Liebe Mittelhessenblogleser: Der Beschluss der schwarzgelben Bundesregierung, die Laufzeiten der Atomkraftwerke in Deutschland zu verlängern, sorgt nicht nur bei der Opposition aus SPD, Grünen und Linken für Widerstand. Im Protest einig ist sich die Branche der Erneuerbaren im Verbund mit den Vertretern vieler Stadtwerke, die verstärkt auf alternative Energiem und unabhängige eigene Versorgerkonzepte bauen. Die Frage nach der Laufzeitverlängerung zeigt allerdings auch bei den ganz normalen Mittelhessen eins: “ Ja“ oder „Nein“ hängt nicht unbedingt vom Alter ab.
Keine Frage: die Erneuerbaren sorgen für Aufträge, auch die energiesparende Eindämmung von Gebäuden sorgt für Aufträge: Heizungsbauer, Maler und Verputzer, unabhängige Energieberater – die Liste derer ließe sich noch weiter fortführen, die während des vergangenen Jahrzehnts vom Weg weg von den fossilen zu den nachwachsenden Rohstoffen profitiert haben. Ihr Kennzeichen: Samt und sonders kleine und mittelständische Unternehmen, meistens familiengeführt, entweder aus konventioneller Technologie kommend oder gerade deswegen erst durchgestartet, weil die Trendwende kam. Politisch auf Bundesebene begleitet von rotgrüner, später schwarzroter Politik. Die Zeichen der Zeit scheinen sich aber politisch auf Bundesebene zu ändern, teilweise wohl auch auf Länderebene. Im Brennpunkt dieser Entwicklung auch Hessen, speziell Mittelhessen: Das RP Mittelhessen will das Land Hessen auf der Erreichung der Zielgerade 20 Prozent plus X bei den Erneuerbaren in zehn Jahren überholt haben. Will Wiesbaden bis dahin 20 Prozent erreicht haben, so sollen es in Mittelhessen 30 Prozent sein.
Dass es doch ohne Kohle, Kernkraft, Öl und Gas gehen sollte, darüber diskutierten nun in Kassel über 700 Bürgermeister, Forscher und Unternehmer aus ganz Deutschland auf dem Kongress „100% Erneuerbare-Energie-Regionen – Umsetzungsstrategien für Kommunen und Landkreise“. Deren Fazit nach zweitägiger Debatte und einer Umfrage: „Als größte Hemmnisse für den Ausbau der Erneuerbaren Energien sehen die Befragten die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke, mangelnden politischen Willen sowie den Neubau von Kohlekraftwerken.“ So heißt es in einer Mitteilung des Mitveranstalters Deenet . Während sich in der Nordhessenmetropole Kassel in diesem Punkt Einigkeit gegen AKW-Laufzeitverlängerung breit macht, nimmt Hessens Umweltministerin Lucia Puttrich zu einem Gutachten des Öko-Instituts zum Atomkraftwerk Biblis Stellung. Das AKW war nach den jüngsten Störfällen wieder in die Schlagzeilen geraten. Laut Puttrich sind die festgestellten Mängel in den Medien hochstilisiert worden. Auf der anderen Seite steht aber die nachwievor ungelöste Frage der Endlagerung der abgebrannten Brennstäbe, was insgesamt für die AKW gleich welchen Alters gilt.
Das diffizile Stimmungsbild setzt sich bis in die Bevölkerung fort.
So ist der 14-jährige Fabio Lerch aus Bieber entschieden gegen die Laufzeitverlängerung. Er befürchtet, dass je länger die Atomkraftwerke in Betrieb sind, umso mehr Gefährdungspotential für die Gesundheit seiner Generation aber auch der älteren in die Zukunft getragen wird. „Das Geld, das hier eventuell noch ausgegeben wird, sollte man lieber nehmen, um armen Familien zu helfen“, so Lerch.
Sein 82-jähriger Urgroßvater Otto Gerlach sieht die Frage der Laufzeitverlängerung etwas anders: „Sollen wir stattdessen Kohle oder Braunkohle nehmen? Außerdem: Was ist mit den Arbeitsplätzen, die an der Atomenergie hängen?“ Da Atomkraft im Vergleich hierzu eine saubere Energie sei, sei er dafür.
„Ich habe dazu eher eine neutrale Einstellung“, mag der 83-jährige Walter Wagner aus Heuchelheim zur Frage der Laufzeitverlängerung keine eindeutige Position beziehen. Er weist daraufhin, dass beide Energiearten, sowohl die Kernkraft wie auch die erneuerbaren Energien ihre Vorteile wie ihre Nachteile hätten. Deswegen könne er weder ja noch nein sagen.
Ganz klar dagegen ist der 56-jährige Hans Palus aus Biebertal. Er hält die Kernkrafttechnologie für unsicher und weist auf die jüngsten Meldungen zum hessischen Atomkraftwerk Biblis hin. Bei dem Reaktor, der zu den ältesten Deutschlands gehört, seien inzwischen zahlreiche Mängel festgestellt worden. Anstatt weiter in Kernkraft zu investieren, sollten die Gelder lieber in die Weiterentwicklung der Erneuerbaren gesteckt werden.
Sowohl für die Laufzeitverlängerung wie die Weiterentwicklung der Erneuerbaren Energien ist der 69-jährige Helmut Becker aus Bieber. Weil die Erneuerbaren noch nicht soweit seien, dass sie vollständig die Energieversorgung übernehmen könnten, müssten deswegen die Atomkraftwerke noch den nötigen Strom liefern.
Andrea00077 meint
Ich finde es sehr gut das es nicht nur die Atomkraft und fossile Verbrennung sondern auch erneuerbare umweltfreundliche Energien gibt. Leider ist aber der Begriff „erneuerbare umweltfreundliche Energien“ etwas irreführend. In Wirklichkeit sieht es eher so aus das es keine Möglichkeit gibt Energie so zu gewinnen das dabei überhaupt kein Schaden entsteht. Unabhängig wo und welches Kraftwerk gebaut oder betrieben wird hat immer die Natur darunter zu leiden. Ich denke das man es in absehbarer Zeit wohl nicht schaffen wird auf die herkömmlichen Methoden ganz zu verzichten. Ständig steigt der Energiebedarf und immer ist die Rede davon das unbedingt überall wo es nur möglich ist Energie gespart werden sollte. Die Umsetzung hört sich aber viel leichter an als es tatsächlich ist. Wer die Stromtarife der verschiedenen Anbieter auf Vergleichseiten genauer ansieht wird leider feststellen das Ökostrom oft noch teurer ist als die herkömmliche Energiegewinnung. Anbieter von Wasserkraft, Windkraft oder Photovoltanikfeldern können nicht durchgehend genügend Energie erzeugen und sind daher immer gezwungen einen gewissen Anteil von anderen Kraftwerken wie z.B. Atomkraft oder (fossile) Verbrennung hinzuzukaufen. Solarzellen mögen sicherlich im ersten Moment ganz umweltfreundlich erscheinen – aber wie umweltfreundlich werden diese hergestellt? Ganz ehrlich gesagt habe ich von der Produktion von Solarzellen absolut Null Ahnung. Auch von den so aufwendig installierten Windkrafträdern sind leider viele wegen Getriebeschäden oder sonstiger Wartungsarbeiten außer Betrieb und damit nutzlos. Bei Wasserkraftwerken gelangen immer wieder haufenweise Tiere wie z.B. Fische in die Turbinen und überleben dies nicht. Ob diese Wassertiere tatsächlich in der Lage sind sogenannte Fischtreppen zu nutzen und dies auch tatsächlich tun werden ist wage ich auch mal zu bezweifeln.
Christoph von Gallera meint
Die Bezeichnung Erneuerbare Energien spielt ist erster Linie auf die ausgewogene Co-2-Bilanz etwa bei Holz an. Bei Lichte betrachtet, gibt es sicherlich immer „Kollateralschäden“. Die Frage ist nur, welche Schäden am Ende am intensivsten sich auswirken oder letztlich wieder auf natürliche Weise behoben werden.