POLIZEIBERICHT/ BILDUNG
Unfälle, Überfälle, Meldungen über Tote und Verletzte sind nachwievor der beste Garant für Medien, für Aufmerksamkeit zu sorgen. Das merkte die Mittelhessenblog-Redaktion am 27. Februar mit der Unfallmeldung über zwei junge Menschen, die in der Rabenau eine schweren Unfall erlitten hatten. Dieses Mal geht es auch um einen Unfall – aber einen simulierten. Die üblichen Schaulustigen mit eingerechnet. Die waren in diesem Fall aber gewollt, sogar eigens herbeigerufen, um sich alles genau anzusehen. Den Rahmen lieferte der erste Verkehrspräventionstag des Polizeipräsidiums Mittelhessen.
Um die Leser des Mittelhessenblog nicht zu verwirren: Das Polizeipräsidium Mittelhessen hat einen anderen Mittelhessenbegriff als das Regierungspräsidium in Gießen, das für die politische Region Mittelhessen zuständig ist: Rein polizeitechnisch waren es die Kreise Gießen, Lahn-Dill, Marburg-Biedenkopf und Wetterau, aus denen rund 1400 Schüler zwischen 18 und 24 Jahren auf das Gelände der Polizei an der Klar-Klöckner-Straße in Gießen gekommen waren. Um dort in einem voll gepackten Programm mit Podiumsdiskussion, diversen Schaustationen von Überschlagsimulator und Gurtschlitten bis eben zum Abschlusshöhepunkt, eine spektakuläre Unfallsimulation zu erfahren, worauf es ankommt, wenn man als Fahranfänger unterwegs ist.
Da es mittlerweile den Führerschein erst einmal für zwei Jahre nur auf Probe gibt, waren auch die Informationen, dieThorsten Wißner mit seinen Kollegen am Stand der verschiedenen Geräte für Geschwindigkeitskontrollen bereit hielt, Garant für Aha-Effekte. Denn Fahranfänger müssen bei Bußgeldverfahren nicht nur damit rechnen, dass es ein „Knöllchen“ gibt, dass neben Geld auch noch Punkte in Flensburg kostet. Zusätzlich kann ihnen auch noch eine Einladung zu einem so genannten Aufbauseminar nach Hause geschickt werden. Wobei es sich dabei um eine Einladung handelt, die nicht ausgeschlagen werden darf. „Im Schnitt kann so ein Seminar schon mal 250 bis 300 Euro kosten„m sagt Wißner. Beim Seminar bleibe es aber nicht. Denn die Probezeit verlängert sich um weitere zwei Jahre. Lässt sich der Fahranfänger wieder etwas zuschulden kommen, kann das gleiche noch einmal auf ihn zukommen. Passiert es ein drittes Mal, droht der so genannte „Idiotentest“. Die medizinisch-psychologische Untersuchung. Bei einem Blick auf eine Punktetabelle stellt sich allerdings die Frage, wieso anscheinend mit zweierlei verschiedenen Maß zwischen Fahranfängern und Menschen unterschieden wird, die den „Lappen“ schon länger haben.
Fahranfänger können schon dann damit rechnen, verwarnt zu werden, wenn sie nur sechs Kilometer zu schnell sind. „Mit den normalen Messwagen haben wir da eigentlich keine guten Möglichkeiten. Wenn das Foto nicht genau ist, das Auto jemand anders gehört, Fahrer und Fahrzeughalter nicht identisch sind, sieht es anders aus als wenn wir mit der Laserpistole direkt punktgenau messen können“, erläuterte Thorsten Wißner. Denn mit der Laserpistole, die in einem Kilometer Entfernung von dem zu überwachenden Straßenbereich eingesetzt werden kann, könne punktgenau festgestellt werden, wer am Steuer sitzt und wenige Augenblicke später der ertappte Verkehrssünder dann zur Sprache gestellt und auf sein Verhalten aufmerksam gemacht werden. „In der Regel ist das wirksamer und nachhaltiger, als wenn ein Brief ins Haus flattert und der dann lediglich als Ärgernis verbucht wird“, sagt Wißner, der im Polizeipräsidium für die Direktion Verkehrssonderdienste arbeitet. Die aufwendigste und teuerste Art der Jagd auf Verkehrssünder stelle der Einsatz der so genannten Videonachfahrsysteme dar, die in einem Oberklassewagen mit Front- und Heckkamera installiert sind. Allein ein solches System koste rund 15000 Euro.
Um Geld geht es auch Ortger Wiegand. Der stellvertretende Niederlassungsleiter der Dekra in Gießen weiß wohl, dass gerade Fahranfänger nicht unbedingt soviel Geld haben, um sich teure Wagen zu leisten. In die Unfälle, die gerade in der Altersklasse zwischen 18 und 24 geschähen, seien häufig kleine und kompakte Wagen verwickelt. Wie sehr diese schon bei einem Unfall zwischen 60 und 70 Stundenkilometern vollkommen demoliert werden können, so, dass die Insassen kaum eine Chance haben, einen Unfall unverletzt zu überstehen, das demonstrierte die Simulation am Ende der Veranstaltung. „Neben fehlender Fahrpraxis können dafür auch übersehene oder selbst behobene technische Mängel verantwortlich sein“, so Wiegand. Deswegen biete die Dekra bundesweit einen so genannten Safety-Check an. Der würde von rund 16000 Fahrzeughaltern wahrgenommen. In Mittelhessen seien es rund 500 bis 700. „Wer zu uns kommt, der braucht nicht damit zu rechnen, dass es irgendwelche rechtlichen Folgen hat, wenn wir feststellen, dass an seinem Auto irgendetwas nicht stimmt. Aber am Ende wird der Wagen dann sicherer sein als vorher“, gibt Wiegand zu bedenken. Der Dekra-Ingenieur hät noch einen anderen Ratschlag bereit: „Wenn es doch einmal zum Unfall kommt und Sie sich überschlagen, dann sollten Sie versuchen,sich mit den Händen am Dach abzustützen und mit den Füßen im Bereich des Armaturenbretts. Wenn der Wagen dann auf dem Dach liegen bleibt, stützen Sie sich weiter mit der einen Hand ab, während Sie sich mit der anderen vorsichtig aus dem Sicherheitsgurt befreien. Mit den Füßen stützen Sie sich ebenfalls ab, so dass Sie einen festen Halt haben. Wenn der Gurt gelöst ist, müssen Sie versuchen, vorsichtig aus dem Wagen herauszuklettern und verhindern, dass Sie vorher einfach aus dem Sitz nach unten fallen.“ Manch einer, der einen Unfall bis dahin unverletzt oder ohne nennenswerte Schäden überlebt habe, verliere sein Leben durch den Bruch der Halswirbelsäule, weil einfach das Wissen und Training fehle, wie man sich selber aus solch einer misslichen Lage befreie.
Einen vollkommen anderen Blickwinkel liefert Notärztin Susanne Schaumburg, die auch die Vorführung der so genannten medizinischen Rettungskette während der Unfallsimulation geleitet hatte. „Wer einen Unfall erlebt, sollte wissen, dass dieser Unfall das unnormale Ereignis in seinem Leben ist und nicht wie er selbst, sein Körper oder seine Seele darauf reagieren. Alpträume, dass plötzlich Veränderungen in Essensgewohnheiten auftreten, dass man plötzlich nicht mehr Auto fahren will, das alles sind normale Reaktionen. Wichtig ist nur, dass man sich dann nicht vergräbt, sondern das Gespräch mit Freunden, der Familie, einfach Menschen sucht, denen man vertraut. Das wäre schon ein erster richtiger Weg“, so Schaumburg.
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