Liebe Mittelhessenblogleser: Nach dem ersten K‑Paukenschlag nun der zweite. Erst verliert Hessen seinen Ministerpräsident, auch wenn der sich in Raten verabschiedet. Nun eben auch der Bundespräsident. Da ist etwas faul im Staate Dänemark. Nur das der Staat Deutschland und nicht Dänemark heißt. Und wir keine Zeitgenossen Shakespeares sind. Vor sechs Jahren setzte Köhler, als er mit Koch die Unternehmensgruppe Schunk in Heuchelheim besuchte, bereits einen Markpunkt.
Köhler kam aus der Finanzwelt. War nicht eingebunden in den täglichen Politikbetrieb. Insofern also ein Unbeleckter, als ihn CDU und FDP als gemeinsamen Kandidaten vor sechs Jahren ins Spiel brachten. Recht schnell schwamm sich der im täglichen Politbetrieb ungeübte frei und verblüffte mit einmischenden Reden. Keine Ruckreden wie bei Roman Herzog, auch keine Aura eines Johannes Rau. Stattdessen der unverstellte Blick eines Präsidenten, der eben näher am Bürger war als an den Politikern. Dass er beliebt war, kein Zweifel. Auch in Mittelhessen hat der ehemalige Chefunterhändler des Maastricht-Vertrags, spätere Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London und danach Geschäftsführende Direktor des Internationalen Währungsfonds IWF in Washington D.C. seine Spuren hinterlassen: Vor sechs Jahren hatte der damals frisch gewählte Präsident gemeinsam mit dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch die Schunk-Gruppe in Heuchelheim besucht. Dort hob Köhler unter anderem hervor, wie wichtig Zuversicht, Optimismus und Know-how für Deutschland seien, dass er das, was die Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg groß gemacht habe, vermisse, dass dies vernachlässigt werde. Dies war, bevor das Wort Krise plötzlich die Runde zu machen begann. Desgleichen hob Köhler immer wieder hervor, wie wichtig Bildung für dieses Land sei. Mit seiner Rede 2009 trat der ehemaliger Banker Köhler der Wirtschaft und der Politik gleichermaßen vors Schienbein. Die aktuelle Entwicklung ist bekannt. Mag sein, dass in diesen sechs Jahren der Präsident, der angetreten war, ein unangenehmer Präsident für die Politik sein zu wollen, erkennen musste, dass es nur mit einer respektablen fachlichen Leistung in einem von Netzwerken und Hausmächten geprägten Politikbetrieb kaum oder nichts zu bewirken gibt. Das stimmt bedenklich: Wo ist in diesem Netzwerk der Platz für den einfachen Bürger? Auch wenn dieser dem Buchstaben nach, mit seinem Wahlrecht den Souverän stellt. Dass dieser Souverän indes nur eine sehr begrenzte Macht hat, wie sein oberster Repräsentant, der Präsident, offenbart sich spätestens mit dem Prozedere der Wahl eines neuen Präsidenten. Nicht das wahlberechtigte Volk ist gefragt, sondern die Bundesversammlung.
HF meint
Ein Lotse steuert ein Schiff in schwierigen Gewässern – wann hat Köhler dies getan?
Christoph von Gallera meint
Lieber HF,
herzlichen Dank für den Kommentar. Er soll nicht unbeantwortet bleiben. Köhler hat sich zumindest als Lotse versucht. Es ist sicherlich einfacher, in das allgemeine „Haut-den-Köhler“ einzustimmen, das gegenwärtig im überwiegenden Teil der Medien zu lesen ist. Es lohnt sich aber, auch einen Blick auf die, zumindest nach außen wahrnehmbare Psyche, zu werfen. Seine Vita bis zum Zeitpunkt seiner Präsidentschaft, zeigt, dass er ein zäher Arbeiter mit sozialer Ader war. Von CDU und FDP war er als Kandidat präsentiert worden, mit der unausgesprochen Hoffnung, dass ein schwarzgelber Präsident im Amt auch einer schwarzgelben Politik wohlwollend gegenüber stehen möge. Die Tatsache, dass er sich einmischte in die Tagespolitik, als oberster Bürger unseres Landes, war indes eine neue Erfahrung eben jener Politik. Genau dies wurde ihm übel genommen und führte letztlich dazu, dass er als Lotse am Ende keinen Erfolg haben konnte.
Tim Lochmüller meint
Der von Bord gehende Lotse ist uns aus der Geschichte in anderem Zusammenhang bekannt:
http://www.google.de/search?q=%22Der+Lotse+geht+von+Bord%22&ie=utf‑8&oe=utf‑8&aq=t&rls=org.mozilla:de:official&client=firefox‑a
Christoph von Gallera meint
In der Tat, das ist richtig. Nur dass es damals der Kanzler war, der ging, weil sein Souverän nicht auf ihn hörte. Nur, wer hörte heute nicht?