Noch ist es nur der Plan. Aber sobald das Wetter mitmacht, soll es eigentlich losgehen. Etwas außerhalb vom eigentlichen Ort soll sie entstehen. Die große Voliere, in der Reiner Becker dann gestrandete Vögel aufnehmen und auf die Wiederauswilderung vorbereiten will. Vom Regierungspräsidium in Gießen habe er schon die Zulassung für die Station, die er jetzt noch direkt bei seiner Wohnung in dem Gebäude und dem angrenzenden Garten einer ehemaligen Bäckerei betreibt.
Seit gut einem Jahr hat nun Becker die Pflege von verletzten Vögeln von Helga Sheppard aus Nonnenroth übernommen. Sheppard steht heute noch auf der bundesweiten Liste Tiernotdienste unter der Rubrik „Auffangstationen für Vögel“. Allerdings nur noch mit Greifvögeln und Eulen. Für alles andere verweist sie inzwischen an Reiner Becker.
Auch auf der Nabuseite des Kreisverbandes Gießen wird darauf dementsprechend hingewiesen. Allerdings wesentlich endgültiger.
Sie sei aus gesundheitlichen Gründen zu dieser ehrenamtlichen Arbeit nicht mehr in der Lage, heißt es dort. Für den Landkreis Gießen gebe es derzeit keine Auffangstation. Nur, diese Information stimmt so nicht. „Das war im Jahr 2013. Da konnte ich wirklich nicht. Aber das hat sich inzwischen wieder geändert. Ich bin allerdings über 80 und deswegen habe ich die Pflege der Singvögel und alles, was nicht Greifvögeln und Eulen zu tun hat, an Herrn Becker abgegeben“ sagt die pensionierte Grundschullehrerin. Sie habe seinerzeit in den 70er Jahren damit begonnen, weil die Kinder immer wieder mit Vögeln und Fledermäusen kamen. Teilweise habe sie wegen der Tiere in der ganzen Republik telefoniert, um zu wissen, wie sie mit ihnen umgehen solle. „Es gab Jahre, da waren jährlich 200 Vögel, um die ich mich gekümmert habe. Mit der Zeit wurden es immer weniger Vögel, die abgegeben wurden.“ Shephard erklärt sich dies mit dem gestiegenen Druck auf die Vögel durch die Landwirtschaft und durch Vogelfang südlich des Alpenriegels.
Aktuell sind bei Reiner Becker, der jetzt in einem ersten Durchgang rund 100 Vögel pflegte, rund 9 Tiere. Zwei Kernbeißer, einer davon aus der Nähe von Hattersheim, Rngeltauben, Amseln, eine Rabenkrähe – die allesamt auf ihre Wiederauswilderung warten. „Die sind alle knapp ein Jahr alt“, sagt Becker. Der Mittfünfziger war in einem früheren Leben Eisenbahner. Nur der Dienst hat seinen gesundheitlichen Tribut gefordert. Weswegen er seiner Arbeit nicht mehr nachgehen kann. Da er Helga Shephard schon früher geholfen hatte, lag nun nahe, die Zeit sinnvoll zu nutzen.
So entstand im Laufe dieses zurückliegenden Jahres in Bellersheim, das wie Nonnenroth zu Hungen gehört, der südöstlichsten Gemeinde im Landkreis Gießen, ein zweiter Stützpunkt für in Not geratene Wildvögel. Der Einzugsbereich? „Hattersheim und eben alles so im weiteren Umkreis von uns“ sagt Becker. Wieso die Vögel gebracht werden? Aus den unterschiedlichsten Gründen. Weil sie von ihren Eltern verstoßen wurden, bei einer Kollision mit dem Auto den kürzeren zogen. Oder eben weil Begegnungen zwischen Katzen und Vögel so ablaufen, wie sie in der Regel zwischen Katze und Vogel ablaufen, wenn bei der Katze noch der Jagdtrieb funktioniert und der anvisierte Vogel es nicht schafft, sich in Sicherheit zu bringen.
Was sollte man eigentlich machen, wenn man plötzlich einen offensichtlich verletzten Vogel hat, noch dazu von einer Katze gebissen? „Auf jeden Fall erst einmal zum Tierarzt, der Antibiotika geben kann, wenn das Tier von der Katze gebissen worden. Selbst wenn es nur ein leichter Biss sei – „das Katzenmaul ist so bakteriell verseucht, dass der Vogel nach zwei, drei Tagen ohne Behandlung daran sterben kann“, sagt Becker.
In gleicher Weise riet das auch FB-Nutzer Tim Timmsen im Zuge einer einschlägigen Diskussion auf dem FB-Profil des Mittelhessenblog-Herausgebers: „Ohne jetzt alle Kommentare gelesen zu haben: (1) Vögel, die von Katzen angeschleppt werden, brauchen im Regelfall schnellsten Antibiotika. Bisswunden sind nicht immer zu erkennen. Da damit böse Bakterien in den Vogelkörper eindringen kann er sich vielleicht berappeln und wegfliegen, wird aber wenige Tage danach sterben. (2) Bei Anprall an Scheiben ist das meist ein Anflugtrauma/Gehirnerschütterung. Vogel dunkel, luftig und ruhig setzen. Futter und Wasser braucht man nicht anbieten bis zu einem Tag lang. Meisten berappeln die sich in der Zeit und können wieder raus. – Außerdem: Es gibt genug Tierärzte, die Wildtiere kostenlos behandeln oder entscheiden können, ob das Tier überhaupt noch eine Chance mit vertretbarem Aufwand hat. Mit Vögeln sollte ein vogelkundiger Tierarzt aufgesucht werden, da z. B. bestimmte Medikamente anders dosiert sein müssen etc. In Gießen empfiehlt sich da die Vogelklinik der Uni.“ Bei Reiner Becker direkt nebenan kümmert sich Dr. Katja Trinkaus als Kleintierärztin um Vögel.
Seit kurzem hat Reiner Becker für die „Wildvogelauffang- und Pflegestation“ auch eine gleichnamige Seite bei Facebook laufen. Er hoffe insgesamt auf Unterstützung, auch darauf, dass Menschen, die verletzte Vögel mitbringen, auch an eine Futterspende denken.
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