Staubwolken, die über Feldern aufsteigen und Sonnenstrahlen bizarre Schattenspiele veranstalten lassen: Die sieben Männer, die gerade auf einem Acker bei Kinzenbach im Landkreis Gießen stehen, haben dafür keinen Blick- sondern eher dafür, ob sich etwas in dem Feld tut, das sie umstellt haben. Zwischen ihnen zieht gerade ein Mähdrescher seine Runden. Er wirbelt den Staub auf. Er könnte aber noch etwas anderes aufwirbeln: Wildschweine.
„Die Wildschweine kommen ja erst nachts raus und tagsüber verstecken sie sich in den Äckern“, erklärt Karl Schlierbach das Aufgebot. Denn das Männer mit Signalwesten um einen Mändrescher herumstehen, dann und wann die Position wechseln, ist nicht unbedingt ein alltägliches Bild. Aber, so sagt Schlierbach, in den großen Schlägen Mitteldeutschlands, dort wo aus ehemaligen LPG-Flächen inzwischen im Vergleich zu den Äckern in Mittelhessen riesige Flächen entstanden sind, dort würden sich die Wildschweine mit bis zu vier Rotten in einem Acker verstecken. [Redaktioneller Hinweis für jüngere und nicht DDR-erfahrene Leser: LPG ist die Abkürzung für Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, eine Bewirtschaftungsform, mit der in der DDR ehemals private Landwirte in staatlichen Bewirtschaftungsformen arbeiteten, in der Regel nach staatlichem Druck) Eine Rotte habe dabei bis zu acht oder zehn Tiere. „Soweit sind wir hier noch nicht“, sagt Schlierbach, der aus der Nachbargemeinde Lahnau aus dem Ortsteil Atzbach kommt.
Keine Berliner Verhältnisse
„Hier geht es in erster Linie ja nicht darum eine Strecke zu erlegen, sondern darum, dem Bauern zu helfen“ sagt Schlierbach. „Zum Glück haben wir hier in Hessen noch keine Berliner Verhältnisse sagt der Jäger und meint damit nicht die Flughafenpolitik oder S‑Bahn-Probleme, die mit dem Blick nach Kassel-Calden oder wegen Personalproblemen bei der Bahn auftauchender Verbindungsprobleme vielleicht gemeint sein könnten. Er spricht damit das Phänomen an, dass Berliner sich die Wildschweine inzwischen angefüttert hätten – in dem manche Brot für die Frischlinge bereit halten. Das wüssten die Wildschweine und hätten sich darauf eingestellt. Bleibt das Futter aus, werden die Wildschweine rabiat. Obwohl derlei Verhalten aus Mittelhessen noch nicht bekannt ist, rücken die Wildschweine den Mittelhessen inzwischen auch auf die Pelle. Stellenweise mit Verwüstungsspuren, die bis in Wohnzimmer geführt hatten.
Heißes Erntewochenende
Dass die Getreide gegenwärtig auf vollen Touren läuft, während sie an anderen Orten in Mittelhessen teilweise schon viel weiter vorangeschritten ist, erklärt Schlierbach mit den unterschiedlchen Witterungslagen. Ein aktueller Blick in die Landschaft gibt dem Atzbacher recht: Außer im Gießener Westkreis steht etwa im Südkreis marurg-Biedenkopf das Getreide noch auf den Feldern. Ein Grund dürften allerdings die Regenfälle der vergangenen Tage sein, die die Hitze- und Trockenperiode zunächst beendet haben. Wie sieht es für die kommenden Tage aus. Der ganz Europa überblickende Unwetterwarndienst Meteoalarm meldet für die hessischen Nachbarländer Nordrhein-Westfalen, Saarland und Rheinland-Pfalz von Westen heranziehende Gewitter. Die Unwetterzentrale spricht zumindest für das Wochenende von trockenen Tagen in unserer Region, während mit Wochenanfang das Wetter zumindest bis zur Wochenmitte unbeständiger, sprich feuchter, werden soll. Trotz gesunkener Temperaturen dürfte Getreidebauern und Lohndreschern also ein heißes Wochenende bevorstehen.
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