POLITIK und WIRTSCHAFT/TOURISMUS/BILDUNG
KOMMENTAR
Zwei Mann mit Braunhemden haben den Keltenfürst im neu eröffneten Keltenmuseum im Glauberg bewacht. So gut, so schlecht! Die Frage ist, ob es tatsächlich geschickt ist, nun dort so drauf zu prügeln und gleich die Verbindung zwischen Kelten und den Neonazis (vulgo NPD) so in den Vordergrund zu schieben.
Das Material dazu wird vom Landesdienst der DPA und von DAPD geliefert. Im Netz reagieren laut Google-Suche als erste direkt Welt Online, die Frankfurter Neue Presse, die Badischen Nachrichten und Hr-Online auf die Nachricht. Was wird nun vor allem in Öffentlichkeit hängen bleiben? Die Nachricht von der sicherlich beachtenswerten wissenschaftlichen Leistung, die am Glauberg geleistet wurde und nun der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird? Oder das „Gschmäckle“, das zwei Männer mit Braunhemden als Personal eines privaten Sicherheitsdienstes in die Eröffnung gebracht haben. Als verantwortlicher Herausgeber des Mittelhessenblog habe ich darüber nachgedacht, ob dies eine Erwähnung im Mittelhessenblog wert wäre oder man dieses Ereignis einfach totschweigt. Denn die NPD und ihre Anhänger leben in der Regel immer noch oder immer wieder von dieser unverhofften PR, die geschieht, wenn irgendetwas passiert, das nur im entferntesten mit den Epigonen der NS-Ideologie in Verbindung gebracht wird. Tatsache ist, dass die NS-Herrschaft Symbole der germanischen, keltischen Kultur für sich verwendet hat. Im Zuge der Diskussion um die verfassungsmäßigen und verfassungswidrige Symbole spielt das ebenfalls eine Rolle. Ist es aber sinnvoll, so auf den Missbrauch dieser Symbolik einzudreschen, wenn darüber die eigentliche Arbeit, die am Glauberg geleistet wurde, deswegen aus dem Blickwinkel gerät?
Geht es um den Umgang mit politischen Extremen, scheint es in Deutschland je nach Zeitgeist eine Empfindlichkeit auf dem rechten und/oder auf dem linken Auge zu geben: Es gab lange Zeit die Debatte, ob etwa ein kommunistischer Lehrer oder Lokführer in den Staatsdienst eingestellt werden darf. So wird im Forum Politik.de der ehemalige Justizminister von Nordrhein-Westfalen, Posser, im Zusammenhang mit dem Radikalenerlass von 1972 zitiert. Posser sagt dort, dass zum einen in den 70-er Jahren eine „antikommunistische“ Hysterie herrschte. Aus dieser Zeit stamme die Praxis der „Berufsverbote“, die vor allem Menschen traf, die sich in der DKP engagierten. Dass heute die Linke in NRW ebenfalls noch unter Verfassungsschutzbeobachtung steht, weil sie als potentiell nicht auf dem Boden der Verfassung stehend eingestuft wird, ist ebenso eine Tatsache.
Dennoch würde trotz allem politischen Streits vermutlich niemand auf die Idee kommen, Wachleute, die sich in der Linken oder einer anderen linksorientierten Organisation engagieren, das als Grund zu nehmen, die Eröffnung eines Museums politisch auszuschlachten. Grund genug gäbe es ja auch hier: SED-Terror, Verfolgung politisch Andersdenkender, Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze – bis hin zur Unterstützung terroristischer Gruppen in der alten Bundesrepublik Deutschland.
Nun sorgen also die Angehörigen einer Sicherheitsfirma, die ihre frühere Mitgliedschaft in der NPD auf Nachfrage zugegeben haben, solchermaßen für Wirbel. Es geht nicht um ehemalige Landtagsangehörige mit NS-Vergangenheit, es geht nicht um Menschen, die in Schlüsselpositionen stehen, sei es als Lehrer, Hochschullehrer oder Politiker – es geht schlicht um zwei Wachleute. Dass die Diskussion nun auch eine Steilvorlage für Onlinemedien am linken und rechten Rand bietet, ist ebenfalls nicht zu übersehen. Die verantwortliche Wachfirma soll, so wird beim Land auf entsprechende Stellungnahmen der Firma verwiesen, inzwischen festgestellt haben, dass die Kluft der Wachleute die firmeneigene Arbeitskleidung sei. Außerdem habe man sich bei der Einstellung eine entsprechene politische Unbedenklichkeit bescheinigen lassen. Eine Stellungnahme der Firma hat das Mittelhessenblog angefragt. Zumindest die Nachrichtenagentur DAPD muss sich allerdings die Frage gefallen lassen, ob bei der Aufnahme der beiden Wachmänner nicht eine entsprechende Symbolik auch beabsichtigt war: Die beiden Wachleute wurden so abgelichtet, dass der rechts vom Keltenfürst stehende den Eindruck erweckt, er sei tatsächlich auch in der äußeren Erscheinung ein Anhänger Hitlers.
Journalismus sollte auf seine Glaubwürdigkeit achten. Wäre die Eröffnung des Keltenmuseums tatsächlich für eine spontane Kundgebung aus dem extremen politischen Lager (gleich welcher Ausrichtung) zweckentfremdet worden, so wäre diese Empörung zu verstehen gewesen. So aber stellt sich tatsächlich die Frage, ob hier nicht um des grausam-makabren Effekts wegen journalistisch unsauber gearbeitet wurde und die übliche Betroffenheitsmaschine in Gang gesetzt wurde, die üblicherweise dann anfährt, wenn es sich um tatsächliche oder vermeintliche Symbolik aus der rechten Szene handelt.
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bn meint
Ich sehe das aehnlich.
Ich suche auch nach Folgenachrichten. Es gibt noch keine.
Offensichtlich sind die Dinge hier auf Absprache zwischen dem
Museum als Auftraggeber und der Wachfirma als Auftragnehmer geschehen.
Es gibt keine juristische Grundlage, die beiden Wachleute von
ihrem Posten zu entfernen.
Solange die Wachmaenner sich nur in dem legalen (wenn auch extremen) Verein NPD engagieren, so ist das ihre Privatsache. Meiner Meinung nach hat das Museum keine Moeglichkeit, die Nicht-Benutzung der beiden Wachleute zu _verlangen_, das widerspricht dem Antidiskriminierungsgesetz und dem Grundgesetz, dass das Recht auf freie Meinung sehr hoch stellt.
Ich frage mich insbesondere, ob dieser Vorfall echte Konsequenzen fuer die Wachleute hat. Werden Sie gefeuert? Wenn ja, mit welcher Begruendung? Wird das zu Nicht-Anstellungen von NPD-Mitgliedern fuehren, auch in anderen Bereichen, und zu Kuendigungen von NPD-Mitgliedern? Ist es das, was wir wollen?
Meiner Meinung waere eine solche Konsequenz sehr zu bedauern, da hier auf nicht-offiziellem Weg eine Sanktionierung von Gedankenverboten durchgesetzt wird, wobei der Gesetzgeber explizit diese Gedanken (noch) erlaubt.
Aufgabe von Liberalen aller Stroemungen waere es hier, obwohl sie die Meinung der Wachleute nicht schaetzen, dennoch fuer deren Nicht-Diskriminierung einzutreten.
Getreu dem Motto:„Ich engagiere mich dafuer, dass Du eine Meinung aeussern darfst, die ich nicht teile“.
Ich befuerchte, wir werden so gut wie nichts aus den deutschen Haupt-Medien ueber die Auswirkungen dieser Posse auf das Leben der Wachleute erfahren.
Christoph von Gallera meint
Es ist sicherlich eine Gratwanderung, genauso wie die Diskussion um ein Verbot der NPD oder anderer Parteien, deren erklärtes Ziel die Bekämpfung oder Abschaffung unseres Wertesystems zum Ziel hat, dessen eine der wichtigsten Stützen die freie Meinungsäußerung im Sinne des Artikel 5 Grundgesetz ist. Unsere Gesellschaft sollte eigentlich inzwischen so stark sein, dass sie mit derlei Erscheinungen, seien sie nun am rechten oder linken Rand oder seien es fundamentalistische Äußerungen diverser Glaubensgemeinschaften gelassen sollte umgehen können.
Christoph v. Gallera
Mittelhessenblog