Liebe Mittelhessenblogleser: Manchmal sind es die eher unscheinbaren Dinge, die einen entscheidenden Hinweis geben: Ein alter Plan, versteckt zwischen einem alten Glockenstuhl und dem Mauerwerk einer gotischen Abteikirche in Saint-Antoine-l-Abbaye. Für Kirchenhistoriker dürfte die Angelegenheit spätestens jetzt klar sein.
Der kleine Ort an der Nahtstelle zwischen dem Vercors, der Hochprovence und dem französischen Alpenvorland im Iseretal war das Zentrum des Antoniterordens, eines Hospizordens, der sich vor allem dem Kampf gegen das Antoniusfeuer verschrieben hatte und seine Gründung einem dankbaren lokalen Adligen verdanken soll, dessen Sohn durch die heilende Wirkung der Gebeine des Kirchenvaters gesund geworden sein soll. Das markante Zeichen des Ordens: Der 19. Buchstabe des griechischen Alphabets, das Tau. Als Antoniterkreuz wurde es bekannt und ist heute nicht nur das Wappen der französischen Landgemeinde, sondern findet sich auch wieder in den Wappen des Landkreises Gießen und der Justuts-Liebig-Universität Gießen. Sowohl der Landkreis wie auch die Gießener Uni berufen sich in ihrer Wappengeschichte allerdings auf das Antoniterkloster in Grünberg. Jenes wäre aber ohne den Stammsitz der Antoniter in dem damals noch als Motte-aux-Bois bekannten heutigen Saint-Antoine-l-Abbaye gar nicht erst entstanden. Grünberg selber lag verkehrsgünstig und wurde deswegen früh zu einer zentralen Stütze des Ordens, vor allem mit Wirkung auf den norddeutschen und baltischen Raum.
Heute ist von der Geschichte dieses Ortes vor allem dies zu spüren: Die komplett erhaltene mittelalterliche Dorfstruktur wurde mit der Kirche und dem Abteigebäude unter Denkmalschutz gestellt und zieht jährlich Touristen an, bietet Raum für Literatur- und Kunstfestivals, oder Veranstaltung wie die seit 1990 bestehenden Nuits medievals, die mittelalterlichen Nächte.
Angesichts zahlreicher Partnerschaften, die heute zwischen mittelhessischen Kommunen und französischen Gemeinden bestehen, drängt sich aber doch diese Frage auf: Warum hat es bisher noch niemand für nötig befunden, dieses sicherlich nicht banale historische Moment als Grundlage für eine Partnerschaft zu nehmen. Grünberg, der Sitz des hiesigen Antoniterklosters, hat eine Beziehung zu Condom, das in der Heimat des Cognac in der Gascogne liegt. Gießen selber hatte eine Partnerschaft mit Versailles, die inzwischen längst erloschen ist und den Landkreis Gießen verbanden partnerschaftliche Beziehung mit ehemals deutschen Gebieten im mitteleuropäischen Raum. Sicherlich löblich. Aber: Es wundert doch, dass vor dem Hintergrund dieser vielfältigen Verbindungen es bislang noch keine Anstrengungen gab oder gibt, hier eine kommunale oder regionbezogene Parternmschaft zu begründen. Immerhin: Mit Sarrians und Sorgues gibt es immerhin zwei Kontakte in der, zumindest autotechnischen, näheren Umgebung: Sarrians ist die Partnergemeinde Biebertals, Sorgues diejenige Wettenbergs. Beide zusammen sind allerdings rund 90 Autominuten von Saint-Antoine-l-Abbaye entfernt.
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