Liebe Mittelhessenblogleser: Die Debatte um den neuen elektronischen Personalausweis schwirrt schon seit einiger Zeit durch die Medien. Vorwiegend geht es dabei um Sicherheits- ud Datenschutzaspekte. Das kleine Kirchvers in Mittelhessen bringt nun einen Gesichtspunkt auf den Tisch, der bisher unter selbigen beim medialen Blätterrauschen zu fallen scheint: Den Dienst der Verwaltung am Bürger. Gab es in Kirchvers bisher einmal wöchentlich eine Sprechstunde des Ortsvorstehers, wird diese künftig wegfallen. Jedenfalls beinah. Damit gibt der letzte Ortsteil der Südkreisgemeinde Lohra im Landkreis Marburg-Biedenkopf einen Service auf, der in anderen Ortsteilen schon früher weggefallen ist, wie es aus dem Rathaus heißt.
„Das lohnt sich für hier nicht mehr“, begründet Markus Hemberger die Entscheidung, die der Ortsbeirat des Dorfes gefällt hat, das zu der Südkreisgemeinde Lohra des Landkreises Marburg-Biedenkopf gehört. „Bisher haben wir die Formalitäten während der Bürgersprechstunde erledigt. Jetzt muss ja unter anderem auch der Fingerabdruck festgehalten werden. Das soll direkt im Rathaus geschehen. Die Leute sollen deswegen direkt nach Lohra fahren“, erklärt Hemberger, der selber die Entscheidung bedauert. Er räumt ein, dass damit ein wenig Servicequalität für den Lohraer Ortsteil verloren geht, der noch als einwohnerstärkster der Gesamtgemeinde gilt. Künftig will Hemberger Sprechstunden nur noch dann abhalten, wenn diese eigens vereinbart werden. Was dem Ortsvorsteher nun an Aufgaben bleibt? Etwa die Ausgabe von Müllmarken für die Mülltonnen. Oder im Amtsdeutsch: Marken für die Abholung der Wertstofftonnen.
In der Praxis bedeutet dies: Wer seinen Personalausweis beantragen will, muss 8,5 Kilometer nach Lohra fahren. Denn dort ist der Sitz des Rathauses. Und dann wieder 8,5 Kilometer zurück, zusammen 17 Kilometer. Wer mit dem Bus fahren will oder muss, ist zusätzlich an die Zeiten gebunden und muss neben rund 19 Minuten Fahrzeit auch rund 11 Minuten Fußweg einkalkulieren. Sprich: Künftig einen Personalausweis zu beantragen, kostet neben den eigentlichen Gebühren für das Dokument auch noch Sprit und Zeit, was mit der bisherigen Regelung zumindest in diesem Fall hatte vermieden werden können. Berücksichtigt man noch den von Kommunalpolitikern bis hin zu Bundespolitikern bemühten demographischen Wandel, erhält das Bedauern des Kirchverser Ortsvorstehers plötzlich ein ganz anderes Gewicht. Allerdings: Nach Auskunft der Gemeindeverwaltung war Kirchvers ohnehin einer der oder überhaupt der letzte Ortsteil, der tatsächlich diesen regulären wöchentlichen Service hatte. Die meisten Einwohner seien vorher schon direkt zur Gemeinde gefahren. Speziell zur Einführung des E‑Personalausweises, der ab 1. November kommt, gibt man sich zurückhaltend. Erst müssten Erfahrungen im praktischen Einsatz gesammelt werden.
Vor diesem Hintergrund erscheint ein zweites Detail aus der jüngsten Zusammenkunft des Ortsbeirats ebenfalls in einem besonderen Licht: In Hessen stehen am 27. März 2011 die Kommunalwahlen an. Und hierfür braucht es Kandidaten, die bereit sind, sich für die Arbeit in den Kommunalparlamenten und Ortsbeiräten wählen zu lassen. In Kirchvers werden dafür sieben Menschen gesucht, die sich vorstellen können, ihren Ort politisch zu vertreten. Bislang sei das Echo eher mager, erklärte Hemberger. Deswegen gehe er verstärkt an die Öffentlichkeit, um Kandidaten für die Aufstellung zu den Kommunalwahlen in Kirchvers zu finden.
Wie die Kandidatensuche übrigens transparent gestaltet werden kann, macht gerade die Piratenpartei in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden mit ihrem Piratenwiki vor.
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