Die mittelhessische Region gilt als die Region Deutschlands mit der höchsten Studentendichte. Nach der Einschätzung des Uni- und Karrierportals stellenboerse.de gilt Gießen mit seinen Studienschwerpunkten in der Medizin, Agrarwissenschaften und den Naturwissenschaften als eine der wichtigsten deutschen Hochschulstädte. Die Studentendichte ist deutschlandweit die höchste. Die aktuellen hessischen Pläne allein 34 Millionen Euro im Hochschulwesen einzusparen, von der Regierung als Hochschulpakt bezeichnet, haben nun den Protest der Präsidenten der Fachhochschule Gießen-Friedberg und der Justus-Liebig-Universität Gießen hervorgerufen. In einem offenen Brief wenden sie sich an die hessische Landesregierung. Mit ihrem Protest stehen sie nicht allein. Am 1. Mai wollen auch Schüler und Studenten auf die Straße gehen, denn weitere 41 Millionen Euro sollen bei den Schulen eingespart werden.
Hessens Ministerpräsident Roland Koch muss sich an seinen Worten messen lassen: 1999 hatte er als Wahlkämpfer versprochen, Hessen zum Bildungsland Nr 1 in Deutschland werden zu lassen. Heute, 11 Jahre später schmückt genau dieser Spruch eine Internetseite der hessischen CDU-Landtagsfraktion, die bezeichnenderweise im Internet auch mit der Adresse „http://www.bildungsland-nr1-hessen.de/“ zu finden ist. Mit dem aktuellen Tagesdatum vom 28. April 2010 informiert die CDU-Fraktion dort darüber, was in Hessen alles unter der CDU als regierungsverantwortlicher Partei für schulische und Hochschulbildung getan wurde. Unbestritten ist, dass sicherlich Geld in bauliche Projekte investiert wurde. Aber wie sieht es mit denen aus, die in einschlägigen Grußworten als das einzige Kapital Deutschlands bezeichnet werden, weil es arm an Rohstoffen, dafür reich an intellektueller Leistungskraft ist: Schüler und Studenten. Angesichts der notorisch knappen Kassen wird nach der Operation „Sichere Zukunft“, die zu einschneidenden Veränderungen führte und vom politischen Gegner als „Operation düstere Zukunft“ bezeichnet wurde, nun in der hessischen Bildungspolitik wohl der Rotstift angesetzt. 75 Millionen Euro will das Land an Hochschulen und Schulen einsparen, 34 Millionen allein an den Hochschulen. In einem Interview mit der ebenfalls vom 28. April 2010 verteidigt die jetzige Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann , auf der Seite der CDU-Landtagsfraktion noch als hochschulpolitische Sprecherin ihrer Fraktion geführt, die Sparmaßnahmen als „fair“ und fragt warum zum Beispiel die Uni Frankfurt von 28 Millionen Euro 15 Millionen Euro noch nicht investiert habe. Gleichzeitig fordert sie im gleichen Interview, dass Studiengänge, die nur wenige Studierende haben, nicht länger hinnehmbar seien. Ebenso verteidigt sie die Förderung der privaten European Businesss School, weil dort die Juristen ausgebildet würden, die gerade im Rhein-Main-Gebiet dringend gebraucht würden.
Die Pläne der hessischen CDU-FDP-Regierung, offiziell als Hochschulpakt bezeichnet, der am 11. Mai unterscnrieben werden soll, haben nun den Protest der mittelhessischen Universitäts- und Fachhochschulpräsidenten hervorgerufen. In einem offenen Brief, der im Mittelhessenblog als Pressemitteilung Nr 2 auf der Seite „Zugesandte Pressemitteilungen“ veröffentlicht ist, wenden sich Prof. Dr. Joybrato Mukherjee, Präsident der Justus-Liebig-Universität, und Prof.Dr. Günther Grabatin gegen die beabsichtigten Sparpläne. Sie befürchten, dass „Einschnitte in die Grundfinanzierung“ Gießen als Forschungs- und Lehrstandort gefährden, insgesamt die Qualität des Studiums darunter leiden könnte.
Zu vergleichbaren Protesten war es bereits früher gekommen, allerdings in den Geisteswissenschaften. Im Zuge einer Hochschulreform wurden die Zentren für Osteuropaforschung an den Standorten Marburg und Gießen gegeneinander ausgespielt, mit dem Argument, nach dem Wegfall der Ost-West-Konfrontation brauche niemand mehr solche Fächer, sie seien zu exotisch. So erklärte dies bereits 2001 der 2005 verstorbene Gießener Osteuropa- und Zentralasienforscher Hansgerd Göckenjahn. Leidtragende waren vor allem Slavistikstudenten und Studenten der Osteuropäischen Geschichte in den beiden Städten, die dadurch Schwierigkeiten hatten, anstehende Arbeiten ordnungsgemäß zu erledigen . In einer Tagung der Kanzler der deutschen Universitäten im Jahr 2005 hatte Dr. Michael Breitbach, damals und heute Kanzler der Uni Gießen, dargelegt, dass das Land Geld mit der Zusammenlegung von Lehrstühlen einsparen wolle.
Wie es 2010 weitergehen wird, entscheidet sich am 11. Mai. Weigern sich die Unipräsidenten, auf den neuen Pakt einzugehen, der bis 2015 gelten soll, dann. so Wissenschaftsministerin Kühne-Hörmann im FAZ-Interview, stünde nach unten auf der Kürzungsklaviatur „alles offen.“
* Redaktionelle Anmerkung: Das FAZ-Interview steht auf der Internetseite des hessischen Wissenschaftsministeriums.
Missi Hausner meint
Wenn ich die Aussage, Studiengänge mit wenigen Studenten sollten weichen und seien nicht hinnahmbar; oder aber auch dass „Exoten-Fächer“ sich nicht mehr renntieren würden höre, dreht sich mir der Magen um!