POLITIK und WIRTSCHAFT/UMWELT
Ob ein erwachsener Mensch raucht oder nicht raucht, muss er oder sie am Ende selber entscheiden, auch welche möglichen gesellschaftlichen, gesundheitlichen und welche finanziellen Folgen damit verbunden sein können. Das Mittelhessenblog bezieht in dieser Diskussion eine neutrale Stellung, da es stichhaltige Argumente für jede Position auf beiden Seiten gibt. Geht es allerdings um den individuellen Freiheitsgedanken, die Fähigkeit eines mündigen Menschen, nach Abwägung aller ihm zur Verfügung stehenden Informationen eine ihn in erster Linie höchst persönlich betreffende Entscheidung zu fällen, so unterstützt das Mittelhessenblog diese Position mit der stillschweigenden Voraussetzung, dass dabei die geltenden Grundrechte nicht verletzt werden. Nach Einschätzung des Bundesvorsitzenden des Verein Netzwerk Rauchen, Michael Löb, wird die Debatte in Deutschland allerdings mit zum Teil schrägen Argumenten geführt.
Krebsarten, Einengung und Entmündigung von Verbrauchern, umfangreiche Literaturlisten für oder gegen das Rauchen, über Raucherzubehör, über Rauchentwöhnung: Die Diskussion um den blauen Dunst wird auch im Netz zum Teil mit einer Wucht geführt, wie sie den Kämpfen um die Rauchergesetzgebung in den einzelnen Bundesländern gleicht, wenn man weitergeht, wie sie letztlich auch den Diskussionen gleicht, wie sie auf EU-Ebene um die Ausweitung der Rauchergesetzgebung geführt werden.
Eine gute Auswahl rund ums Thema Rauchen mag diese Literaturliste geben, die sich auf der gleichnamigen Website „Geschichte des Rauchens“ findet.Die Positionen des Bundesverbandes des Tabakwareneinzelhandels finden sich hier, insbesondere die Informationen über die Protestaktionen zu einer neuen EU-Richtlinie, die aus Verbandperspektive als weitere Einengung des Verbrauchers gewertet wird: Tabakproduktionsrichtlinie. Den Überblick über 5257 erfasste Tabakerzeugnisse auf dem deutschen Markt liefert diese Datenbank auf dem Server des Bundesverbraucherministeriums. In der Datenbank sind fünf Produkttypen erfasst: Zigarette, Zigarren und Zigarillos, Pfeifentabak, Feinschnitt und das Zubehör für Wasserpfeifen. Die Positionen des Deutschen Krebsforschungszentrums schließlich finden sich in einer guten Übersicht auf dieser Seite des Krebsinformationdienstes. Darin wird die von der Nachrichtenagentur DAPD zitierte Bewertung des Zigarre- und Pfeiferauchens im Vergleich zum Zigaretterauchen bestätigt, gleichzeitig aber auch das höhere Risiko hingewiesen, an bestimmten zigarre- und pfeiferauchertypischen Krebsarten bei einem kontinuierlichen hohen Konsum zu erkranken.
Es gibt inzwischen allerdings auch Positionen, die sich dagegen wenden, dass erwachsenen, mündigen Menschen vorgeschrieben wird, wie sie sich wo und wie zu verhalten haben, wenn es ums Rauchen geht. Zusammengefasst sind diese Positionen im Netzwerk Rauchen, einer Organisation um den Wormser Juristen, Redakteur und freiberuflichen Texter Michael Löb und den Schweizer Bernd Palmer. Das Netzwerk nimmt nach eigenen Worten für sich in Anspruch, keinerlei Verbindung zur Tabakwirtschaft zu haben. Mit seiner Materialsammlung trägt es Materialien aus bislang ungewohnter Perspektive in die Diskussion. So bringt es am 6. Dezember 2010 eine 44 Seiten Studie, wonach rauchende Eltern sich über die Schädigung ihrer Kinder durch Passivrauchen nicht mehr die Gedanken machen müssten, wie es bisher der Fall sei.
Das Netzwerk, das als eigengetragener Verein seinen Sitz in Worms hat und im Vereinsregister in Mainz geführt wird, sammelt über ein Konto bei der Volksbank Mittelhessen, die ihren Hauptsitz in Gießen hat, Spenden für seine Arbeit, die es mit dem Kampf gegen die Prohibition in den USA vergleicht. In seinem Blog „Neues vom Schelm“ bringt Löb eine interessante Rechnung ins Spiel: Danach koste ein Nichtraucher in der Gesamtsumme seines Lebens einen Raucher den Staat und damit die Steuern zahlende Allgemeinheit 154.374,85 Euro mehr als ein Raucher. Löb beruft sich dabei auf die Aussagen von Gesundheitspolitikern, Krankenkassen, Ärzten, Kliniken, zieht Vergleiche der Gesundheitsausgaben und des Bruttoinlandsprodukts der Niederlande und Deutschlands heran. Eine stichprobenartige Gegenrecherche ergibt dabei, dass sich Löb tatsächlich auf offizielle Quellen, etwa die der OECD beruft. Zur Diskussion über die lebenslangen Gesundheitskosten von Rauchern und Nichtrauchern führt Löb eine Studie der führenden niederländischen Universitäten ins Feld, genauso der einschlägigen nationalen niederländischen Gesundheitsbehörden. Die Daten stammen aus dem Jahr 2008, liegen politisch also vor dem aktuellen Rechtsruck der niederländischen Regierung. Löbs ins Feld geführte Argumente lassen zumindest die Frage zu, ob die in Deutschland geführte Raucher-Nichtraucher-Diskussion in erster Linie lobbygesteuert sind, von einer Lobby, der es in erster Linie weniger um Nichtraucherschutz geht als den Profit, der sich mit dem Markt um Raucherentwöhnung, Nachsorge etc verdienen lässt.
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TiBa meint
Wie kann man nur so unbedarft über diesen Hetzverein berichten?
Zur „Diskussionskultur“ des „Netzwerks Rauchen“
http://www.raucherwahnsinn.de/rauchergepoebel.htm
und zu den „Wissenschaften“ dieser Herren
http://www.raucherwahnsinn.de/raucherbloedsinn_schelm.htm
http://www.raucherwahnsinn.de/furzesmuell1.htm
http://www.raucherwahnsinn.de/furzesmuell3.htm
Christoph von Gallera meint
Wenn Unbedarftheit Unvoreingenommenheit bedeutet, dann ist Unbedarftheit zwingend notwendig.
Es geht nicht darum, einen weiteren Artikel zu produzieren, der in die eine oder andere Lagerrichtung weist, sondern darum, dass sich jeder mit der verfügbaren Quellenlage beschäftigt.
Seit es Tabak gibt, tobt mehr oder minder abgeschwächt der Kulturkampf zwischen Rauchern und Nichtrauchern. Je nach Zeitgeist hat die eine oder die andere Fraktion Oberwasser.
Die aktuelle Wintersaison hat dazu beigetragen, den Firniss über die Diskussion etwas bloß zu legen: Im Zuge des Kundenfrustes über zu spät oder gar nicht eintreffende Züge der Deutschen Bahn wurden eigens eingerichtete Raucherzonen massenweise ignoriert, desgleichen das Rauchverbot in den Zügen. Beschwerden darüber sind bisher nicht bekannt.
Freedom11 meint
@TiBa: Sorry, Du verweist da aber auf eine Website, die scheinbar von einem Psychopaten betrieben wird. Einer der einfach nicht ernst zu nehmen ist, weil er nichts anderes kann als andere Mensche zu mißachten.
Er tut mir einfach nur leid, der arme arme Kerl!
Christoph von Gallera meint
Danke für den Hinweis. Es ist vermutlich eine Frage des Laissez-faire der Menschen im Umgang miteinander. Wie sehr die gesetzlichen Bemühungen nützen, Jugendliche vom Rauchen oder Trinken abzuhalten, wird bei diversen kurzzeiligen Agenturmeldungen oder Spontanbesuchen vor Schulhöfen sichtbar. Kürzlich meldete dpa etwa, dass die Zahl der jugendlichen Komasäufer gestiegen sei. Den Umgang mit dem Glimmstengel liefern oft genung eben jene Abstecher an Schulhöfe. Während auf dem Schulgelände das Rauchen mittlerweile verboten ist, finden sich in den Bordsteinrinnen vor Schulhöfen dafür die Zigarettenstummel, die früher zumindest noch in bereit gestellten Aschern in den Raucherecken der Schulhöfe gelandet waren.
Wenn man den Faden weiterspinnt und fragt, aus welchen Elternhäusern viele jener Kinder und jungen Erwachsenen stammen, stellt man häufig fest, dass es eben jene sind, die an anderer Stelle zu den lauteren Verfechtern der Nichtraucherpolitik gehören. Das Phänomen lässt sich mit dem der Prohibition vergleichen: Als die USA den Alkoholkonsum verboten, ging dieser zum einen schlagartig in die Höhe und wurde zum anderen Grundlage eines florierenden Schwarzhandels. Dass der Schwarzhandel mit Zigaretten in der EU und in Deutschland zugenommen hat, ist ein offenes Geheimnis. Es bleibt die Frage offen, ob eine sachlichere und weniger nur emotional geführte Debatte und Rechtsetzung nicht zu anderen Entwicklungen geführt hätte.
fat loss 4 idiots meint
Its like you read my mind! You seem to know so much about this, like you wrote the book in it or something. I think that you can do with a few pics to drive the message home a bit, but instead of that, this is great blog. An excellent read. I’ll certainly be back.