stellung bringt.…. Schließlich scheint er ernst machen zu wollen und bittet die junge Frau, die Zielscheibe ja richtig zu halten. Er wolle den Feuerstrahl durch das Loch in der Mitte schicken. Er zählt den endgültigen Countdown. Dass der jungen Frau in ihrer Haut nicht ganz wohl ist, war vorher zu merken. Sie wollte schon abbrechen, ließ sich dann aber überreden, doch auf der Bühne zu bleiben.…„Eins, Zwei.…“ zählt er, das Publikum auch. Die „Drei“ schallt ins Zelt .….„Das hättet Ihr wohl gern, dass sie brennt. Und Ihr lacht auch noch. Was seid Ihr für ein sensationsgeiles Publikum..„bricht er ab.…Das Publikum lacht verlegen.….Die junge Frau bittet er noch einmal…Sie sei jetzt sein Nummerngirl…zum Ankündigen der Pause.……
Mit einer anderen Triebfeder des Publikums, dem Magier auf die Schliche zu kommen, spielt Steve Eleky.…Er tut so, also könnte er plötzlich Hasen aus einer Kiste zaubern. Erst schwarz, dann weiß, dann gesprenkelt.….„Das ist so einfach, so einfach. Ich weiß ja schon,was jetzt kommt“ lacht er sich kaputt.…„Die Hasen sind da ja schon drin. Unter dem doppelten Boden. Es ist so einfach.….“ lacht der Klamaukschotte ungarischer Herkunft .….Oder die Nummer mit zehn Bällen gleichzeitig zu jonglieren…:“ Das Geheimnis ist: Klebstoff. Ich hab sie zusammengeklebt. Deswegen geht das.…“ Oder “ Ohne Magnete würde das nicht funktionieren“, präsentiert er eine beliebte Jongleursnummer, bei der Quader jongliert und gleichzeitig in Zweier- oder Dreierpacks in der Luft zwischen den Händen des Spaßjongleurs zu schweben scheinen.……
Die dritte Säule dieser Show ist die Stimmgewalt von Sängerin Caro Kunde und der Band Alter-Krass. Röhrende Rocknummern wechseln mit balladesken Liedern ab. Die Überraschung: „Je suis malade“ begleitet der Chansonklassiker von Serge Lama aus dem Jahr 1973 das Drama des Liebespaares.……
Am Ende der Vorstellung, nach zwei Stunden Stuntdramatik, Nervenkitzel, Publikumssatire und Künstlerselbstironie: Standing Ovations.……„Wir werden wieder hierher kommen, sagt Rudi Bauer. Noch kann, wer die Show verpasst hat, nach Gießen kommen. Denn bis Sonntag wird es noch jeden Abend um 20 Uhr Vorstellungen geben.…Für eine in diesem Fall spannende „Höchststrafe“.….
Mehr Infos über die Tourpläne gibt es hier.
Schreibe einen Kommentar