KOMMENTAR
Nun haben wir den Salat und Charming Boy Obama ist gerade bei den Deutschen in Verschiss geraten. Weil NSA und CIA frecherweise nicht vorher angeklopft haben und um Erlaubnis gefragt, ob sie wohl mal Einblick in Facebook-Kommentare und Chat-Kommentare haben dürfen. Auch in Deutschland ist man an höchster Stelle verärgert. Nur wenn es andersherum geht, sind Geheimnisse doch geschätzt. Etwa wenn es bei Bauberatungen in Kommunalparlamenten heißt: „Das ist jetzt nichtöffentlich“.
Ja nu: Wie naiv muss man eigentlich sein, anzunehmen, dass Informationen und Gedanken n i c h t abgeschöpft werden? Vom Staat und von denen, die dem Staat wiederum auf die Finger sehen: Engagierte Bürger, mutige Entscheidungsträger etc – und die Medien in der Regel als Plattform für die entrissenen Geheimnisse. Jedenfalls, wenn dem Geheimniskrämer Staat etwas entrissen wird.
Es ist das altbekannte Harun-al-Raschid-Prinzip: Willst Du wissen, was das Volk wirklich denkt, misch Dich unerkannt unters Volk. Am besten als räudiger Bettler. Und außerdem: Geheimniskrämerei gibt es durchaus auch auf der lokalen Ebene. Kommen diese raus, sind diverse Entscheidungsträger „not amused“.
Wir müssen gar nicht soweit gehen: In Gießen sitzt der BND Tür an Tür mit den Landesbehörden. Natürlich nicht offiziell. Dass es aber so ist, hatte das Mittelhessenblog bereits berichtet. Das an und für sich ist weiter kein Drama. Irgendwo muss ja auch der BND und jeder andere der deutschen Geheimdienste neben den bekannten Publikumsadressen auch die echten operativen Dienststellen haben . Nur, wenn sich das ganze mit den per Grundgesetz definierten Aufgaben des Geheimdienste beißt, hat das ganze ein Gschmäckle ‑zumindest mit den Augen eines klassisch denkenden Bürgers einer westlichen Demokratie.
Dem Vernehmen nach ruhen Deutschland und die USA auf solchen Fundamenten. Dass schon die normale Entscheidungsfindung auch in demokratischen Gemeinwesen nicht immer transparent abläuft, kennt man schon von der untersten Kommunalebene. Geht es um Entscheidungen, wer wo wie bauen darf, welcher Investor bei einer Gemeinde Grund und Boden erwerben will, dann wird es in der Regel nicht öffentlich und die Öffentlichkeit wird vor die Tür geschickt? Wieso eigentlich? Es geht doch um Entscheidungen, deren Folgen am Ende die Allgemeinheit so oder so mittragen muss. Plaudert dann jemand über diese nichtöffentlichen Beratungen und gerät doch mal etwas nach draußen, dann ist die Aufregung groß. Besonders dann, wenn die Medien davon Wind bekommen und darüber berichten. Das sind dann „really bad boys“, fallweise „girls“. Eine Ausnahme von dieser Regel gab bzw. gibt es: In der Gemeinde Lohra in Mittelhessen. Im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Aber das ist eine eigene Geschichte wert.
Umgekehrt scheint es aber in Ordnung zu sein, wenn die Hüter über die demokratische Grundordnung und die öffentliche Sicherheit ungefragt sich umfassend darüber informieren wollen, was die Bevölkerung so treibt. Komisch wirds dann, wenn es von jemanden kommt, dem man das so überhaupt gar nicht zugetraut hat. Eben einer präsidialen Lichtgestalt wie Barack Obama. Ob das dann die Tribute der Macht sind? Je höher das Amt, je höher die Last, desto sicherer die Gewissheiit: Egal, was Du machst, irgendeinenm trittst Du damit auf die Füße. Im Zweifelsfall denen, auf die Du im schlimmsten Fall verzichten kannst, wenn es rauskommt? Möglicherweise sind das für Obama ja die Europäer und insbesondere die Deutschen. Runtergebrochen auf die lokale Ebene, muss man sich als gemeiner Bürger fragen, ob man selber vielleicht im Zweifelsfalls derjenige ist, auf den der Staat verzichten will. „Wir kriegen das mit der Demokratie schon hin – notfalls auch ohne den Bürger.“
Nun haben wir es also mit dem Aushorchangriff auf unsere Daten zu tun. Große Aufregung. Nur: Habt Ihr alle schon vergessen: Es gab und gibt so etwas wie Echeleon. Bis 2001 wurde Stein und Bein geschworen: „Nee Jungs, so was machen wir nicht. Das bildet Ihr Euch ein“. Seit der Untersuchung durch das Europäische Parlament ist die Existenz Echelons aber offiziell. Wirklich überraschend ist der jetzt bekannt gewordene Zugriff von NSA und CIA wirklich nicht. Und man kann davon ausgehen, dass die europäischen und deutschen Nachrichtendienste sich im Internetzeitalter gleicher Methoden bedienen. Dient es tatsächlich der Terroristenabwehr, muss man dies wohl akzeptieren. Dient es allerdings der unbegründeten „rein vorsorglichen Überwachung“, dann wird es gefährlich. Und deswegen ist es im Sinne einer klassischen westlichen Demokratie gut, wenn derlei gehütete Geheimnisse ans Tageslicht kommen.
Übrigens, auch die Romanwelt hatte sich dieses Themas aus Internetperspektive schon in „Grauer Vorzeit“ angenommen. Neal Stephenson hatte sich der Sicherheit des individuellen Datenverkehrs und vor dem unbegründeten Kontrollzugriff staatlicher Behörden bereits 1999 gewidmet.
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