POLITIK und WIRTSCHAFT/UMWELT
Es geht um einiges in der Marburger Südkreisgemeinde Lohra. Während andere Kommunen bei der Vergabe der Stromkonzessionen schon einige Schritte weiter sind und Fakten bei der Versorgung mit erneuerbaren Energien schaffen, so die Argumentation der neu im Parlament vertretenen Grünen und der Sozialdemokraten, geht es in der rund 5600 Einwohner zählenden Flächengemeinde immer noch um die Vergabe der Stromkonzession. Nun droht ein neue Verzögerung: Nach Vorwürfen der CDU steht nun im Raum, ob das ganze Verfahren wegen Verstoßes gegen Wettbewerbsrecht durch einen der beiden Konkurrenten (Stadtwerke Marburg) um die Vergabe der Stromkonzession hinfällig ist. Der Gegenspieler ist Eon Mitte.
Das Vorgängerparlament hatte diese Frage zur weiteren Entscheidung durch ein neues Parlament vertagt, weil es die Festlegung über eine solche weitreichende Entscheidung kurz vor dem Wahlkampf nicht „übers Knie brechen“ wollte. Jetzt hatten sowohl SPD und Grüne auf eine schnelle Entscheidung gemeinsam mit der FWG gedrungen. Denn der jetzige Stromkonzessionsvertrag laufe bis zum 31. Dezember und ab 1. Januar müsse die Sache entschieden sein, wenn Lohra keine Nachteil erleiden wolle. Klarer Favorit nach Punkten der Grünen und der SPD sind die Stadtwerke in Marburg. Genau daran reiben sich nun CDU und das lokale Bündnis für Bürgernähe BfB. Zentraler Vorwurf der CDU: Die Stadtwerke Marburg hätten als Konkurrent von Eon Mitte mit unlauteren Methoden gekämpft, einige Bürgermeister sich beteiligt und ihre Parlamente an der Nase herumgeführt. Nach Ansicht der CDU insgesamt ein Fall für den Staatsanwalt.
Zum Beweis präsentierte der Lohraer CDU-Vorsitzende Werner Waßmuth einen Emailausdruck während der jüngsten Gemeindevertretersitzung. Diese Email, so der CDU-Mann, habe er sich von der Gemeindeverwaltung schicken lassen. Eigentlich war es der CDU darum gegangen, zu wissen welche Angebotsfragen die beiden Konkurrenten im so genannten Interessenbekundungsverfahren präsentiert bekommen. Wie Waßmuth darlegte, sei während einer kurz vorher durchgeführten Informationsveranstaltung am 1. September herausgekommen, dass Eon drei Tage Zeit gehabt hätte, um 80 Fragen zubeantworten. Dabei wollten die CDU-Leute wissen, um welche Fragen es sich handelte. Diese waren in einer Excel-Datei niedergelegt. Und dort hätten sich die Fragen gefunden, die beiden Konkurrenten vorgelegt worden waren – mit dem Autorenvermerk von Rainer Kühne in den Dateieigenschaften. Dass Kühn möglicherweise selber davon nichts wisse und sein Name nur aus technischen Gründen darin stehe, wollte Waßmuth auf Nachfrage nicht gelten lassen. „Was bleibt ist die Tatsache, dass dieser Fragenkatalog so von den Stadtwerken kam“, sagt Waßmuth. Und dafür trage Kühn die Verantwortung. Für Waßmuth ist eine ausgemachte Sache, dass der Fragenkatalog, der beiden Bewerber um die Neuvergabe der Stromkonzession die Handschrift eines der Bewerber trage, eben die der Stadtwerke. Aus weiteren Teilen der Email die Hinweise auf eine gemeinsam mit der Gemeinde Lahntal erarbeitete Strategie enthielten, und dem Wissen um gemeinsame Treffen weiterer Bürgermeister mit den Stadtwerken leitet Waßmuth einen weiteren Vorwurf an. Er sagt, die Bürgermeister hätten ihre Parlamente bei der Diskussion und Abstimmung über die Konzessionsvergabe zugunsten der Stadtwerke „über den Tisch gezogen“.
Lohras Bürgermeister Georg Gaul verwahrte sich gegen die erhobenen Vorwürfe und sagte, er habe bis zum Zeitpunkt von Waßmuths Vorhaltungen nichts davon gewusst. Die gesamte Entwicklung führte nun dazu, dass die jüngste Gemeindevertretung wegen des protestweisen Auszugs von CDU und BfB noch einmal antreten darf. Als Termin sind der 29. September oder der 6. Oktober vorgesehen.
Allerdings hat der Kampf um die Konzessionsvergabe noch einen anderen Schauplatz. Die Akteure sind die gleichen. Der Ort auch. Lohra. Die Akteure heißen SPD. Grüne, CDU, BfB, Kommunalaufsicht und Hessischer Städte und Gemeindebund sowie Eon Mitte in einer Nebenrolle, wenn auch einer wichtigen. Hauptakteur ist Norbert Bingel. Abgeordneter der BfB. Weil er als technischer Angestellter für Eon Mitte arbeitet, nach eigenen Worten während der jüngsten Parlamentssitzung allerdings sein Einsatzgebiet Rheinland-Pfalz sei, halte er sich nicht für befangen, über die Konzessionsvergabe mit abzustimmen. Genau dies war von SPD und Grünen befürchtet worden. Mit der Angelegenheit hatten sich auch die Kommunalaufsicht des Landkreises Marburg-Biedenkopf und der Hessische Städte- und Gemeindebund befasst. Die, so teilte Lohras Gemeindvertretervorsitzender Manfred Gerhardt mit, hätten jeweils beide mit einem klaren Ja und Nein geantwortet. Insofern sei man also genauso schlau wie vorher und müsse nun abstimmen. Mit den Stimmen von SPD und Grünen sowie der FWG wurde nun Bingel für befangen erklärt.
KOMMENTAR
Von Lohra nach Berlin ist es nicht weit
Soweit so schlecht. Die Frage ist, wie derlei Theater beim Bürger ankommt. Alle Parteien bringen ihre guten Gründe an. Doch in der Tat ist es so, dass im Umland inzwischen heftigst geplant und geschmiedet wird, wenn es um die Nutzung erneuerbarer Energien geht. In Fronhausen und Ebsdorfergrund sind es Biogasanlagen, bei Gladenbach entsteht derzeit nach Angaben des Regierungspräsidiums die größte Solarparkanlage Mittelhessens, in den Nachbarkreisen geht es ebenfalls voran. Soweit der Argumentationsstrang von SPD, Grünen und FWG. Sie sehen in den Stadtwerken den geeigneten Partner. Weil lokal, weil in der Nähe, weil nicht schönrechnend. Nictzuletzt, so ein Hauptargument, es sei soch überhuapt nicht klar, was denn nun mit EOn und ihren Töchtern geschähe. Die CDU weist nun auf die Erfahrung die EOB habe, hin, dass auch Eon sich inzwischen mit Energiealternativen befasse.
Der Hauptangriffspunkt stützt sich nun aber ausgerechnet auf die Autorendaten einer Exceldatei, aus der hevorgehe, dass Stadtwerkegeschäftsführer Kühne im Verein mit einigen Bürgermeistern heimlich die Karten im eigenen Interesse gemischt und dann unkenntlich für alle neu ins Spiel geworfen habe. Die Karten sind in dem Fall der 80 Fragen starke Katalog, der EON und den Stadtwerken zur Beantwortung vorgelegt wurde, der helfen sollte, herauszufinden, wer denn nun der bessere Partner für Lohra bei der Nutzung des Stromnetzes sei. Dieser Angriffspunkt ist, rein technisch betrachtet, dünn. Denn: eine Datei wird auf einem Rechner XY bei Meyer-Müller-Schulze erstellt. Ob das nun in einer Windows- oder Linuxumgebung geschieht, ist unwichtig. Wichtig ist, dass jede Datei zwar die Information sammelt, die im Zuge ihrer Erstellung am jeweiligen Rechner entstehen. Wenn nun aber der Rechner nicht passgenau auf seinen Besitzer oder Nutzer mit unverwechselbaren Erkennungszeichen (biometrische Identifikation über Fingerabdruck etc,) zugeschnitten ist, was in der Regel bei normalen Bürocomputern nicht die Regel sein dürfte, wird es schwer, eine Verstrickung der Stadtwerke oder des Geschäftsführers nachzuweisen. Was auf jeden Fall bleiben dürfte: Ein fader Nachhall in der Bevölkerung. So wie im großen fernen Berlin bei der Diskussion um den Euro-Rettungsschirm.
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