Kaum wird das Wetter besser, wird nicht nur angegrillt, sondern werden auch viele Motorräder nach der Winterpause für die Saison klargemacht. Und damit gleichzeitig wieder die Grundlage für Konflikte zwischen Bikern und genervten anderen Verkehrsteilnehmern oder Anwohnern gelegt. Ein Brennpunkt dieser Art ist seit einigen Jahren die Strecke der B 255 zwischen Zollbuche und dem Gladenbacher Ortsteil Weidenhausen. Jetzt hat ein bisher Unbekannter Nägel und Reißzwecken auf die Straße gestreut. Nach Einschätzung der Motorradfahrer, durchweg junge Erwachsene, ein Schaden von mindestens 1000 Euro.
Eigentlich hätte diese Geschichte anders beginnen sollen. Der Streckenabschnitt zwischen der Zollbuche und Weidenhausen ist schon seit etlichen Jahren zu etwas geworden, was den Namen Verkehrspolitikum verdient. Die Akteure: Auf der einen Seite Motorradfans in einem Einzugsbereich zwischen Marburg und Herborn und Gießen, auf der anderen Seite genervte Anwohner oder auch die Polizei und vorwiegend die Verwaltung des Landkreis Marburg-Biedenkopf. Dass die Leidenschaft zum Motorrad ihren tragischen Zoll fordert, markiert an dieser Serpentinstrecke mit etlichen engen Kurven ein einsames blaues Kreuz am Straßenrand. Dort war vor mittlerweile 12 Jahren ein junger Mann aus einem Anliegerort der Strecke durch einen Motorradunfall ums Leben gekommen.
Die Tatsache, dass auf dieser Strecke nach Aussage der Polizei es „immer wieder die gleichen Bekannten sind“, die mit Aktionen ins Auge fallen, die aus dem Rahmen des gewöhnlichen Verkehrsverhaltens fallen (Rennen mit Motorrädern und getunten Autos) hatte im vergangenen Jahr dazu geführt, dass der Landkreis Marburg-Biedenkopf Parkplätze zwischen Zollbuche/Endbacher Platte und dem Ortseingang während der Saison hatte sperren lassen, um damit Rennen zu unterbinden. Die Parkplätze dienten als Sammelplätze. Doch die Sperre führte nur dazu, dass der harte Kern der Bikerszene sich davon nicht abhalten ließ. Das Mittelhessenblog berichtete darüber im September 2016. Für die Saison 2017 sollte die Lage laut Polizei dann gemeinsam mit dem Kreis neu bewertet werden.
Mit Beginn der Saison 2017 traf sich die regionale Bikerszene dann wieder auf den noch durch die Winterzeit allgemein geöffneten Parkplätzen. Gegenüber dem Mittelhessenblog wiesen Ende Februar/Anfang März Anwohner aus Weidenhausen dann wieder „auf gefährliche Situation und Lärm“ entlang der Serpentinstrecke hin. Auf dem gesamten Streckenabschnitt gelten eigentlich in beide Richtungen Geschwindigkeitsregulierungen zwischen 40, 60 und 80 Stundenkilometer, stellenweise herrscht striktes Überholverbot.
Dies alles war eigentlich Anlass, bei der Szene „anzuklopfen“. Die Nagelattacke gab dem Plan eine unerwartete Wendung.
Die Tatsache, dass diese Regeln sowohl von einigen Autofahrern wie auch Motorradfahrern geflissentlich ignoriert werden, hatte nun offensichtlich einen bisher unbekannten „Hater“ auf den Plan gerufen, der, so die Einschätzung der Motoradfahrer mit Absicht Reißzwecken und Nägel auf die Straße geschüttet hatte. „Hater“, so heißen in der Biker-Szene diejenigen, die selber offensiv ihrem Frust gegen Motorradfahrer freien Lauf lassen. Die Biker, die selber die Polizei gerufen hatten, um das Ereignis festzuhalten, sagten, sie könnten sich nicht erinnern, dass dies vorher hier schon einmal passiert sei.
Aus Polizeikreisen ist allerdings bekannt, dass derlei Aktionen auch schon am Feldberg im Taunus stattgefunden hatten, selbst Radrennfahrer seien vor Nagelattacken nicht sicher.
Wie auch immer: Rechtlich stelle diese Attacke einen „Gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr“ und durch die Beschädigung der Reifen eine Sachbeschädigung dar. Der Schaden,so rechnet Max, einer der Biker vor, liege mit Kosten für neue Reifen und die Werkstatt, vermutlich bei annähernd 1000 Euro. „Wenn man dann noch rechnet, dass man mit dem Moped dann auch noch zur Arbeit fährt und deswegen jetzt eine andere Lösung finden muss, wird es noch einmal teurer. Vom Ärger ganz abzusehen.“ Trotz allem hätten die Biker aber noch Glück gehabt, weil sie die Schäden sehr schnell festgestellt hätten. „Würde jetzt jemand mit schlackernden Reifen fahren würde, dann könnte es kritisch werden“, lautete die übereinstimmende Einschätzung von Polizei und Bikern. Im schlimmsten Fall hätte man es dann mit Totschlag zu tun.
Kommentiert : Krach wegen am Garten vorbeifahrender Motorräder? Schreckmomente, weil plötzlich dicht vor einem ein Motorradfahrer sprichwörtlich die „Kurve kratzend“ auftaucht? In Ordnung, es gibt sicherlich Auswüchse. Aber alle Biker über einen Kamm zu scheren und zu sagen: „Die sind halt so, die lassen nicht mit sich reden“, ist genauso blödsinnig wie anzunehmen, dass jeder, der Motorradfahrer kritisiert, ein „Hater“ ist. Die Wahrheit liegt in der Mitte und am Ende hilft miteinander reden. Nicht übereinander. Aber was gar nicht geht und eigentlich kriminell ist, sind solche Dinge wie Nagelattacken. Noch dazu, wenn es den Eindruck vermittelt, dass hier jemand zur Selbstjustiz greifen wollte. Und damit billigend in Kauf nimmt, dass dann der Sohn, die Tochter der Nachbarn, Freunde verletzt werden oder schlimmer noch, ums Leben kommen. Wie zynisch oder hilflos muß man sein?
X meint
Aus 2013:
Rollsplitt ausgestreut – Polizei ermittelt
Gladenbach-Weidenhausen. Wegen des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr hat die Polizei nach einem Vorfall zwischen Freitag 18 Uhr und Samstag 5:45 Uhr Ermittlungen eingeleitet. In dieser Zeit schütteten Unbekannte etwa zwei Schaufeln Rollsplitt aus einem nahegelegenen Streugutkasten in Höhe der Zollbuche auf die Straße. Glücklicherweise kam es in der Rechtskurve zu keinen Gefährdungen von Verkehrsteilnehmern.
Jan Flecke meint
Ganz große Sauerei. Das ist versuchter Mord. Manche Biker benehmen sich deutlich daneben, das rechtfertigt jedoch immernoch nicht jemanden das Leben zu nehmen. Es ist ein Verbrechen und die Polizei hat hier zu ermitteln.