Liebe Mittelhessenblogleser: Sie wollen wissen, wo Hessens Mitte liegt? Über Google, Ixquick und andere Suchmaschinen ist die Antwort relativ einfach: Mücke, der Vogelsberg werden genannt. Genauso aber der Bioland-Landesverband für Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Am 13. Juni wird es aber anders sein: Dann wird Heuchelheim Hessens Mittelpunkt sein – der der hessischen Landwirtschaft. Denn dort wird die zentrale Veranstaltung zum Tag des offenen Hofes stattfinden. Sie wird vom bisherigen hessischen Innenminister Volker Bouffier eröffnet, dem künftigen hessischen Ministerpräsidenten. In einer Pressekonferenz mit dem hessischen Bauernpräsidenten Friedhelm Schneider wurde auf dem Hof der Heuchelheimer Landwirtsfamilie Klug mit großem Medienaufgebot das Ereignis bereits gewürdigt. Im Sinne des „Um die Ecke geguckt“ bleiben allerdings einige Fragen offen, die das Mittelhessenblog aufgreift.
Auf die zentrale Bedeutung der Landwirtschaft wird immer wieder hingewiesen. Die Berichterstattung in den klassischen Tagesmedien ist in der Regel mit den fälligen Erntegesprächen verbunden, wenn es besondere Aktionen wie eben den Tag des offenen Hofes gibt. Insofern müsste man also meinen, das Thema Landwirtschaft sei erschöpfend und umfassend abgedeckt, dem Berufsstand gehe es gut. Dass das Gegenteil der Fall ist, zeigen die schon verzweifelt zu nennenden Aktionen rund um den Milcherzeugerpreis. Dass die Situation für die regionale Erzeugung alles andere als rosig ist, offenbart noch ein anderes Detail streiflichtartig. „Wir haben für Hessen nur noch einen öffentlichen Schlachthof und der ist in Gießen“, legte der Gießener Bauernverbandsvorsitzende Manfred Paul den Finger in eine offene Wunde. Denn den vielen kleinen Schlachtereien, in der Regel alteingesessene Fleischereien, wird durch die Auflagen zur Umsetzung der europäischen Lebensmittelhygienerichtlinie das Wasser abgegraben. Im Mittelhessenblogartikel „Vom stillen Sterben der Landschlachtereien“, wurde dieses Phänomen in einer Stellungnahme des Regierungspräsidiums Mittelhessen dies bestätigt, allerdings mit der festgestellten schlechten Selbstorganisation einiger Betriebe begründet. Die Tatsache, dass es allerdings nur noch einen Schlachthof für Hessen geben soll, stimmt bedenklich.
Ebenso die Tatsache, dass es nur noch wenige Molkereien gibt, die die Milch der Landwirte verarbeitet und Landwirte, die ihre Milch lieber ab Hof an den Endkunden verkaufen, Angst haben, dafür die Werbetrommel zu rühren, stimmt bedenklich. Die Proteste der Milchbauern sind noch frisch im Gedächtnis, die Streiks in der mittelhessischen Region vor den Toren der Hochwaldmolkereiniederlassung in Hungen genauso wie die Protestfahrten nach Brüssel und Berlin. In Hungen standen noch Bauernverband und Mitglieder des Bundes deutscher Milchviehhalter gemeinsam vor den Toren, die Protestfahrten nach Brüssel wurde von den BDM-Leuten organisiert. In der Zwischenzeit verliert der Bauernverband gerade aus den Reihen der Milchviehhaltern flächenstarke Betriebe. Diese Lücke wiederum reißt finanzielle Löcher in die Mitgliedsbeiträge. Zum Teil kursiert in der Bauernschaft die Auffassung „denen da oben sind wir doch egal. Die machen notfalls Verbandspolitik auch ohne Bauern“. Mit „denen da oben“, wird dann explizit auf die Landes- und die Bundesebene verwiesen. An der Basis, bei den Kreisbauernverbänden würde man hingegen noch näher dran sein. Dennoch verliert gerade ein Bauernverband wie der von Gießen/Wetzlar/Dill starke Milchviehbetriebe. Etwas weiter nördlich rumort es vom Bauernverband Marburg-Kirchhain-Biedenkopf immer wieder und im Südkreis Marburg-Biedenkopf konzentriert sich ebenfalls wieder unter Milchviehbetrieben starker Protest, der offen den BDM unterstützt.
Der Verbraucher wiederum bekommt ein Bild präsentiert, als ob die, die doch eigentlich für die gleiche Sache eintreten, nämlich gerechte Erzeugerpreise für mit hohem Aufwand erzeugte Lebensmittel (in diesem Fall Milch) sich in den Zielen überhaupt nicht einig sind. Die gemäßigten Stimmen in beiden Lagern versuchen zu vermitteln, letztlich fahren aber beide Lager eine eigene Politik – was soll das? Steilvorlagen für die Politik liefern, die dann sagen kann: „Seht her, die Bauern wissen doch selber nicht was sie wollen“?
Eine andere Baustelle auf dem politischen Agraracker ergibt sich aus der Forderung nach erzeugergerechten Preisen. Dass dies von der deutschen Bauernverbandsspitze über die Landesverbandsebene bis in die Kreisbauernverbände gefordert wird: Vollkommen einverstanden und d’accord. Wenn man sich vor Augen führt, welche Werte schon in einem 100-Hektar-Betrieb gebunden sind, noch die normalen anfallenden Betriebskosten dazurechnet, von außer der Regel anfallenden Kosten nicht zu reden, sind die Forderungen der Landwirte mehr als berechtigt.
Nur: Auch hier wieder gibt es die Position, die sagt, „wir wollen ohne Sonderzahlungen der EU auskommen“, es gibt die Position „wir wollen ohne die Zahlungen auskommen, können es aber nicht“, und es gibt die Position, die die Zahlungen der EU an die Landwirtschaft als unabdingbar ansieht. Es gibt allerdings noch eine andere Position, die in der Erzeugerkostendebatte zumindest in der breiten Öffentlichkeit so noch nicht aufgetaucht ist: Wer fragt nach dem Geld, dass auf dem Weg vom Erzeuger zum Endverbraucher eingesetzt und verdient wird: Beim der lebensmittelverarbeitenden Industrie, der Logistik und dem Lebensmitteleinzelhandel? Die Löhne, die in diesen Bereichen verdient werden, ob Lagerist, Verkäufer, Fahrer, sind in der Regel nicht so, dass sie den dazugehörenden Firmen ein Argument geben könnten, die Bauern auf der einen Seite zu niedrigeren Erzeugerpreisen zu zwingen und auf der anderen Seite trotz Rabattschlachten um Lebensmittel dennoch Preise verlangen, die manchen Kunden dazu bringen, nur das Nötigste an Lebensmitteln einzukaufen. Aus Insiderkreisen heißt es immer wieder: Die vom Lebensmitteleinzelhandel sitzen bei den Preisdiskussionen sowieso immer wieder am längeren Hebel.“
Vielleicht ergibt sich ja in Heuchelheim die eine oder andere Gelegenheit zu klärenden Antworten auf die Fragen einfacher Verbraucher
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