Von Christoph v. Gallera
Etwas mehr als ein Jahr Pause sind vorbei und das Mittelhessenblog geht mit wöchentlichen Reportagen wieder in die Produktion. Den Anfang macht ein Stück um Umweltkriminalität aus Bischoffen im zentralen Mittelhessen.
Sie liegen noch da. Die herausgerissenen Fensterrahmen und die Tür aus Holz mit noch intakter Fensterscheibe. Verstreut über eine Fläche von vielleicht zwei mal drei Metern. Sie liegen nicht direkt an der Landstraße zwischen Gießen und Gladenbach, der L 3047. Sondern sie liegen etwas abgesetzt an einen Waldweg oberhalb des Gebiets des Privatwald Windelbach auf Gelände, das eindeutig zum Kommunaldwald Bischoffen gehört. Etwas länger, nämlich mehr als ein Jahr, liegen zwei Asbest-Big-Bags direkt am Rand der L 3047. Grund für einen Entsorgungsstreit zwischen Kommune und Hessen Mobil. Die Fenster erfüllen den Tatbestand der Ordnungswidrigkeit, die Säcke wiegen strafrechtlich schon schwerer.
Marco Herrmann, seit Februar 2022 für die Geschicke der mittelhessischen Gemeinde zuständig, zeigt auf die Straße auf seinem Tablet. Die Bereiche, die in den Zuständigkeitsbereich Bischoffens und damit des Bauhofs für die Beseitigung wilden Mülls fallen, sind deutlich zu erkennen. Bei den Fenstern ist es eindeutig. Wenn sich der Verursacher nicht ermitteln lässt, so Herrmann, müssen das am Ende die Kollegen vom Bauhof oder eine beaufragte Firma erledigen. Der Bauschutt werde dann zum Abfallwirtschaftszentrum Lahn-Dill gefahren. Dort könnte Bauschutt wie der Fensterschutt beim Windelbach dann kostenlos entsorgt werden. Für Kommunen sei dies ohnehin kostenlos. Seine Hoffnung, den Verursacher noch zu ermitteln, hängt an einer bunten Window-Color-Figur, die noch auf einem Türfenster klebt. Wenn, dann würde der Verursacher zur Beseitigung verpflichtet oder eine Fachfirma beauftragt, deren Kosten dann dem Verursacher in Rechnung gestellt würden. Abgesehen davon, dass er noch mit einem Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit rechnen müsste.
Die Gebührenfrage
Wie im benachbarten Kreis Gießen können allerdings auch Privathaushalte aus dem Kreis kostenlos Kleinmengen an Bauschutt anliefern. In Gießen ist es zweimal jährlich eine Kofferraumladung. Im Lahn-Dill-Kreis laut Listenangabe des AWZ ist eine Autoladung mit 2x1 m³/Tag erlaubt.
Möglicherweise, aber das ist nur eine Annahme, machen sich gewerbliche Anbieter diesen Umstand zunutze und fahren Bauschutt in den Wald. Obwohl laut Gebührensatzung des AWZ Lahn-Dill auch Kleinstgewerbler ihren Müll kostenlos anliefern dürfen.
Dass dies am Ende eine Möglichkeit sein könnte, wollen jedenfalls weder Herrmann noch der Ordnungsamtsleiter der Nachbargemeinde Hohenahr, Ulli Schmeer und Stefan Röger, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit beim AWZ Lahn-Dill ausschließen.
„Wir sind auf die Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen, denn in der Regel sind solche Ablagerungen nicht direkt in der offenen Landschaft. Ärgerlich ist es dennoch. Denn, wenn wir die Verursacher nicht ermitteln können, bleibt am Ende die Öffentlichkeit auf den Kosten sitzen“, sagt Ulli Schmeer.
Ein Blick auf die Gebührentabelle des AWZ zeigt, dass Bürger aus dem Landkreis Lahn-Dill am Standort in Asslar PKW-Ladungen mit Bauschutt auch kostenlos entsorgen dürfen. Im benachbarten Kreis Gießen geht das auch grundsätzlich. Nur dort ist die Menge auf jährlich zwei Kofferraumladungen pro Haushalt beschränkt. Komplizierter wird es mit der Entsorgung dagegen, wenn man im Vogelsbergkreis oder Marburg-Biedenkopf wohnt.
Der Asbeststreit
Geht es um die Beseitigung des Mülls, kommt es darauf an, wo er liegt. Kommune oder Land. Bei den Fenstern und Türen an der Abzweigung von der L 3047 in den Windelbachwald ist das eindeutig. „Fällt klar in unseren Bereich. Ich hoffe ja noch, dass ich wegen des Window-Color-Aufklebers einen Hinweis aus der Bevölkerung bekomme. Deswegen haben wir das ja jetzt auch noch auf unsere Website gesetzt“ , sagt Herrmann. Aus dem Grund bleiben die Fenster noch liegen.
Liegengeblieben, das seit mehr als einem Jahr, sind auch zwei so genannte Big Bags mit Asbestabfällen links und rechts der Landstraße L 3047 Richtung Gladenbach. Auch im Gemeindebereich Bischoffen. Wer diesen Müll dort abgelegt hat, ist unbekannt. Hessen Mobil, das nach Lage der Dinge eigentlich für die Beseitigung solcher Abfälle direkt am Landstraßenbereich verantwortlich sei, weigere sich aber bislang, so der Bischoffener Bürgermeister. Unterstützung habe er inzwischen für seine Position vom Hessischen Städte- und Gemeindebund. Auch das Regierungspräsidium in Gießen habe sich mit einer Anordnung an die Adresse von Hessen Mobil in den Streit eingeschaltet. „Vielleicht will Hessen Mobil ja einen Präzedenzfall verhindern und rührt sich deswegen noch nicht.“ Auf Nachfrage des Mittelhessenblog versicherte Sonja Lecher, zuständige Sachgebietsleiterin Westhessen in Marburg, dass sich Hessen Mobil auf alle Fälle mit einer Stellungnahme noch zu Wort melden werde.
Leserhinweis: Zusammen mit der Stellungnahme von Hessen Mobil wird das Mittelhessenblog in einem Nachfolgeartikel die Stellungnahme des Polizeipräsidiums Mittelhessen verarbeiten.
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