Dr. Hermann Otto Solms, Jörg Behlen, Frank Schäffler: Diese drei Namen spielen gegenwärtig eine zentrale Rolle in Mittelhessen, wenn es um den Euro und liberale Politik geht. In Marburg treffen Solms und Schäffler nun am 4. Dezember aufeinander. Gastgeber als Vorsitzender des Marburg-Biedenkopfer FDP-Kreisverbandes ist Behlen. Nachdem im September in Gießen der finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Solms einen Heimvorteil hatte als er auf Einladung des dortigen Stadtverbandes die Positionen der FDP-Spitze zur Euro-Rettung vorstellte, liefern sich der Wortführer der sogenannten FDP-Rebellen, Schäffler, und Solms ein Rededuell. Grund für einen Kurzgucker.
Ein angefressener Euro vor schwarzem Hintergrund: So schmückte der Spiegel seine jüngste Ausgabe. Angefressen, wenn auch im anderen Wortsinn, scheinen die Vertreter liberaler Politik auch in Mittelhessen zu sein. Vor kurzen erst informierte der heimische FDP-Bundestagsabgeordnete und finanzpolitsche Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Hermann Otto Solms ‑von Haus aus promovierter Landwirt -, auf Einladung der Gießener FDP über die aktuelle Euro-(pa)-Politik.
Im benachbarten Landkreis Marburg-Biedenkopf gibt es ebenfalls einige rührige Freidemokraten, rund um ihren Kreisvorsitzenden Jörg Behlen, praktizierender Diplom-Landwirt. Europa hat man dort ebenfalls fest im Blick. Dort aber wird eher der Kurs Schäfflers gutgeheißen. Geht es also um Standpunkte zur Lösung der aktuellen Krise, die sich von eine Schuldenkrise im Grunde schon längst zu einer Politikkrise gemausert hat, möchte man meinen, es lägen mindestens zwei Universen zwischen den Mitgliedern ein und derselben Partei hier mitten in Mittelhessen. Der dritte in diesem Spiel, Frank Schäffler, der sich als „FDP-Rebell“ einen Namen gemacht hat. Schäffler ist geborener Schwabe, naturalisierter Westfale, ausgebildeter Kaufmann und FH-Betriebswirt. Schäffler hat eine FDP-Mitgliederbefragung angestoßen. Ziel der Befragung: Festzustellen, ob die Mehrheit den von der Parteispitze eingeschlagenen Kurs zur Euro-Rettung trägt. In Marburg wollen nun Schäffler und Solms in direkter Konfrontation vor den örtlichen FDP-Mitgliedern aber auch in der politisch interessierten Öffentlichkeit für ihre jeweiligen Modelle werben.
Solms, dessen Heimatort Lich ist, war auf Einladung des FDP-Stadtverbands Gießen gekommen. Während der Veranstaltung sagte Solms, dass sich Schäffler auf dem Holzweg befinde (Siehe Mittelhessenblogartikel 25. September 2011). Schäfflers Beharrlichkeit erklärte er augenzwinkernd mit dessen westfälischer Abstammung. Persönlich habe er aber nichts gegen ihn. Schäffler selber hatte damals keine Gelegenheit, selber vor Publikum zu antworten. Um so spannender dürfte es sein, welche Antwort Schäffler Solms in Maburg geben wird.
Generell wird nun Menschen, die aus dem landwirtschaftlichen Umfeld kommen, eine gewisse Bodenständigkeit nachgesagt. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie nun praktizieren oder sonst in irgendeiner Weise mit der Landwirtschaft zu tun haben. Es spielt auch keine Rolle, ob sie nun konventionell oder ökologisch orientiert sind. Wobei hier noch darüber gestritten werden könnte, ob nicht die Landwirtschaft vor Einführung mineralischer und synthetischer Dünger und Pflanzenschutzmittel oder entsprechender Futtermittelbeigaben eher die konventionelle Landwirtschaft war. Bodenständigkeit wird auf Kaufleuten nachgesagt. Aber das ist in dieser speziellen FDP-Euro(pa)-Mittelhessen-Geschichte ist dies nur ein Nebenaspekt.
Vielmehr spielt eine Rolle, dass die regionalen entscheidenden Spieler in dieser Geschichte beides vom beruflichen Hintergrund her Landwirte sind – beide mit Hochschulhintergrund. Dass der dritte ebenfalls einen eher bodenständigen beruflichen Hintergrund hat, rundet die Rollen und das Bild ab.
Interessant dürfte aber möglicherweise auch das Alter sein. Behlen und Schäffler sind beide Jahrgang 68, damit Anfang der 40-er und plädieren mit ihren politischen Vorstellungen eher für ein marktwirtschaftliches Modell, das von seinen Kritikern „marktradikal“ genannt wird. Rechnet man ihr Alter zurück, wuchsen Behlen und Jörg zu einer Zeit auf, als es der Bundesrepublik Deutschland sozial und wirtschaftlich noch besser ging als heute. Wesentliche Grundlage war damals das Modell der sozialen Marktwirtschaft.
In dem von ihnen bevorzugten Marktmodell spielt der Staat höchstens eine Wächterrolle, greift aber selten bis nie ins Marktgeschehen ein. Dieses Marktmodell wurde als so genannter „Manchester-Kapitalismus“ bekannt, der sich im frühen 19. Jahrhundert in Großbritannien entwickelte. Das Gegenmodell ist die soziale Marktwirtschaft, wie sie in der alten Bundesrepublik Deutschland während der Wirtschaftswunderjahre in den 50-er Jahre ebenfalls unter schwarzgelben Bundesregierung entwickelt wurde.
Solms , der vor kurzem seinen 71. Geburtstag feiern konnte, wuchs als Junge und heranwachsender junger Mann dagegen in einem zerstörten und von allierten Siegertruppen lange Zeit besetzten Deutschland auf, war, als die Ideen der sozialen Marktwirtschaft entwickelt wurden und zu greifen begannen. Sein politisches Leben begann 1971 mit seinem Eintritt in die FDP. Das hat Solms mit Behlen gemeinsam. Dieser entschied sich 2001 ebenfalls mit Anfang der 30-er Jahre für den Eintritt in die FDP. Schäffler war dagegen noch im 19. Lebensjahr, als er auf lokaler Ebene mit der politischen Arbeit begann.
Alle drei sind auf ihre Weise also mehr oder minder eng mit den Spielregeln des Politbetriebs vertraut, kennen die Mechanismen, nach denen das Spiel der politischen Macht funktioniert. Was sie unterscheidet, ist die Überzeugung wie der „euro“-politische Karren aus dem Dreck gezogen werden könnte. Geht es nach dem Willen der Anhängerschaft Schäfflers, zu der sich auch Behlen zählt, soll die deutsche Bevölkerung nicht die Zeche für die Schulden eines fremden Staates zahlen, auch wenn dieser EU-Mitglied und Mitglied der Eurozone ist.
Der Kurs der Bundes-FDP plädiert dagegen für die Stützung, da sonst befürchtet wird, dass insgesamt der Euro Schaden erleiden könnte und damit das Modell Europa an sich. Unterm Strich könnte man auch sagen: Beim Geld hört die Freundschaft auf oder : Sie ist aus Überlebensgründen wichtiger denn je. Wobei zu fragen wäre, um wessen Überleben es geht: Das der FDP insgesamt oder darüberhinaus das des Modells Europa. man darf auf Marburg gespannt sein.
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