INDECT: Der Name schwirrt derzeit durch die Internetdebatten wie ein Schreckgespenst um die Köpfe verschreckter britischer Schloßbesucher. Aber im Ernst: Der Weg zur Beherrschung der Massen, dem staatlich sanktionierten Feldzug gegen private Individualität, schließlich der mit Sicherheitsargumenten begründeten Überwachung öffentlicher Räume, dieser Weg war abzusehen. Er wurde quasi langsam vorbereitet. Durch stillschweigende Gewöhnung in der Gesellschaft. Die Aufregung über die polnischen Pläne zur Überwachung der EM-Fans sind dennoch berechtigt.
Die 11 Millionen Euro, die EU-Kommission für die Erforschung des Rundum-Überwachungssystem Indect Im Atem der Geschichte war es gerade eben: „Wollt Ihr den totalen Krieg“ rief Reichspropaganda-Minister Joseph Goebbels 1943 den Massen im Berliner Sportpalast zu. Das ist jetzt gerade einmal 68 Jahre her. Wer Großeltern oder Urgroßeltern hat, die alt genug sind, kann sie ja gerne nach ihrem Eindruck befragen. Ob alle gewarnt haben oder die meisten die Rede über den Volksempfänger gehört haben, wenn sie sie gehört haben. Die Rede diente der Mobilisierung der Massen nach der verlorenen Schlacht um Stalingrad. Ganz im Sinne eines „Auf zum letzten Gefecht“. Wenige Jahre später sollte der Brite George Orwell seinen Roman 1984 schreiben, dem Beispiel in der modernen Literatur über einen allumfassenden und jede Individualität unterdrückenden Überwachungsstaat. Knapp 50 Jahre später soll dann der Siegeszug einer Fernseh-Show beginnen, die ihren Namen von Orwells Roman ableiten soll. Vom „Big Brother“, der die Menschen in seiner großen Güte und Weisheit zu ihrem Wohl überwacht – wie er ihnen suggeriert.
Im Kino wird der Gedanke des wohlmeinenden alles ordnenden Gedankenüberwachers auch aufgegriffen und einschließlich seiner modernen Gesellschaft kräftig durch den Kakao gezogen: Die Rede ist von „Demolition Man“ mit Sylvester Stallone und Wesley Snipes als den beiden Antigonen, die jeder für sich sich im Grunde nach den „guten, alten 80-ern“ des 20. Jahrhunderts zurücksehnen – weil dort noch nicht alles perfekt ist, auch nicht die Überwachung, dafür alles aber menschlicher – auf der Seite der Ganoven genauso wie auf der Seite der guten, der Gesetzestreuen. Auch dieser Film entstand wie das Fernsehformat Big Brother in den 90-ern.
Worum es im einzelnen geht, erklärt diese Sendung auf Drei-Sat:
Kultur sei immer der Spiegel des jeweils herrschenden Zeitgeistes, lautet ein Bon-Mots unter Geistes- und Kulturwissenschaftlern. Die angeführten Beispiele belegen dies. Der Schweizer Regisseur Leopold Huber findet dafür in einem aktuellen Interview auf thurgaukultur ch eine ebenfalls treffende Formulierung: „Jede Zeit hat ihren Teufel“
Der Teufel unserer Zeit heißt demnach Angst um die Daten, um persönliche Daten. Speziell dem Indect-Projekt wird nun vorgeworfen, der Mensch verkomme endgültig zum reinen Objekt. Denn die Indect-Algorithmen würden anhand der Datenlage selbständig entscheiden, ob ein Mensch nun in den Automatismus des Verfolgungsapparats der Sicherheitsbehörden geraten. Das ist neben der umfassenden Datenspeicherung im Grunde der eigentliche Skandal: Dass der Mensch mehr oder minder freiwillig dessen beraubt wird, was ihn ausmacht: Das Recht auf die Freiheit des selbstbestimmten Handelns. Einweiterere Skandal: Die stillschweigende Hinnahme, dass jeder Mensch erst einmal zum Verdächtigen wird, bis, wenn er Glück hat, am Ende feststeht, dass er doch nicht verdächtig ist. Nur, entscheiden das dann auch blutleere Algorithmen oder Menschen aus Fleisch und Blut?
Roger Burk meint
Sehr gut! Danke!