Bier aus dem Feuerwehrauto, Zigarren, Rum oder Cocktails probieren, für relativ kleines Geld ausgefallene Möbel etwa aus Treibholz erwerben oder für wertvolle Bilder die passende Verglasung samt Rahmen finden: Das sind nur ein paar Details, die man während des zweiten Open Carré im Gewerbepark in den teils noch alten Gemäuern der 1895 entstandenen Zigarrenfabrik von Rinn und Cloos in Heuchelheim erleben konnte.
Die Industriegeschichte
Die Mauern im Gebäudekomplex zwischen der Ludwig-Rinn-Straße, der Schiller- und der Friedrichstraße in Heuchelheim verraten es schon: Sie stammen im ältesten Teil noch aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Einst gab die dort ansässige Zigarrenfabrik rund 6000 Frauen Arbeit. In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts produzierte auf dem Gelände Minox seine Kameras. RuC und Minox sind Markennamen, die auf die Geschichte dieses Areals hinweisen.
Die Vision
Inzwischen hat das heimische Hoch-und Tiefbauunternehmen Faber und Schnepp das rund 3,5 Hektar große Areal größtenteils erworben, den kleineren Teil hält die Gemeinde. Der Name des Unternehmens: R & C Heuchelheim Entwicklungs-GmbH. Die beiden Partner wollen das Industriedenkmal wieder mit Leben füllen. Zwar sind auch jetzt schon diverse Unternehmen aus dem Medien‑, Hightech- und Umweltbereich Mieter, aber mit der Zeit könnten die Unternehmen noch vielfältiger werden. Und mit der Zigarrenmanufaktur Don Stefano ist etwa ein Unternehmen mit an Bord der Betriebe im Gewerbepark, das den Namen RuC hochhält: Don Stefano wurde 1994 von Steffen Rinn gegründet. Er ist der Enkel von Ludwig Rinn.
Mit Handwerk, regionalen Gastronomen und Bierbrauern, einer Musikschule, Unternehmen aus dem Hightech- und Umweltbereich soll das Gelände nicht nur eine neue Mitte für Heuchelheim werden, sondern vielleicht auch ein Ort für eine Kleinmarkthalle für die Region. Vielleicht vergleichbar der Kleinmarkthalle in Frankfurt.
Vom Parkplatz zum Marktplatz
Ein Anfang ist jedenfalls mit der zweiten Auflage von Open Carré längstens gemacht. Um die Bevölkerung auf das neue Konzept aufmerksam zu machen, war die Idee geboren worden, dass das Gelände nach Feierabend geöffnet wird und sich verschiedene Unternehmen aus dem Gewerbepark und aus der Region präsentieren. Das dritte Mal soll dann am 25. August stattfinden. Mit einem Weinfest im September und einem weiteren Adventsmarkt soll es dann weitergehen.
„Das sollen auf jeden Fall keine Ausnahmefälle bleiben“, sagt Projektleiter Carsten Sann von Faber und Schnepp. Er redet vom Gelände hinter sich, wo der alte Backsteinschornstein in die Höhe ragt. Dort, so sagt er, könne in den nächsten drei bis vier Jahren ein Markt entstehen mit einem Angebot aus regionaler Händlern, Gastronomen und Handwerkern, das auch über die Region strahlt. Neben Unternehmen gehören auch Wohnungen zu diesem geplanten neuem Zentrum. Noch sei das aber Zukunftsmusik. Klar sei aber: Die bauliche Umsetzung liege in der Hand von Faber und Schnepp. Und die folge dem Erhalt des Charmes der alten Architektur. Er weist unter anderem auf Haus B hin, vor dem gerade das alte umgebaute Feuerwehrauto der Mikrobrauerei Octobräu steht, die wie schon beim ersten Open Carré auch jetzt wieder ihr Bier ausschenkt. Haus B fällt ebenso wie Haus D durch seine Backsteinoptik noch einmal besonders auf.
Uta Kolmer gehört mit der Bilderrahmenfabrik Artikum, die inzwischen von ihrem Sohn geführt wird, ebenfalls schon zu den Mietern, die schon länger dabei sind. 2014 hatte das Mittelhessenblog über die Neueröffnung an dem neuen Standort berichtet. Bereut habe sie diese Zeit und den Entschluss bisher jedenfalls nicht. Der Veränderung auf dem Gelände sieht sie jedenfalls gespannt entgegen.
In ihrem Geschäft kann man schlicht alles in Holz und hinter Glas rahmen lassen, was man so gerahmt haben möchte. Was ihr allerdings aufgefallen ist: „Es hat eigentlich noch nie jemand danach gefragt, woher das Holz stammt.“ Dabei sei es heute so, dass die Rahmenhersteller verpflichtet seien, nur nachhaltiges Holz zu verwenden.
Brauerei zum Anfassen
Den richtigen Rahmen sehen auch Jan Michael Burg, Max Beu und Mathias Witt. Die drei hatten gemeinsam mit Lutz Prößer vor fünf Jahren eine Microbrauerei gegründet, um mobil Bier zu brauen und vor allem damit auf Events aufzutreten. Lutz Prößer habe sich aus zeitlichen Gründen aus dem Geschäft allerdings etwas zurückgezogen, sei mit zehn Prozent aber noch beteiligt, erläutert Burg.
„Corona hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht“, erzählt Burg während einer kurzen Bedienpause, die er sich für die Beantwortung der Reporterfragen nimmt. Denn eigentlich hat er keine Zeit, weil jede erfahrene Hand für das Bedienen der Gäste am Tresen des umgebauten alten Opel-Blitz-Feuerwehrautos gebraucht wird. „Wir mussten in der Coronazeit überlegen, wie wir dennoch unser Geschäft weiterausbauen und haben zum Beispiel Onlinetastings angeboten“, berichtet Burg. Dafür war es nötig, das Bier an einem festen Ort zu brauen und dann den Kunden für das Tasting zuzuschicken. Die Idee kam bei der Kundschaft an und augenblicklich denken die vier, besser die drei außer Lutz Prößer, darüber nach, eine Schaubrauerei zu errichten. Auf dem Gelände des Gewerbeparks. Der Name, den sie jetzt schon führen, passt jedenfalls zum Konzept: Octobräu Microbrauerei Mittelhessen. Aktuell haben sie ihren Sitz noch in einer ehemaligen Schreinerei in Dorlar.
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