UMWELT/POLITIK und WIRTSCHAFT
„Ich gehe vom Baubeginn Anfang 2012 aus und nach drei Monaten Bauzeit könnte dann der erste Strom fließen“ kalkuliert der Lambsheimer Diplom-Ingenieur Michael Wahl im lichtdurchfluteten Besprechungsraum im Ebsdorfer Rathaus einen Zeitplan. Der Geschäftsführer des in Rheinland-Pfalz ansässigen Planungsbüros Gaia hat gerade gemeinsam mit dem Bürgermeister der Gemeinde Ebsdorfergrund Andreas Schulz den dritten Mosaikstein der 9000-Einwohner-Gemeinde auf dem Weg zur vollkommen selbständigen Energieversorgung vorgestellt. Zumindest den Plan. Vor das Schaffen von sichtbaren Fakten hat das Gesetz das Genehmigungsverfahren beim zuständigen Regierungspräsidium für Mittelhessen in Gießen gesetzt. Nach der zügigen Umsetzung der Nutzung von Biogas und Photovoltaik als Energielieferanten soll es nun die Windkraft sein. Quasi als Wiedervorlage, die in der Idee schon zehn Jahre alt ist.
Drei Windkrafträder sollen ab Frühjahr 2012 auf dem Standort dann Strom für rund 12000 Menschen liefern. Die Investition in die Anlage soll rund zehn Millionen Euro kosten, weitere Investitionen seien für ein Pumpspeicherwerk vorgesehen, um so für den Fall vorzusorgen, dass die Windkraftanlagen stillstehen. Genauso soll ein Investor auch bereit sein, die Windkraftanlagen wieder abzubauen, wenn sie nicht gebraucht würden.
Zustimmung in Ebsdorfergrund – Vorher Ablehnung in Allendorf
„Eigentlich haben wir uns ja schon seit 2001 mit dieser Idee befasst, richtig konkret wurde es dann 2003“, sagt Andreas Schulz. Konkret insofern, als damals die Windkraft-Idee erst allen elf Ortsbeiräten und dann dem Gemeindeparlament vorlegt wurde, begleitet von Bürgerversammlungen. Damals vor acht Jahren hätten die Ortsbeiräte sich zu mehr als 85 Prozent für die Nutzung der Windenergie ausgesprochen, im Gemeindeparlament habe es eine parteienübergreifende Zweidrittel-Mehrheit für das Projekt gegeben. Schulz hält es für realistisch, dass in Kombination mit der bereits bestehenden Nutzung von Biogas und Sonnenenergie das selbstgesteckte Ziel, 2020 vollkommen unabhängig in der Energieversorgung zu sein, so schon 2015 erreicht sein könnte.
In der Zusammenarbeit mit der Planungsgesellschaft aus Lambsheim sieht er bei der Umsetzung der Windkraftversorgung den Vorteil, dass Gaia von Anfang an das Gespräch mit der Gemeinde gesucht habe und nicht einfach der Kommune vorbei sich gleich ans Regierungspräsidium gewandt habe. „Das hätte auch anders laufen können, dann wäre die Gemeinde draußen gewesen“, so Schulz.Der Nachteil wäre dann gewesen, dass zu erwartende Gelder dann nicht in die Gemeindekasse fließen würden.
Anders dagegen die Stimmung im benachbarten Allendorf/Lumda. In der Gemeinde habe sich damals schon Protest geregt, als es darum ging, auf dem Höhenzug, der den am nördlichsten gelegenen Ortsteil Winnen von der Nachbargemeinde im Landkreis Marburg-Biedenkopf trennt, Windkraftanlagen zu installieren. In einer Stellungnahme, die die Fraktion von BFA-FDP Allendorf in einer Fassung von 2008 als PDF-Dokument auf ihrer Website heute noch bereit hält, wird vor allem auf die Argumente der Vogelschützer hingewiesen und die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes. Aber: Die Proteste berührten zunächst nur die Pläne auf der Allendorfer Seite. Mit Blick auf die Pläne der Nachbargemeinde Ebsdorfergrund forderte die Fraktion indes, diese Pläne im Auge zu behalten. Kritisch der Windkraft gegenüber war bisher auch die CDU-Fraktion der Gemeinde im Gießener Nordkreis eingestellt. Aktuell heißt es auf der Internetseite des CDU-Stadtverbands Allendorf im Wahlprogramm: „Windkraft ist für uns nicht die einzige Alternative.“ Weiter heißt, die finanzielle Lage strukturschwacher Kommunen solle nicht ausgenutzt werden, um ehrgeizige Windkraftprojekte voranzutreiben.
Inzwischen sind die Karten neu gemischt, im doppelten Sinn: 2010 wurde der Regionalplan für Mittelhessen im Regierungspräsidium in Gießen vorgestellt. Darin sind die ehemaligen Vorrangflächen, die bei Nordeck-Winnen als Standorte für mögliche Windkraftanlagen hätten in Frage kommen können, verschwunden. Übrig geblieben sind die Flächen auf der Ebsdorfer Seite, im so genannten „Kalten Stall“. Auch im politischen Sinn hat sich einiges geändert: In Allendorf. Durch die Folgen der Kommunalwahl 2011.
„Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, müsste die Genehmigung kommen“
Ob er mit Widerständen aus der Nachbarkommune rechnet? „Ich kann es schwer einschätzen, aber eigentlich kann ich es mir nicht vorstellen, auch nicht nach Fukushima. Dadurch ist doch mittlerweile einiges anders geworden“ sagt Schulz zu möglichen Reaktionen aus Allendorf. Wenn alles mit normalen rechtlichen Dingen zugehe, dürfe sich an dem jetzt eingeschlagenen Weg nichts mehr ändern. Das sieht auch Hartmut Bierau so. Er ist der zuständige Bauamtsleiter in Allendorf. „Nach Lage der Dinge ist der Weg erst einmal vorgegeben. Das sage ich als Bauamtsleiter. Was sich allerdings politisch tut, das werden wir in den nächsten Wochen ja sehen. Möglicherweise hat sich ja die Einstellung inzwischen geändert und man steht der Windkraft aufgeschlossener gegenüber als früher.“ Bierau hält es zumindest in der Theorie für möglich, dass sich Allendorf unter den veränderten neuen Bedingungen vielleicht auch an dem Windkraft-Projekt im Grenzbereich der beiden Kommunen beteiligen könnte. Seiner Einschätzung nach wäre dies auch ohne besondere Vorrangflächen möglich.
Für die Gemeinde Ebsdorfergrund sieht deren Bürgermeister in den geplanten Windkraftanlagen nur etwas, wovon die Gemeinde im doppelten Sinne profitieren kann: Schulz spricht von sechsstelligen Beträgen, die allein aus der Verpachtung der Flächen für die geplanten Anlagen ergeben soll. Hinzukommen die Erträge, die in die Kasse fließen können, wenn die Gemeinde mit einem eigenen Netz dann selber als Stromverkäufer auftreten könne. Vor alle diese Pläne ist aber nun erst einmal der Gang des Genehmigungsverfahren beim Regierungspräsidium in Gießen gesetzt.“
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