COMPUTER und INTETNET – JOURNALISMUS und INTERNET
Liebe Mittelhessenblogleser: Ein Tweet der NRW-Grünen sorgte für Aufregung, die noch anhält: Auch wenn die Grünen-Fraktion für den neuen Jugendmedienstaatsvertrag gestimmt habe, die Basis sei dagegen. Seither hallt das Netz wider von Flüchen erregter Blogger, Blogjournalisten und journalistisch tätigen Bloggern, einige haben angekündigt, zum 1. Januar 2011 ihr Angebot vom Netz nehmen zu wollen oder gar mit ihren Servern ins Ausland ziehen zu wollen. Bei aller Aufregung scheint dabei ein klassischer Grundsatz aus dem Blickfeld zu geraten: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird ‑oder, um es tatsächlich klassisch auszudrücken: Sine ira et studio an die Sache heranzugehen. Panik ist nach einschlägiger Expertenansicht nicht angebracht.
Die vom römischen Historiker Tacitus empfohlene Herangehensweise an unterschiedlichste Themen aus Geschichte, Wissenschaft und Forschung hat auch nach 2000 Jahren von ihrer Verbindlichkeit nichts verloren: Ohne „Zorn und Eifer“ an einen Sachverhalt heranzugehen, das Für und Wider kühl zu analysieren und dann zu einem pragmatisch, zweckmäßigem Schluss zu kommen. Tacitus spricht den germanischen Völkern in seiner Germania stellenweise ein jähes und impulsives Verhalten zu, man könnte auch sagen: unüberlegt. So sollen sie Sklaven, die sich etwas zu Schulden haben kommen lassen, nicht nüchtern befragt und dann eine angemessene Strafe ausgesprochen haben, sondern „in Wut und Zorn wie einen Feind niederschlagen“.
Nun sind es beim Jugendmedienstaatsvertrag zwar keine Sklaven um die es geht, die sich in irgendeiner sträflichen oder vermeintlich sträflichen Art und Weise gegen ihre Herrschaft vergangen haben, sondern es handelt sich um gewählte Politiker, die sich auf der letzten Stufe vor dem gesetzlichen Inkrafttreten mit dem Staatsvertrag befassen, desgleichen beschäftigten sich eine Reihe Fachleute sich mit der Verfassung des neuen Staatsvertrags.
Was am Ende herauskommt, sind plötzlich panische Reaktionen bei den Betroffenen in der Internetgemeinde. Aus Sorge, die neu formulierte Fassung nicht erfüllen zu können, weil dies mit zu hohem technischen Aufwand verbunden sei, oder weil man nicht jeden einzelnen Beitrag auf seinen möglicherweise jugend- oder entwicklungsgefährdenden Gehalt überprüfen könne, haben nun einige Blog- und Forenbetreiber angekündigt, ihre Inhalte ab 1. Januar 2011 vom Netz nehmen zu wollen. Die Ankündigungen reichen von versierten Fachjournalisten, die etwa für c’t schreiben bis hin zu engagierten Bürgern, die Regionalblogs entwickelt haben, um ihrer Region eine zusätzliche Stimme zu bereits vorhandenen Medien zu geben. So hat der Berliner IT-Experte Kristian Köhntopp mit sofortiger Wirkung sein Blog geschlossen. Auf seiner Website, die über die Offline-Schaltung informiert, heißt es: „Wenn ich das nicht mache, öffne ich mich einem beträchtlichen finanziellen Risiko durch Abmahnungen und das will ich nicht tragen.“ Ein Blick auf den Inhalt seines Blogs erlaubt allerdings die Frage, wo denn etwa in Vortragsreihen über Linux, über Security, also sicherer Umgang mit Computer und Internet, jugendgefährdende Inhalte enthalten sein sollen. Vom Charakter her wirkt Köhntopp eher wie ein ratgeberjournalistisches Blog und dürfte damit über jeden Zweifel erhaben sein – sowohl nach der alten Fassung wie auch nach der neuen Fassung. Den Rückzug vom Netz haben auch die Betreiber von VZlog.de oder etwa Peter Löwenstein. Der IT-Berater betreibt sein Blog seit 2004.
Eher nüchterner lesen sich dagegen die Blogbeiträge jener, die den Umgang mit Paragraphen, Gesetzesauslegung, Gesetzteskommentierung und Rechtsanwendung von der Pike auf in ihrem Studium gelernt haben: Udo Vetter aus NRW mit seinem Law Blog oder sein bayerischer Kollege Thomas Stadler mit seinem Internet Law. Sowohl Vetter wie auch Stadler versuchen die Diskussion zu versachlichen. Diese Herangehensweise im Sinne des alten Römers Tacitus scheint denn auch die einzig sinnvolle zu sein.
Diese Einschätzung teilt auch der Justitiar des Deutschen Journalistenverbands, Benno Pöppelmann. Der Jurist erklärt, dass sich alle Angebote im Netz, die klar als nachrichtliche oder journalistische Inhalte zu erkennen sind, sich auf §5 Absatz 8 des neuen Jugendmedienstaatsvertrags berufen können. „Ich habe mit den Staatskanzleien in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gesprochen, dort wurde mir das so bestätigt“, sagte Pöppelmann dem Mittelhessenblog.Desgleichen habe er mit Autoren des neuen Vertrags gesprochen, diese hätten ergänzt, dass dies für alle Bundesländer gelte, die den Vertrag unterschreiben. Wie Pöppelmann sagt, bessere sich sogar die Situation für Blogger und freie Journalisten. Denn die Beweislast werde zugunsten der Blogbetreiber umgekehrt. Sprich, im Falle eines Falles muss derjenige nachweisen, dass ein Netzangebot nicht den JMStV-Vorschriften genügt, der diesen Vorwurf erhebt. In allen anderen Fällen gelte, dass die Betreiber von Netzangeboten, die vorher schon eine Alterklassifizierug hatten, diese auch in Zukunft haben müssen.
Für das Mittelhessenblog wird sich deswegen nichts ändern, denn es handelt es sich um ein klares journalistisches Angebot.
Links:
Kristian Köhntopp
Peter Löwensteins Regioblog
Udo Vetters LawBlog
Thomas Stadlers Internet-Law
Blog des Deutschen Journalistenverbands für freie Journalisten Freienblog
Christoph von Gallera meint
Kommentar in eigener Sache: Mitunter haut beim eiligen „in die Tasten hauen“ ein Finger daneben und die Korrektur überliest den Fehler. So wurde in der Überschrift dieses Artikel aus einem „Sine“ ein „Sina“. Natürlich muss es wie im eigentlichen Text auch in der Überschrift „Sine“ heißen. Da der Artikel nun aber mit der Überschrift so nun schon im Netz steht und ein Löschen nur zur Verwirrung führen würde, steht die Korrektur in diesem Kommentar
Ich wünsche dennoch einen schönen Freitag 🙂
Manuel F. meint
VZlog.de ist ja auch ein Blog aus Mittelhessen – sitzt laut Impressum in Wetzlar.