Leistung soll sich lohnen, ist ein oft gehörter Spruch. Wer aus welchen Gründen auch immer die Schule im ersten Anlauf aber nicht schafft, wird gerne immer noch als Versager abgestempelt oder findet sich in einem Kreislauf von vielfältigen Maßnahmen, die ihn irgendwie aus dieser Statistik heraushalten sollen. Dass es auch anders gehen kann, wollte das Team der Produktionsschule am Abendstern (PaA) im mittelhessischen Heuchelheim beweisen und unterzog sich einem freiwilligen Zertifizierungsverfahren und bekam dafür als bundesweit erste Schule ihrer Art ein Gütesiegel vom Bundesverband der Produktionsschulen. Die PaA ist eine Außenstelle der Theodor-Litt-Schule in Gießen.
Im Video-Interview mit dem Mittelhessenblog erläutert Projektleiter Till Mühlhaus Hintergründe.
Das Kreischen von Feilen hallt durch die Werkstatt und grell leuchten blauweiße Lichtblitze auf: In der Werkstatt der Produktionsschule am Abendstern wird gerade fleißig Hand angelegt: Eine Handvoll Jugendliche ist gerade damit beschäftigt, Pizzaöfen für den bald beginnenden Martinsmarkt in einer „Kleinserie“ herzustellen. Ihr Lehrer Jürg Metz erklärt, dass diese Öfen auf dem Markt ihre Premiere haben und anschließend in einer Kleinserie hergestellt werden. Kein Einzelfall und für den Betrieb der PaA eigentlich völlig normal, dennoch etwas besonderes.
Das Besondere erläutert gerade in einem Unterrichtsraum Projektleiter Till Mühlhaus. Er ist nicht allein. Die Gießener Schuldezernentin und Stadträtin Astrid Eibelshäuser ist gekommen, Folkert Sauer, Leiter des Gießener Schulverwaltungsamtes auch. Das etwas andere ist die Art der Arbeit, die in der Schule geleistet wird, die eine Außenstelle der Theodor-Litt-Schule (TLS) in Gießen ist. Während an der TLS sich aber über 2000 Schüler vom Beruflichen Gymnasium bis hin zu berufsvorbereitenden Schulformen die Klinke in die Hand drücken, besuchen die Außenstelle in Heuchelheim gerade mal rund 40 pro Jahrgang. Rund 200 junge Menschen haben die Schule seit ihrer Gründung 2005 durchlaufen. Erst einige wenige, dann stieg die Zahl auf rund 40 an. Mehr sollen es aber auch nicht werden. Das hat Gründe. Bleibt die Zahl im überschaubaren Rahmen, könnte die Schüler besser auf ihrem Weg zu einem Abschluss begleitet werden. „Ich möchte eigentlich nicht von benachteiligten Jugendlichen sprechen. Das führt in die falsche Richtung“, sagt Mühlhaus.
Impressionen Produktionsschule am Abendstern
In der PaA sollen die jungen Menschen stattdessen über direkt erlebbare und messbare Erfolge zu der Erkenntnis gebracht werden, dass es sich lohnt, für das Erreichen eines Zieles sich anzustrengen, sich zu konzentrieren. „Dann mal eben zu zeigen, wie schön das Vogelhäuschen geworden ist, das als Abschlussarbeit enstanden ist“, sei nicht besonders motivierend, sagt Folkert Sauer. Um einen Weg zu suchen, wie solchen Jugendlichen geholfen werden kann, war deswegen 1999 schon ein Projekt zwischen der Theodor-Litt-Schule in Gießen und der Jugendwerkstatt Gießen entstanden. Damals war die Produktionsschule am Erdkauter Weg entstanden, die allerdings 2003 die Türen schließen musste. 2005 war dann mit Unterstützung des Landkreis Gießen, des Staatlichen Schulamtes sowie der drei Westkreisgemeinden Biebertal, Heuchelheim und Wettenberg die Schule am Abendstern entstanden. Mitten in einem Gewerbegebiet. „Die Schüler sollten schon direkt den Bzeug zur Arbeitswelt erleben“, erläutert Mühlhaus, der das Projket von Beginn an leitet. Am Ende dieses Weges stehe nun vorläufig die Verleihung des neu geschaffenen Qualitätssiegels. Anders als bei den sonst üblichen Schulinspektionen sei die Teilnahme an der Zertifizierung freiwillig gewesen. Zur Teilnahme habe sich das Team der PaA im Oktober 2011 entschieden. „Es gibt noch etwas, das anders ist: Anders als bei den Schulinspektionen kann man bei diesem Test durchfallen. Die Inspektion stellt lediglich einen Zustand fest“, sagt Mühlhaus. Eine Aussage, die die Gießener Schuldezernentin letzlich bestätigt. Wie Eibelshäuser sagt, sei das jetzt neu geschaffene Verfahren vergleichbar den aus der Wirtschaft bekannten Audits und Zertifizierungsverfahren. Im Gegensatz zu diesen Verfahren, die häufig im fünfstelligen Bereich liegen, seien die Kosten von 2500 Euro aber vergleichsweise niedrig, sagte Mühlhaus. Dennoch ein Posten, der der Schule erlassen worden sei, weil sie sich verpflichtet habe, an der wissenschaftlichen Begleitung durch die Leibniz-Universität in Hannover teilzunehmen. Wenn dann in zwei oder drei jahren die erneute Überprüfung anstehe, würden dann aber Kosten entstehen, erklärte Mühlhaus. Für Folkert Sauer ist mit der Verleihung des Siegels ein Signal für andere Träger von Produktionsschulen gesetzt worden, die sich nun wohl ernsthaft überlegen dürften, sich auch zertifizieren zu lassen. Neben der Schule aus Mittelhessen waren auch die Produktionschulen in Hamburg-Bergedorf und auf Wolgast in Usedom ausgezeichnet worden.
Weiterführende Links:
Bundesverband der Produktionsschulen
Produktionsschule am Abendstern
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