Wenn die offizielle Politik dieser Tage unisono sich in Betroffenheitsbekundungen ergeht, wie schrecklich die Folgen eines bald mehr als ein Jahrzehnt im Verborgenen entstandenen Rechtsterrorismus im Geiste einer rechtsgerichteten Rote Armee Fraktion sind, dann offenbaren sich in der Tat gewaltige Erinnerungslücken. Denn im Grundsatz gleichen sich die Verhaltensmuster. Gleich ob in den 50er und den 90er Jahren des 20, Jahrhunderts oder im aktuellen Fall des Nationalsozialistischen Untergrunds NSU. Dass dabei auch ehemalige Ermittler um ihr Leben fürchten müssen, berichtete vor sechs Jahren ein ehemaliger MAD-Ermittler dem Herausgeber des heutigen Mittelhessenblog, dessen Ruf um Hilfe bis nach Mittelhessen führte.
Zeitsprung: In den 90-er Jahren macht der Fall der Nationalistischen Front um Meinolf Schönborn von sich reden. Schönborn ist ein ehemaliger NPD-Mann und Bundeswehrsoldat, der 1984 aus der NPD ausgeschlossen wird. Schönborn zieht die NF hoch. Die NF wird alsbald Ziel von Ermittlungen durch den Verfassungsschutz. Weil die Arbeit des Verfassungsschutzes am Ende nicht ausreicht, wird ein junger Fallschirmjäger vom Militärischen Abschirmdienst als verdeckter interner Ermittler in die NF eingeschleust. Schönborn hat vor, so genannte Nationale Einsatzkommandos quer durch Deutschland zu etablieren, bestehend aus exzellent paramilitärisch geschulten Kämpfern. Der junge Fallschirmjäger, der zum Vertrauten Schönborns aufgestiegen war, sollte die Schulung dieser Kämpfer übernehmen, nachdem er selber im Libanon ausgebildet worden wäre. Zu dem Zeitpunkt steigt der Soldat aus, obwohl ihn der MAD weiter in der NF halten will, mit dem kalkulierten Risiko, dass es eben zu dieser Bildung von NEKs kommen kann. Von seinem Dienstherrn, der Bundeswehr, wird der junge Mann, für den sich durch seine Ermittlertätigkeit sein gesamtes privates Leben ändern sollte, in die USA versetzt, dort später 1998 aus dem Dienst entlassen.
Schutzprogramme, wie es sie für Aussteiger aus der rechten Szene gab, wurden ihm verweigert. Der ehemalige Fallschirmjäger hatte den heutigen Herausgeber des Mittelhessenblog vor rund sechs Jahren besucht und ihm Einzelheiten des gesamten Einsatzes dokumentiert. Versuche, dem Ex-Mad-Mann, in seiner eigenen Heimat einen Wiedereinstieg in ein normales bürgerliches Leben zu verschaffen, scheiterten auch vor sechs Jahren am Widerstand der beteiligten Behörden, angefangen von heimischen mittelhessischen Bundestagsabgeordneten bis hin zum Bundeskanzleramt. Jener Mann hatte, als er in Biebertal war, versucht, unter anderem beim Gießener Arbeitsamt, Möglichkeiten für einen beruflichen Neuanfang in Deutschland erläutert zu bekommen, desgleichen gab es Vermittlungsversuche aus Mittelhessen, seinen Fall vor den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu bringen. Der Fall des Mannes, der mit seiner Arbeit wesentliches Material zur Zerschlagung der NF besorgt hatte, und wegen Vergeltungsmaßnahmen aus der rechten Szene um sein Leben und das seiner Familie fürchtete, endete schließlich damit, dass er einen Antrag auf politisches Asyl in den USA weiterverfolgen wollte, weil sein eigentlicher Dienstherr, die Bundeswehr und damit am Ende die Bundesrepublik Deutschland, wenn man von der Bundeswehr als Parlamentsarmee ausgeht, ihm den Schutz verweigerte, den er für seine Dienste anforderte. Wie der Ex-Fallschirmjäger gegenüber dem heutigen Herausgeber des Mittelhessenblog erklärte, seien verdeckte Ermittler, die im internen Kreis rechtsradikaler Organisationen wie der damaligen NF hochgradig gefährdet. Er selber habe sich im Grunde nur deswegen halten können, weil ihm seine militärische Vorausbildung geholfen habe. Auf das Konto der NF waren seinerzeit Mordanschläge gegangen, die, so der ehemalige MAD-Ermittler hätten verhindert werden können, wenn die Erkenntnisse, die er berichtet hatte, richtig eingesetzt worden wäre
Die NF war 1992 unter anderem auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse vom damaligen Innenminister Rudolf Seiters (CDU) verboten worden, wenngleich der mit der Beschaffung dieser Ergebnisse befasste MAD-Mann nie als Zeuge gehört wurde.
Bereits in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts gab es Proteste wegen der Ernennung des Kommentators der Nürnberger Rassegesetzgebung, Hans Globke zum Chef des Bundeskanzleramtes unter Adenauer. Insbesondere im Zusammenhang mit der Verfolgung des NS-Straftäters Adolf Eichmann hatte sich Adenauer ein Glaubwürdigkeitsproblem eingehandelt.
Es stellt sich angesichts solcher Begleiterscheinungen in der Tat die Frage, ob vor den gewalttätigen Auswirkungen rechtsextremer Ideologien wieder oder immer noch die Augen verschlossen werden. Beim Einsatz von V‑Leuten in der Extremismus-Szene stellt sich nicht die Frage der Notwendigkeit. Diese ist am Ende auch in Nachrichtendienst einer Demokratie gegeben. Es stellt sich eher die Frage der richtigen Führung. Anscheinend fehlt es hier an der richtigen Ausbildung in den Nachrichtendienst.
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