Wohin steuert die Welt in den nächsten Jahrzehnten? Wird es noch Weltmächte geben? Wie wirkt sich die Wirtschaftskrise aus? Auf dies und mehr lieferte während des 22. Busecker Forums zu sicherheitspolitischen Fragen Professor Gunther Schmid von der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Berlin und München Antworten. Der Wissenschaftler war auf Einladung der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik (GfW), Sektion Gießen und der Gemeinde Buseck gekommen. Seinen Vortrag in Buseck halte er aber als privater Wissenschaftler, machte Schmid nach der Veranstaltung deutlich.
Schmid zog seine Zuhörer mit einer Fülle an Zahlen und Statistikdaten über Länder wie Russland, Indien, China, Brasilien oder die Rolle des Schiffsverkehrs für den globalen Welthandel direkt in seinen Bann und stellte verschiedene Thesen für die kommenden Jahrzehnte auf. „Kriege wie sie man aus der Vergangenheit kennt, wird es nicht mehr geben. Das können sich hochtechnisierte und hochzivilisierte Länder nicht mehr erlauben“, sagte Schmid. Stattdessen würde der Cyberkrieg, also der Krieg, der sich auf Datenleitungen abspielt, immer mehr an Bedeutung gewinnen, sei in seiner Gefahr aber nicht zu unterschätzen. Dennoch sei es kaum möglich, hier effektiv abzuwehren. Man könne höchstens vorbeugen. Wie er sagt, würde kaum ein Unternehmen von Weltrang zugeben, dass es Probleme mit der Datensicherheit habe. Dennoch sei dies ein offenes Geheimnis.
Mit Blick auf die Wirtschaftskrise stellte Schmid fest, dass diese in der öffentlichen Wahrnehmung immer wieder nur unter dem Aspekt der finanziellen Folgen betrachtet wurden. Seit 2008 seien rund 28000 Artikel und andere Veröffentlichungen erschienen, die sich zu 95 Prozent immer wieder nur mit den finanziellen Folgen befassen würden. Das sei ein Fehler. Kaum jemand frage nach der geopolitischen Folgen der Wirtschaftskrise. Schmid wies ebenso auf Folgen der Piratenangriffe am Golf von Aden hin. Diese würden die Schiffahrt sowohl für die Europäer wie Handelspartner aus China oder Indien verteuern, und zwar mindestens um das Dreifache. „Um auszuweichen, wählen die Reeder dann lieber den Weg um das Kap der Guten Hoffnung. Und das treibt dann natürlich die Kosten in die Höhe. Sowohl in Europa wie im asiatischen Raum“, stellt Schmid fest. Dadurch würde die Globalisierung sowohl langsamer als auch teurer werden.
Schmid kritisierte ebenfalls, dass hierzulande kaum jemand wirklich über die Verhältnisse im asiatischen Raum Bescheid wisse, insbesondere über China. So sagte Schmid, dass China selber sich nie in der Rolle der großen Weltmacht sähe, schon gar nicht wirtschaftlich. Er begründete dies mit dem Missverhältnis zwischen dem Wachstum, das jährlich bei acht Prozent liege und dem jährlichen durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen. Das liege über etwas mehr als 4000 Dollar. Im Gegensatz stünde die Verteilung des Vermögens. 70 Prozent lägen bei 0,4 Prozent der Chinesen. Schmid wies genauso darauf hin, dass China auch in der Sicherheitspolitik eher allein sei, als dass es auf eine große Zahl Verbündeter zählen könne. Das sei eine eigene chinesische Erkenntnis.Er sprach ebenso aber auch ein anderes Phänomen an, weswegen China sich selber gegenwärtig nicht in der Rolle der großen globalen Macht sehe: Eine ranghohe chinesische Persönlichkeit habe ihm dies gesagt, ohne selber zitiert werden zu wollen: „Um die Folgen unser Umweltverschmutzung in den Griff zu kriegen, müssen wir eigentlich zwischen sechs und sieben Prozent dessen ausgeben, was wir erwirtschaften.“ Wieso diese Aussage allerdings so geheimnisvoll gehandelt wird, ist unklar. Denn bereits 2007 hieß es im Innovationsreport, dass sich die Kosten für die Umweltverschmutzung in China mit denen des jährlichen Wirtschaftswachstums die Waage halten, rund 170 Milliarden Euro.
Dass China also demnach eher ein Riese auf zerbrechlichen tönernen Füßen ist, sagte Schmid in Buseck zwar nicht. Er sagte aber, dass China von Indien überholt werden wird und Indien in Asien die führende Macht wird. Dafür spreche auch, dass die indische Gesellschaft wesentlich jünger sei als die chinesische, in der es immer mehr Ältere gebe.
Mit Blick auf die Weltordnung der kommenden Jahrzehnte erklärte Schmid, dass bis 2050 sich eine Weltunordnung mit verschiedenen Regionalmächten entwickle. Zum Führungsanspruch der USA erklärte Schmid, diese würden trotz der eigenen massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht den Anspruch aufgeben, eine Supermacht zu sein. Sie seien allerdings gegenwärtig eher eine reduzierte Supermacht. Bezeichnend für die aktuelle Lage sei auch die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft zwischen Republikanern und Demokraten, diese Kluft werde gegenwärtig immer größer. Europa werde aus Sicht der USA eine immer weniger bedeutende Rolle spielen. Für die Amerikaner sei der asiatisch-pazifische Raum immer interessanter.
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