„Gnade für niemand- Freispruch für alle“: So hieß das erste Soloprogramm des leider viel zu früh verstorbenen Kabarettisten Matthias Beltz. Beltz war ein echter Mittelhesse: In Wohnfeld geboren, in Gießen zu Schule gegangen und dort das Abitur gemacht und später als Jurastudent in Marburg. Im März 2002 beendete ein Herzinfarkt das Leben des politischen Kabarettisten. Am 27. März um genau zu sein. Das ist zehn Jahre her. Würde er noch leben, würde er am 31. Januar seinen 67. Geburtstag feiern und vermutlich schon längst die passenden Worte zur Rente mit 67 Jahren gefunden haben. Aber noch mehr zu gerade frisch entstandenen Berliner „SchauWuDe“, wechselnde Aufführungen in den Hauptstadtstudios von ARD und ZDF und am Sitz des Bundespräsidenten.
Das aktuelle Polittheater, das derzeit in Berlin stattfindet, würde Beltz aber mit Sicherheit ebenfalls genug Stoff liefern. Warum. Die leider nicht ordentlich gekennzeichnete Sondersendung der SchauWuDe aus Berlin steht dafür.
Fast muss man sich fragen, ob sich die hauptberuflichen Politiker und die politischen Journalisten in den Hauptstadtstudios der öffentlich-rechtlichen Sender zusammengetan haben, um die Winterpause bedingt klaffende Lücke im wöchentliche Satireprogramm zu schließen. Neues aus der Anstalt, Pelzig oder die Wehlkes Heuteshow fehlen genauso wie die talkmasternden Quasselrunden der Plasbergs, Maischbergers oder Illners. Schweigen im Lande. Winterloch. Das muss natürlich gefüllt werden. Die FDP hatten wir schon. Nachdem sich Christian Lindner rechtzeitig aus dem Staub gemacht hat, sein Nachfolger Döring lediglich einen läppschen Vorfall mit einem Bußgeldbescheid von 1500 Euro vorzuweisen hat und von Karl-Theodor zu Guttenberg gegenwärtig auch nicht viel zu erwarten ist (das mit dem Comeback hat ja nicht so richtig geklappt), musste also etwas anderes her, um die mageren Schlagzeilen mit Inhalt zu füllen.
Was kann man da also nehmen: Der Eurofighter-Deal mit den Indern? Nicht wirklich spannend. Außerdem könnte es vielleicht geschickt eingefädelte Wirtschaftsdeals hinter den Kulissen stören. Die Euro-Krise? Bloß nicht dran rühren. Derzeit kann man ja froh sein, dass Ruhe an der Front ist. Außerdem stand ja Weihnachten vor der Tür, der Jahreswechsel und los ist ja nicht wirklich viel. Außer den wilden verwegenen Reitern Uli und Andrea in den Lüften. Was bliebe noch? Ach ja:Christian Wulff, Bundespräsident. Insgeheim war er ja sowie nicht der Präsident der Herzen. Das ist ja jemand anders. Nicht Peter Sodann. Sondern Joachim Gauck.
Die Kreditaffäre ist insofern also das gefundene Fressen, um mit viel Donnergetöse nun für Schlagzeilen zu sorgen. Darf der denn das, unsereins darf das doch auch nicht. Als Bundespräsident hat er eine Lichtgestalt zu sein – gefälligst. Immerhin stellt er ja Deutschland dar. Oder anders ausgedrückt: Dieter Bohlen sucht zwar mit entsprechend flapsigen Sprüchen alle Jahre wieder den Superstar für Deutschland. Der wahre und echte Superstar sitzt aber in Schloß Bellevue. Übrigens Bellevue: Übersetzt heißt das Schöner Blick, Schöne Aussicht. Wieso der Bundespräsident der Superstar ist: Ein Blick ins Grundgesetz erklärt, wieso der Bundespräsident kraft Amt die Lichtgestalt des offiziellen politischen Deutschland sein soll. In diese Aufgabenbeschreibung passt sowas wie eine Kreditaffäre und der Versuch, die Berichterstattung in irgendeiner Weise zu beeinflussen, überhaupt nicht. Also auf ihn mit Gebrüll.
Der so getriebene tritt nun die Fluch nach vorne an und erklärt sich in einem Interview mit Ulrich Deppendorff (ARD) und Bettina Schausten (ZDF). Darin bekräftigt er aber noch einmal seine Position, seine Auffassung, dass er ein Opfer geworden ist und im Grunde ja auch nur ein Mensch. Im Grunde also eine Wiederholung all dessen, was schon bekannt ist. Bettina Schausten, Leiterin des ZDF-Hauptstadtstudios, lässt sich aber nicht lumpen. Sie bezahle Freunden fürs Übernachten 150 Euro, so die Journalistin, als sie Wulff fragt, warum er das nicht mache. „Machen Sie das mit Ihren Freunden so“ fragt Wulff zurück. Schausten antwortet mit „Ja“. Wenn man so will ein Punktsieg für Wulff. Insgesamt eine Vorführung, die jede Satiresendung ersetzt. Wenn man so will: Der Steuer- und GEZ-Gebürenzahler bekam etwas fürs sauer verdiente Geld geboten – allerdings in uerwarteter Umgebung und mit unerwarteten Satireakteuren.
Marc (Literaturasyl) meint
Interessant, dass sich ein freies Medium so dazu äußert. Ich für meinen Teil bestehe darauf, dass Einflußnahme auf Medien vom Staatsüberhaupt so gar nicht geht. Er sollte unsere Verfassung behüten und beschützen, aber so gar nicht anfangen sie zu beugen.
schöne Grüsse aus Marburg
Marc
ps. es ist doof, wenn man den Captcha falsch eingibt und dann nochmal alles Tippen darf…
Christoph von Gallera meint
Lieber Marc, danke für Kommentar und Anmerkung. Der Captcha-Code furnktioniert ja genau nach diesem System: Wer einen Fehler macht, kann diesen korrigieren. Ein Spammer wird das in aller Regel nicht tun. Und auf diese Weise kann man sicherstellen, dass nur echte Menschen und solche, die tatsächlich eine Nachricht hinterlassen wollen, dies auch tun.
Was Wulff betrifft: Das pikante an der Angelegenheit: Dass der höchste Repräsentant des Staates, in diesem Falle sogar selber Jurist, es mit unserer Verfassung nicht so genau nimmt. Oder zu nehmen scheint. Ein Fall für den Verfassungsschutz? Vielleicht sollte der VS mal den Bundespräsidenten beobachten? Wegen potentiell verfassungsgefährdenden Verhaltens?
In dem Sinne: Ich wünsche einen guten Abend 🙂