Liebe Mittelhessenblogleser: Sie knattern, bullern oder brummen, sie fristen in irgendwelchen Ecken ein trauriges Dasein, bis sie ein Liebhaber entdeckt oder sie sind ein modernes Hightech-Zentrum, das mit Satellitentechnik Ackerfurchen zieht oder düngt: Die Rede ist von Schleppern, allein 8000 von ihnen soll es im Landkreis Gießen geben. Um zu zeigen, wie fit ein Allgeier gegenüber einem modernen Fendt sein kann, dass Porsche und Lambhorgini nicht nur für flotte Rennwagen stehen, sondern für zugstarke Schlepper, gibt es am Wochenende eine gute Gelegenheit: In Villingen geben sich am 13. Juni über 200 Schlepper ein Stelldichein.
Sie heißen Kramer, Lanz, Porsche, Deutz. Sie heißen aber auch Fendt, John Deere, McCormick oder Renault. Sie sind in der Regel rot, blau oder grün. Die ältesten von ihnen stehen im Extremfall im Wohnzimmer oder ziehen immer noch ihre Runden über Äcker und Wiesen. Die jüngsten von ihnen haben 300 PS und mehr unter der Haube und wer einen haben will, muss 200000 Euro auf den Tisch legen: Die Rede ist von Traktoren, Schleppern, Zugmaschinen. Zum zweiten Mal geben sich über 200 von ihnen ein Stelldichein im Gießener Ostkreis. Wo genau? Im Hungener Ortsteil Villlingen. Am 13. Juni. Ab 10 Uhr wird es dann für über 100 Schlepper in sieben Wertungsklassen ernst. Die Schlepper, die nicht mitfahren, bilden entlang der Dorfstraßen eine beeindruckende Kulisse.
„Das ist etwas anderes als andere Traktorentreffen, Hier geht es darum, dass auch der ganz normale Bauer, der mit seinem Schlepper täglich unterwegs ist, dem ambitionierten Sammler zeigen kann, wie er einfach aus dem Gefühl heraus das richtige Tempo findet“, erläutert Manfred Möll das Besondere an diesem Treffen, das schon bei seiner Premiere vor einem Jahr unerwartet großes Echo fand. Möll ist erster Vorsitzender des MSC Horlofftal, der dieses Treffen ausrichtet und dafür den ADAC, die Landfrauen und den Bauernverband mit ins Boot geholt hat. Außer dass die Landfrauen für die Traktorpiloten einige Aufgaben bereitstellen, stellen sie mit dem Bauernverband und dem ADAC die Jury, die am Ende über die Punktvergabe entscheiden wird.
Nein, es sei keine Verkaufsveranstaltung, es ist auch kein Berufswettkampf, wie man ihn aus der Landwirtschaft kennt, versichert Möll. Das verrät schon ein Blick auf die Teilnehmerliste, deren aktueller Stand über die Internetseite des Treffens abgerufen werden kann: Auf dem Parcours rund um Villingen und Ruppertsburg werden Maschinen aufeinandertreffen, die eine Technikgeschichte von mindestens nahezu 70 Jahren abdecken. Denn der gegenwärtig älteste Schlepper auf der Liste ist ein Lanz aus dem Jahr 1940, der jüngste ein Same Dorado 66 aus dem Jahr 2009.
Noch eine andere Idee stecke hinter dem Treffen: Mit den gestellten Aufgaben, auf die die Parcourteilnehmer treffen, sollen Köpfchen und Können gleichermaßen gefordert werden, kann der Fahrer oder die Fahrerin mit der witzigsten Fahrerkluft genauso punkten wie die mit der besten Fahrtechnik oder in seiner Klasse am besten aussehende Schlepper. Genauso ist es völlig offen, ob der 74-jährige angefeuert von seiner Familie und Freunden aus dem Dorf zu den Besten gehört oder ob sich die 20-jährige Treckerpilotin durchsetzen wird. Eines dürfte aber sicher sein: Sobald mehr als ein Schlepper aus einem Dorf gemeldet ist, werde es Dorfmannschaften geben. Auch hier hilft wieder der Blick auf die Meldeliste: Ruppertsburg geht jetzt schon ganz klar mit einer starken Truppe an den Start, dicht gefolgt von Bellersheim. Insgesamt sieht es danach aus, als ob sich die Teilnehmer stark auf den Osten und den Süden des Landkreis Gießen konzentrieren. Weitere kommen unter anderem aus dem Vogelsbergkreis, der Wetterau, Limburg und Eschenburg im Lahn-Dillkreis. Der am weitesten entfernte Traktorpilot kommt aus Leogang in Österreich. Möll rechnet mit einer noch stärkeren Resonanz als vor einem Jahr.Damals waren rund 5000 nach Villingen gekommen.
„Klar, dass wir auch wieder mitmachen“, freut sich die 38-jährige Nicole Lehr aus Ruppertsburg auf das Traktorentreffen. Sie geht mit ihrem Vater Hans-Joachim „Bubi“ Lehr und ihrem Cousin Christopher an den Start. Dabei tritt jeder für sich. Nicole wird von ihrer Schwester Nadine begleitet. Beide zusammen hatten es während der Premiere vor einem Jahr noch Stück weiter geschafft. Damals hatte sich der hessische Rundfunk für die Veranstaltung interessiert und die beiden Schwestern waren im Maintower gewesen. Noch bis vor wenigen Tagen war ihre Maschine, ein 1962er blauer Fordson-Dexta von Alexander Marx auf Hochglanz poliert worden. Lackiert wurde der Schlepper vor einigen Jahren. „Das hält jetzt erst mal ein paar Jahre“, lacht der 42-jährige. Denn der Schlepper ist sonst zumindest noch für die Heubergung im Einsatz. Auch für die beiden Deutz aus den Jahren 1972 und 1974, mit denen Christopher und Hans-Joachim Lehr an den Start gehen, gilt, dass sie noch ganz alltäglich ihre Arbeit verrichten. Für den 74-er Deutz war vor ein paar Jahren eine neue Lackierung fällig geworden.
„Genau darin liegt der Reiz. Der Bauer, der jeden Tag seinen alten Traktor mit dem Hintern fühlt hat ihn wohl besser im Griff als manch anderer, der heute mit einem Hightech-Schlepper unterwegs ist“. Auf dem Traktorentreffen in Villingen können sie nun zeigen, wie genau oder ungenau, geschickt oder ungeschickt moderne computergesteuerte Ackerboliden sind im Wettkampf mit Traktoren, die noch ohne Servolenkung, Abstandmesser und Sitzfederung auskommen.
Christoph von Gallera meint
Hin und wieder schlägt der technische Fehlerteufel zu, liebe Leser: Die erste Version des obigen Textes schien korrigiert, war es aber nicht. Der Fehler lag in der Kommunikation zwischen WordPress und dem Server, auf dem Mittelhessenblog gehostet wird. Zur Zeit scheint der Fehler wieder behoben zu sein.
Andreas meint
Hallo Christoph,
vielen Dank für Deinen schönen und ausführlichen Artikel über das Treffen in Villingen, welches ich bisher nicht kannte.
Da ich seit geraumer Zeit vom Oldtimer-Virus infiziert bin hoffe ich, dass dieses Treffen nächstes Jahr wieder statt findet. Meine Beteiligung wäre dann sicher. 🙂
Freundliche Grüße