Manche Region hat es wohl schwer zu entstehen. Auch noch nach dreißig Jahren. 2011 war das Jahr, in dem das Regierungspräsidium Gießen sein 30-jähriges Bestehen feierte. Eigentlich ein guter Zeitpunkt, Nägel mit Köpfen zu machen und der Region zwischen Lahn und Lauter, zwischen Rothaargebirge, Westerwald und Vogelsberg auch offiziell den Namen zu geben, wie er eigentlich schon in vielen Begriffen und Zusammenhängen gebraucht wird. Doch daraus wird erst mal nichts. Ebenso wenig wie Anfang 2012 die Chance vertan wurde, mit der Neugestaltung der hessischen Straßenbauverwaltung, Mittelhessen zu stärken. Aus der Verwaltung wurde HessenMobil. Mittelhessen kommt darin nicht vor.
Im Juni 2010 hatte das Mittelhessenblog kurz beschrieben, welchen Mittelhessenbegriff das MHB verwendet und was ansonsten unter Mittelhessen verstanden und gesehen wird. Das geschah vollkommen unabhängig von den gleichzeitig laufenden Überlegungen der „offiziellen“ Mittelhessen hinsichtlich des 2011 anstehenden Jubiläums des Regierungspräsidiums und damit der geopolitischen Region, die dahinter steht, immerhin fünf Landkreise mit einer West-Ost-Ausdehnung von rund 150 Kilometern und einer Nord-Süd-Ausdehnung von rund 76 Kilometern. Mittendrin zwei Unistädte, eine Fachhochschule, diverse so genannten Hidden Champions, jeweils Weltmarktführer in ihren Branchen, diverse auch überregional bedeutsame Fachverbände und kulturelle Einrichtungen (Optik, Logistik, Mathematikum, um nur einige zu nennen. Das Ganze eingebettet in eine überwiegend ländliche Gegend. Mit Gießen als Sitz der Mittlerbehörde zwischen der Landeshauptstadt und den Menschen in den fünf Landkreisen Gießen, Lahn-Dill, Limburg-Weilburg, Marburg-Biedenkopf und Vogelsberg.
Einen Grund, wieso Mittelhessen deswegen auch geopolitisch offiziell Mittelhessen heißen sollte, nannte der ehemalige RP Wilfried Schmied: Auch der Regionalplan für Mittelhessen komme vom RP, das RP sei letztlich in vielen Dingen der erste Ansprechpartner in der Region. Also für diese Region, wie sie eben beschrieben wurde. Wortwörtlich wird der Vorgänger des jetzigen Regierungspräsidenten Dr. Lars Witteck auf der Seite der Region Mittelhessen zitiert. Von Witteck kam dann auch 2010 der Impuls, einen Antrag zu stellen und den Namen zu ändern. Doch das wurde vom Innnenministerium abgelehnt. Im Jahr 2010. Im Dezember.
Im gleichen Jahr wurde auch Volker Bouffier hessischer Ministerpräsident. Am 31. August 2010. Sein Nachfolger im Amt als Innenminister wurde Boris Rhein. Rhein ist Frankfurter. Schmied ist wie Witteck und Bouffier mittelhessisches Urgestein. Das verbindende Element ist die gleiche Partei. Die CDU.
Die offizielle Reaktion im Regierungspräsidium Mittelhessen, ähm „Gießen“, war auf Nachfrage seinerzeit zurückhaltend. Zwischen den Zeilen war allerdings unausgesprochen zu spüren, das allesamt „not amused“ über die Reaktion des Innenminsteriums waren.
Fragt sich nun, wieso unter einem mittelhessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier ein frankfurterischer Innenminister Boris Rhein es schafft, durchzusetzen, dass aus der Namensänderungs nix wird. Von Einheitlichkeit ist die Rede. Nun gut. Regional gesehen wäre eine gewisse Einheitlichkeit auch nicht schlecht. Schließlich wurde in entsprechenden Reden anlässlich Vorstellung und Einweihung von Clustern (Medzin, Biotechnnologie) immer wieder darauf hingewiesen, dass Mittelhessen in Wiesbaden auf der landespolitischen Bühne ganz vorne mitspielt. Gleichzeitig wurde in der Region selber immer wieder gesagt: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht von Norden und Süden her in die Zange genommen werden“. Norden, damit ist der Großraum Kassel gemeint. Süden der Bereich des RP Darmstadt.
Eigentlich hätte man denken können, dass mit der Umgestaltung einer weiteren Landesbehörde nun hier vielleicht die Chance genutzt würde, den Mittelhessenbegriff zu stärken. Doch Pustekuchen: Westhessen, Nordhessen, Osthessen und Südhessen gibt es und Rhein-Main. Welchen Gesetzmäßigkeiten die Logik des neuen HessenMobil folgt, dass danach Gießen und der Vogelsberg der westlichste Teil des so geschaffenen Osthessens sind oder wieso Marburg-Biedenkopf plötzlich der nördlichste Teil Westhessens, das ist schwer zu erkennen. Von Schaffung von Synergien war die Rede gewesen. Nur, wäre es nicht sinnvoller gewesen, diesen ganzen Bereich der fünf Landkreise zumindest in der Straßenbauverwaltung auf einen Nenner mit dem RP-Gebiet zu bringen? Wobei man eines bedenken muss: Das Verkehrsministerium ist in FDP-Hand. Mal sehen, welche Chancen die Landtagswahl 2013 bringt. Möglicherweise dreht dann das Rad. Schwierig wird es, wenn die SPD sich durchsetzt. Denn eigentlich werden die politischen Beamten-Positionen, und genau darum handelt es sich beim RP, nach einem Regierungswechsel ebenfalls ausgetauscht. Und es ist die Frage, wie sich ein solcher Wechsel auswirkt. Der hessische SPD-Spitzenmann Thorsten Schäfer-Gümbel ist zwar auch ein in der Wolle gewaschener Mittelhesse – wie Bouffier. Wie allerdings das Mittelhessen-Spiel mit welchen Spielern weitergeht, für mehr gemeinsames Mittelhessen oder doch eher wieder Zersplitterung? Es wird möglicherweise spannend.
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