An ihm spalten sich die Geister und arbeitet sich schon seit Monaten die Tatort-Fangemeinde ab. Til Schweiger. Das Medienportal Meedia spricht am Montag nach der Ausstrahlung Schweigers Einstand davon, dass der Schweiger-Tatort in seiner Reichweite den 20-Jahres-Rekord geholt habe. Zudem war es nach Meedia ebenfalls der Tatort mit den bisher höchsten Produktionskosten.
Der im Dezember 49 Jahre alt gewordene Schauspieler hat seine Jugendzeit in Gießen verbracht, war Schüler der Herderschule, seine Eltern unterrichteten als Lehrer. Dass Schweiger also auch hier im mittelhessischen Kernland mit besonderen Augen betrachtet wird, liegt in der Natur der Sache, vor- und nach der Tatortausstrahlung besonders, da der Tatort ja für viele Fernseherzuschauer nachwievor eine Institution am Sonntagabend darstellt.
Was ein Schauspieler können sollte
Um das Phänomen Schweiger zu verstehen, taugt vielleicht eine Definition des Dramatikers Eric Bentley über die Arbeit des Schauspielers: „A verkörpert B während C zuschaut“. Auf der Suche nach einer griffigen Definition dessen, was einen Schauspieler ausmacht, was er können soll, weisen die diversen Nachschlagewerke, gleich ob klassisch gedruckt oder online, immer wieder auf dieses Kernverständnis hin: „Die Schauspielerei ist daher oft mit hohen mentalen, intellektuellen und körperlichen Anforderungen verbunden. Wichtig ist die Fähigkeit, die eigene mentale und emotionale Verfassung zu beherrschen, um eventuell abweichende Charakterzüge, Gemütslagen und Stimmungen der Rollenfigur zum Ausdruck zu bringen.
Zudem muss sich der Schauspieler die sprachlichen, stimmlichen und körperlichen Ausdrucksmittel der Rolle so zu eigen machen, dass die eigenen „natürlichen“ Ausdrucksmittel dahinter zurücktreten“. Dieses Zitat stammt aus der Wikipedia, kennzeichnet aber auch die Standpunkte, die in den Klassikern wie Brockhaus oder der Encyclopedia Britannica vertreten werden.
Legt man diese Messlatte an Til Schweiger an, wird es schwierig. Schweiger gehört sicherlich zu dem Typ Schauspieler, der nicht wirklich „Schau spielt“, sondern vor allem sich selbst spielt. Ähnliches wurde Sean Connery nachgesagt, ebenfalls Götz George, der noch dazu mit dem Vergleich mit seinem Vater Heinrich George zu kämpfen hatte.
Dass Götz George inzwischen ein längst etablierter und für sein Lebenswerk ausgezeichneter Schauspieler ist, dürfte unbestritten ist. Holzschnittartige Egospielerei ebenso Fehlanzeige. Unbestritten dürfte auch sein, dass George als Horst Schimanski dem Tatort 1981 einen neuen Aspekt verpasste, weg aus den Schicki-Micki-Wohnungen mit innenarchitekturpreisverdächtiger Atmosphäre dorthin, wo es brodelt und stinkt, mitten in eine Region im Umbruch. In den Ruhrpott. Das war vor bald 30 Jahren.
Wie heute Schweiger hatte auch damals George an der neuen Figur, die er darstellen sollte, gefeilt, eigene Ideen einfließen lassen. Nur: Schimanski war in der ersten Folge damals zwar schon kernig, hatte aber durchaus menschliche Züge. Bei Schweiger geraten diese menschlichen Züge zu einer Art Nouvelle Cuisine des Films, sehr sparsam eingesetzt.
Schweiger, der neue Schimanski?
Til Schweiger wird also als der neue Schimanski gehandelt. Seine Fans loben, dass er frischen Wind in die ehrwürdige ARD-Ikone bringe, den Tatort auf internationales Action-Film-Niveau a la Hollywood hebe. Nur offen gefragt: Das Spiel des undercover ermittelnden Schweiger-Vorgänger Mehmet Curtulus als Cenk Batu hatte ebenfalls Action-Elemente, die allerdings gepaart mit mehr Tiefgang und nachdenklicheren, menschlicheren Zügen. Schweigers Arbeit mag technisch gut sein, was die buchstäblichen Knalleffekte betrifft. Ob der Tatort es allerdings nötig hat, an Hollywood-Klischees angebiedert zu werden einschließlich der aus billigen US-Produktionen bekannten Gefühlsduselei, das mag jeder selbst beurteilen.
Gießen war ihm zu klein
Schweiger hat sicherlich im Rahmen seiner Arbeit mit den Jahren Kassenerfolge und Kinokracher produziert. Er hat sicherlich eine Reihe von Preisen gewonnen. Die Frage ist nur, ob Schweiger in der Zwischenzeit eine Änderung durchgemacht hat oder ob er heute wieder dort angeknüpft, an die Zeit seiner mittelhessische Jugendheimat und die Anfangsgründe seiner späteren Schauspielerkarriere.
Bekannte, die ihn damals erlebt haben, berichten, Gießen sei ihm damals schon zu klein gewesen, ein gewisses großspuriges Auftreten wird ihm bescheinigt, auch, dass er mindestens in einem Fall bis heute „Zwo Mark Achtzig“ schuldig geblieben sei. Wegen seiner Attitüden habe er es schwer gehabt, in der Gießener Jugend- und Studentenszene anzukommen. In Gießen hatte Schweiger während seines später abgebrochenen Medizinstudiums als Aushilfe unter anderem im Ulenspiegel gearbeitet.
Jugendsünden begeht sicherlich jeder – sie erscheinen nur in einem anderen Licht, wenn sich diese Sünden in einer größeren Dimension wiederholen. Und das wirft Frederic Jaeger auf critic.de vor. Danach habe Schweiger sowohl die Pressefreiheit untergraben wie auch dafür die Rückendeckung fördernder Filmfonds bei der Herstellung seines Films Schutzengel erhalten. Schweiger hatte rund drei Millionen Euro Fördergelder erhalten.
Ebenso fragwürdig ist Schweigers Eintreten für Internetpranger wie er dies bei Markus Lanz seinerzeit getan hatte.
Die Frage ist, ob Schweiger für einen Tatortkommissar wirklich die richtige Besetzung ist. Oder aber die verantwortlichen Programmplaner und Redaktionsleiter müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie sich dem Quotendruck beugen und massenkompatibles Popcornkino in den Tatort holen wollen. Spannung kann man auch anders erzeugen. Mit mehr Tiefgang, mehr echtem Wortwitz. Mit Axel Prahl und Jan Josef Liefers etwa. Aber die liefern ja schon. Oder Uwe Kockisch.
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